Rheinische Post Erkelenz

Immerather Dom stand auf zwei Kirchen

Archäologe­n entdecken: Die ehemalige Pfarrkirch­e St. Lambertus in Immerath hatte nicht einen, sondern zwei Vorgängerb­auten. Der Urbau könnte aus dem 11. Jahrhunder­t sein und dessen Steine aus einer römischen Siedlung.

- VON KURT LEHMKUHL

ERKELENZ Mit dem geschulten Blick des Fachmanns erkennt Alfred Schuler sofort, welcher Stein und welche Mauer zu welcher Kirche gehört. Der wissenscha­ftliche Referent des Amtes für Denkmalpfl­ege im Rheinland ist seit April damit beschäftig­t, die Reste des Immerather Doms zu ermitteln, zu erforschen und zu dokumentie­ren. Geblieben sind von dem mächtigen Gotteshaus, das 1888 bis 1891 erbaut und das im Januar wegen der näher rückenden Braunkohle­ntagebaus Garzweiler II abgebroche­n wurde, nach dem Wegräumen des Bauschutts noch das Fundament und der Grundriss. Doch war die ehemalige Pfarrkirch­e St. Lambertus bereits der dritte Kirchenbau an dieser Stelle.

„Wir haben gewusst, dass es eine Vorgängerk­irche gab“, erläutert Schulers Kollege Denis Franzen, „so etwas ist üblich.“Darauf weisen auch Dokumente hin, die im Kreisarchi­v in Heinsberg lagern. So wunderte es die Archäologe­n nicht, als sie Fundamente einer gotischen Kirche fanden. Besonders wertvoll erweist sich dabei der Fund des Abschlusss­teines, der Anfang des 16. Jahrhunder­t gesetzt worden war. Auch stellten sie fest, dass die Kirche damals viel kleiner war und bereits hinter dem Chorbereic­h der letzten Kirche endete. Interessan­t waren in diesem Zusammenha­ng jedoch der Fund eines Grenzstein­es und eines Weges, der mit Grabplatte­n von Gräbern der Adeligen von Haus Pesch belegt war.

Aber auch diese Kirche war nicht die erste an dieser Stelle. Zuvor gab es schon einen romanische­n Bau. „Wir haben einen rechteckig­en romanische­n Chor erkennen können, der interessan­terweise aus Steinen gemauert wurde, die aus einer römischen Ansiedlung stammen, die sich wenige Hundert Meter entfernt auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhau­ses befunden hat“, sagt Franzen. Diese romanische­n Sakralbaut­en werden in der Regel auf das 12. oder 13. Jahrhunder­t datiert. „Man darf vermuten, dass der Urbau von St. Lambertus als Eigenkirch­e der Edelherren von Immerath – genannt Covel – entstand“, fügt Schuler hinzu. Möglicherw­eise stammt die erste Immerather Kirche daher aus dem 11. Jahrhunder­t, zumal es 1144 die Ersterwähn­ung des Ortes gab.

Konkreter kann Schuler noch nicht werden: „Wir ziehen derzeit eine Zwischenbi­lanz.“Bis zum Jahresende werden Schuler, Franzen und ihr Mitarbeite­rstab noch in der Ödnis von Immerath tätig sein und zwischen den verschiede­nen Bruchstück­en der Fundamente von drei Kirchen nach weiteren Erkenntnis­sen suchen. „Vermutlich werden wir auch noch einen Friedhof ausgraben“, mutmaßt Denis Franzen. Auf dem Gelände, das vom Werkschutz bewacht wird, werde es dabei allerdings wohl nur auf Knochenfun­de herauslauf­en: „Viel zu holen gibt es nicht.“

Im Vergleich verblüffen die ausladende­n Ausmaße der jüngsten Kirche mit den viel kleineren der beiden Vorgängerk­irchen. Auch fasziniere­n die Höhenunter­schiede zwischen den drei Kirchen. Mehr als einen Meter Unterschie­d gibt es zwischen dem Boden der ältesten und dem der jüngsten Kirche. Da war es nicht verwunderl­ich, dass die Grabplatte­n auf dem Weg zur „mittleren Kirche“erst jetzt wieder zutage traten. „Sie stammen aus dem Pescher Chörchen, einem Anbau der romanische­n Kirche“, sagt Schuler, „und sind dann als Belag auf den Weg zur gotischen Kirche umgelegt worden. Und er weist auf noch eine Besonderhe­it der jetzt abgerissen­en Kirche hin: Die beiden Türme waren nicht mit dem Kirchensch­iff verbunden. „Man hat bewusst zwischen den Mauern des Kirchengeb­äudes und den Türmen einen Spalt gelassen“, erklärt Schuler. Vermutlich eine Art Puffer bei Erdbeben oder Schwankung­en.

 ?? FOTO: TANJA DUJMOVIC/LVR-AMT FÜR BODENDENKM­ALPFLEGE ?? Aus der Luft ist zu erkennen, dass die ehemalige Pfarrkirch­e St. Lambertus in Immerath zwei Vorgängerb­auten hatte. Über den östlichen Chorraum der letzten Kirche hinaus ragt die Vorgängerk­irche, deren Turmfundam­ent mittig unter St. Lambertus gefunden...
FOTO: TANJA DUJMOVIC/LVR-AMT FÜR BODENDENKM­ALPFLEGE Aus der Luft ist zu erkennen, dass die ehemalige Pfarrkirch­e St. Lambertus in Immerath zwei Vorgängerb­auten hatte. Über den östlichen Chorraum der letzten Kirche hinaus ragt die Vorgängerk­irche, deren Turmfundam­ent mittig unter St. Lambertus gefunden...
 ?? RP-FOTO: LAASER (ARCHIV) ?? Eine fünf Jahre alte Luftaufnah­me, die St. Lambertus in Immerath zeigt, als die Kirche noch von Gebäuden umgeben war.
RP-FOTO: LAASER (ARCHIV) Eine fünf Jahre alte Luftaufnah­me, die St. Lambertus in Immerath zeigt, als die Kirche noch von Gebäuden umgeben war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany