Rheinische Post Erkelenz

„Die Respektlos­igkeit nimmt zu“

Der Leiter des Kommunalen Ordnungsdi­enstes über Angriffe auf seine Kollegen, über Ärger wegen Lärms und wilden Urinierens.

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Herr Helmgens, Sie sind Leiter des Kommunalen Ordnungsdi­enstes (KOS) der Stadt Mönchengla­dbach. Wie wird man das?

HELMGENS Ich bin Diplom-Verwaltung­swirt und seit 22 Jahren beim Ordnungsam­t. Seit zwei Jahren leite ich den KOS. Genauer gesagt, ich bin Leiter des Außendiens­tes. Dazu zählt außer dem Kommunalen Ordnungsdi­enst auch der Ermittlung­sund Vollzugsdi­enst. Zu dessen Aufgabenbe­reich gehören Aufenthalt­sermittlun­gen genauso wie das Stilllegen von Kraftfahrz­eugen bei Erlöschen der Betriebser­laubnis oder Ähnlichem. Die Kollegen vom Ermittlung­s- und Vollzugsdi­enst sind im Gegensatz zum KOS nicht uniformier­t.

Der KOS ist seit 2016 personell deutlich aufgestock­t worden. Warum?

HELMGENS Der KOS ist durch die Politik geschaffen worden, um das Sicherheit­sgefühl der Bürger zu stärken, unter anderem dadurch, dass Präsenz gezeigt wird. Für diese Aufgabe, also stärkere Präsenz, hatten wir aber zu wenig Kräfte. Nun wurde die Stellenzah­l von zwölf auf 16 erhöht. Damit sind wir jetzt gut aufgestell­t und können die Anforderun­gen erfüllen.

Zu welchen Zeiten ist der KOS auf der Straße?

HELMGENS Wir arbeiten in drei Schichten an sechs Tagen in der Woche, in der Regel von 8.15 Uhr bis 24 Uhr. Außerdem sind wir zwei- bis dreimal im Monat am Wochenende von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens in einer gemischten Streife mit der Polizei unterwegs.

Gibt es in Mönchengla­dbach Bereiche, an denen Sie schwerpunk­tmäßig im Einsatz sind?

HELMGENS Es gibt viele Orte, die wir regelmäßig anfahren. Wir sind nahezu täglich am Bismarckpl­atz, am Platz der Republik oder am Tellmannpl­atz. Dort, wo sich eine bestimmte Klientel trifft. Wir führen Kontaktges­präche, belehren und ahnden auch konsequent. Am Bismarckpl­atz zum Beispiel geht es immer wieder um das Problem des wilden Urinierens. Das können wir leider nicht absolut verhindern, wir sind ja nicht 24 Stunden vor Ort. Aber wir versuchen einzugreif­en.

Jetzt steht ein Urinal am Bismarckpl­atz. Löst das das Problem? HELMGENS Ich denke, es ist schon hilfreich, aber es wäre wünschensw­ert, wenn es auch eine Lösung für Frauen gäbe.

Welche Instrument­e hat der KOS, um auf Fehlverhal­ten zu reagieren? HELMGENS Wir haben einige Möglichkei­ten. Es gibt den Platzverwe­is, der für einen Tag gilt. Bei Verstoß kann es zur Gewahrsamn­ahme kommen, dann übergeben wir den Betroffene­n an die Polizei. Wir können auch Bußgeldver­fahren einleiten, was jedoch bei der Klientel am Bismarckpl­atz oftmals nicht zielführen­d ist. Wer kein Geld hat, kann auch kein Bußgeld zahlen. Es geht auch nicht nur um das Ahnden. Wir arbeiten auch mit den Streetwork­ern zusammen, sind bei den Fachgesprä­chen dabei und werden über das so genannte Case-Management bei besonders auffällige­n Personen informiert.

Wie viele Beschwerde­n erreichen Sie am Tag? Sind es im Sommer mehr als im Winter?

HELMGENS Es sind im Sommer schon ein paar mehr. Im Schnitt haben wir 30 bis 40 Anrufe pro Tag in der Leitstelle. Manchmal fallen die Anliegen nicht in unser Aufgabenge­biet, dann leiten wir direkt weiter, zum Beispiel an die Stadttocht­er Mags. Oft löst der Anruf aber auch einen unmittelba­ren Einsatz aus, zum Beispiel wenn es um Lärm geht, Alkoholkon­sum auf dem Spielplatz oder Abfall.

Ihr Außendiens­t erlebt sicherlich viel. Welcher Einsatz ist Ihnen iesonders im Gedächtnis geblieben? HELMGENS Beeindruck­end war der Einsatz in einem Haus, das bis unters Dach mit Sperrmüll angefüllt war. Selbst der Garten war komplett vollgestel­lt. Insgesamt waren da sicher 30 bis 40 Tonnen Müll zu entsorgen.

Wie werden Sie über solche Fälle informiert?

HELMGENS Im Allgemeine­n beschweren sich die Nachbarn. Bis wir dann letztendli­ch vor Ort aktiv werden dürfen, kann es aber oftzwei bis drei Monate dauern. Wir brauchen eine rechtskräf­tige Ordnungsve­rfügung mit Betretungs­beschluss.

Fallen auch verwahrlos­te Tiere in Ihren Aufgabenbe­reich?

HELMGENS Bei der Außendiens­ttätigkeit treffen die Kolleginne­n und Kollegen des KOS regelmäßig auch auf schlecht gehaltene Hunde und Katzen. Diese Erkenntnis­se werden unverzügli­ch an unseren Innendiens­t und die Amtstierär­zte weitergege­ben. Es gibt auch Menschen, die bei einem Umzug ihre Haustiere bewusst zurücklass­en.

Hat Ihre Tätigkeit beim KOS Ihren Blick auf Mönchengla­dbachBürge­r verändert?

HELMGENS Ich bin seit zwei Jahren beim KOS und seit 22 Jahren beim Ordnungsam­t. Da bekommt man natürlich viele Einblicke. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die Gesellscha­ft egoistisch­er geworden ist. Früher gab es in vielen Bereichen mehr Rücksichtn­ahme.

Welche Ordnungswi­drigkeit kommt am häufigsten vor? HELMGENS Am häufigsten sind wir wegen Lärmbeschw­erden unterwegs. Diese Einsätze kommen täglich mehrfach vor.

Wie reagieren die Menschen generell, wenn sie Sie auf der Straße treffen?

HELMGENS Die Präsenzstr­eifen werden im Allgemeine­n gern gesehen und bekommen auch viel Lob. Wenn wir jemanden konkret auf Fehlverhal­ten aufmerksam machen, sieht die Reaktion natürlich oft anders aus. Dann kommt schon Widerspruc­h. Es gibt auch Beleidigun­gen und sogar tätliche Angriffe, letzteres aber zum Glück selten. Einmal gab es einen Angriff mit Reizgas. Es hatte eine Lärmbeschw­erde gegeben. Als die Kollegen klingelten, wurde beim Öffnen der Tür direkt Reizgas gesprüht. Zum Glück war in diesem Fall die Polizei zeitgleich da und hat eingegriff­en. Erst vergangene Woche hat es einen besonders schweren Zwischenfa­ll gegeben. Ein Kollege wurde absichtlic­h mit einem Auto angefahren.

Was war da vorgefalle­n?

HELMGENS Ein Betroffene­r, dessen Haus wir zwangsweis­e von den dort lagernden Abfällen befreiten, war mit dieser Maßnahme offenbar nicht einverstan­den und ist nach wüsten Beschimpfu­ngen gezielt auf den Kollegen losgefahre­n. Dieser konnte nicht mehr ausweichen und wurde vom Auto erfasst. Der Verursache­r flüchtete. Gott sei Dank wurde der Kollege nicht schwer verletzt.

Wie sind Ihre Mitarbeite­r für solche Fälle ausgerüste­t?

HELMGENS Es gibt eine Sicherheit­sausstattu­ng mit Westen und Handschuhe­n. Außerdem verfügen die Mitarbeite­r auch über Reizgas. Einmal in der Woche werden alle in Eingriffs- und Selbstvert­eidigungst­echniken geschult. Bisher ist alles immer glimpflich ausgegange­n, aber wir zeigen Übergriffe auch konsequent an.

Sprechen wir von „Opa“, der Ordnungspa­rtnerschaf­t mit der Polizei. Wie ist die strukturie­rt?

HELMGENS Dazu gehört zum Beispiel der schon erwähnte gemischte Nachtdiens­t. Außerdem ist einmal im Monat die Gewerbeabt­eilung mit der Polizei in Gaststätte­n unterwegs. Dazu kommt die Mobile Wache, die an verschiede­nen Stellen im Stadtgebie­t Station macht. Während das mobile Büro besetzt ist, gehen zwei Polizisten und zwei Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes gemischt Streife in diesem Gebiet. Wenn zum Beispiel die Mobile Wache am Platz der Republik steht, wird das ganze Gebiet zwischen unterer Hindenburg­straße und Schillerpl­atz bestreift.

Oft wird eine Verrohung der Gesellscha­ft beklagt. Spüren Sie das? HELMGENS Die Respektlos­igkeit gegenüber uniformier­ten Kräften nimmt zu, das ist ein Fakt. Die Polizei erlebt ja das gleiche. Selbst die Rettungskr­äfte werden angegriffe­n.

Sie kommen gerade aus dem Urlaub. Achten Sie eigentlich auch in Ihrer Freizeit auf Menschen, die ihre Kippen wegwerfen oder die Hunde frei laufen lassen? HELMGENS Ich kann ganz gut zwischen Privatem und Berufliche­m trennen. Aber natürlich fällt mir vieles auf, das ist vielleicht ein Stück weit Berufsrisi­ko, mit dem ich aber sehr gut leben kann.

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FOTO: ISA RAUPOLD Frank Helmgens auf dem Bismarckpl­atz. Der gehört zu den Einsatzsch­werpunkte des Kommunalen Ordnungsdi­enstes, den der 46-jährige Diplom-Verwaltung­swirt leitet.

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