Magische Eismacher, durstige Monster
Jeder versucht sich ein Bild vom Anderen zu machen, was nicht ganz gelingt, aber der Freundschaft letztlich nicht im Wege steht. Ein bezauberndes Plädoyer für Langweile, Neugier, Briefeschreiben und Offenheit gegenüber Fremdem. Nicht zufällig hat es der Briefroman für Leseanfänger auf die Nominierungsliste des Kinder- und Jugendbuchpreises geschafft.
Um Freundschaft geht es auch in der Geschichte von Oliver Scherz. In „Ein Freund wie kein anderer” erzählt er von dem Erdhörnchen Habbi, das sich gegen alle Verbote mit dem Wolf Yaruk anfreundet. Während die Familie Vorräte für den Winter sammelt, jagt Habbi einem schillernden Libellenflügel nach und plumpst am Wasserfall, dem Ende der Erdhörnchen-Welt, ein Geröllfeld hinunter – direkt vor die Füße des ärgsten Fressfeindes: einem Wolf. Doch der ist verletzt und hilflos. Habbi befreit den murrenden Wolf, der sterben will, weil er verletzt aus Raubtiersicht wertlos ist. Doch Habbi hat sich nicht ans Ende der Welt gewagt, um dem Wolf beim Sterben zuzusehen. Beharrlich versorgt er ihn mit Essen, Kräutern, und es entsteht eine Freundschaft zwischen den ungleichen Tieren, die das Erdhörnchen vor seiner Familie geheim halten muss. Mit dem Individualisten Habbi und dem lebensmüden Wolf schafft Scherz eine anrührende Geschichte, gut erzählt, ansprechend illustriert, ohne Schnickschnack.
Alles andere als herzergreifend sind „Die schlimmsten Kinder der Welt” von David Walliams. Der britische Autor mit seinem skurrilen Humor gilt als Nachfolger von Roald Dahl. Aus seiner Feder stammen auch “Gangsta-Oma” und “TerrorTantchen”. Klamaukig präsentiert er diesmal zehn kurze Geschichten getränkt mit schwarzem Humor
und bitterböser Moral à la Wilhelm Busch über zehn KatastrophenKinder, etwa den „sabbernden Sascha”, „Popel-Paul” und die „pupsende Pia”. Gnadenlos überdreht Walliams die Schwächen kleiner und größerer Menschen bis zum widerlichen oder gruseligen Ende. Dabei spielt der Text mit Schriftarten und -größen. Tony Ross hat auch zu diesem Walliams-Werk schrecklichfröhliche Illustrationen produziert. Wer Klamauk mag, wird die „schlimmen Kinder” lieben.
Gegen die Monsterkinder ist das Wesen aus „Bitte nicht öffnen – Durstig!“geradezu liebenswert, auch wenn es einen Schminktick hat. Im dritten Band der Reihe „Bitte nicht öffnen” erreicht Nemo wieder ein Paket, wie immer adressiert an: “Niemand. Wo der Pfeffer wächst. Am Arsch der Welt”. Um allem Ärger aus dem Weg zu gehen, gibt Nemo es ungeöffnet zurück. Doch Ärger gibt’s trotzdem: Jemand anders öffnet das Paket, und es wird stockdunkel in Boring. Nemo, Fred und Oda müssen sich wieder auf die Suche nach einem Monster machen, das wie der Yeti und Schleimi ein lebendig gewordenes Spielzeug ist. Dabei kommt auch diesmal eine witzige Geschichte heraus, untermalt mit schrägen Zeichnungen von Fréderic Bertrand. So witzig und charmant, dass man hinterher froh ist, den Buchdeckel geöffnet zu haben.