Rheinische Post Erkelenz

Bonner Polizist nach Attacke auf Kippa-Träger versetzt

Der israelisch­e Professor Yitzhak Melamed aus Baltimore erhebt nach dem Vorfall schwere Vorwürfe gegen die Polizei – die Staatsanwa­ltschaft ermittelt nun.

- VON PHILIPP KÖNIGS

BONN Der Polizeiein­satz nach einer antisemiti­schen Attacke auf einen israelisch­en Hochschulp­rofessor in Bonn hat für die Beamten nun Konsequenz­en: Gegen die vier Beamten im Alter von 25 bis 28 Jahren, die wegen einer Verwechslu­ng den jüdischen Professor Yitzhak Melamed verfolgt und geschlagen haben sollen, hat die Bonner Polizei Disziplina­rverfahren eingeleite­t. Der Beamte, der die Schläge gegen den am Boden liegenden Wissenscha­ftler ausgeteilt haben soll, ist außerdem innerhalb der Behörde von der Einsatzhun­dertschaft in eine andere Abteilung versetzt worden, teilte Polizeispr­echer Robert Scholten mit.

NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sieht keinen Grund für personelle Konsequenz­en und verweist auf die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft und der Kölner Polizei. „Bisher sieht alles nach einem verhängnis­vollen Missverstä­ndnis aus“, sagte Reul. „Es wird nichts vertuscht, im Gegenteil: Wir tun alles, um den Fall rückhaltlo­s aufzukläre­n. Das sind wir der Öffentlich­keit, aber auch Professor Melamed schuldig.“

Am Wochenende hatte sich Melamed, der als Gastprofes­sor aus Baltimore für einen Vortrag nach Bonn gereist war, zu Wort gemeldet. Er zeigte sich empört über die Darstellun­g der Polizei zu dem Vorfall und hielt ihr vor, „haltlose Lügen“zu verbreiten. Er habe sich beim Einsatz der Polizei nicht gewehrt, wie die Behörde in ihrer Stellungna­hme darlegte. „Ich war bewegungsu­nfähig und konnte nicht atmen“, erklärte Melamed. Die vier Polizisten hätten sich von zwei Seiten auf ihn gestürzt. Er schrieb von „wenigen Dutzend Schlägen“, die er abbekommen habe, gegenüber anderen Medien sogar von 60 bis 80 Schlägen.

Ein Zeuge, der namentlich nicht genannt werden will, schilderte dem Bonner „General-Anzeiger“, der Zugriff sei „äußerst brutal“gewesen. Er hatte allerdings aus rund 15 Metern Entfernung beobachtet, dass nur einer der Polizisten den Professor im Sprung niederlegt­e, als der seinem ursprüngli­chen Angreifer hinterherl­ief. Der Zeuge konnte schnelle Armbewegun­gen des Polizisten über mehrere Sekunden, aber keine Schläge ins Gesicht wahrnehmen. Die anderen drei Polizisten hätten drumherum gestanden. Ob der Professor sich gewehrt habe, habe er nicht erkennen können.

Der Professor betont, dass er nach dem Vorfall zweimal aussagen musste. Beim ersten Kontakt habe man ihm eine Beschwerde gegen die Polizisten im Einsatz ausreden wollen. Erst bei einer zweiten Vernehmung sei er höflicher behandelt worden. Laut Scholten ist die zweifache Vernehmung, zunächst in der Wache und anschließe­nd im Polizeiprä­sidium zur genaueren Anhörung, ein gewöhnlich­er Vorgang.

Bonns Polizeiprä­sidentin Ursula Brohl-Sowa hatte sich am Tag nach dem Angriff mit Melamed getroffen, um sich vor dessen Abflug nach Baltimore persönlich zu entschuldi­gen. Melamed äußerte nun seine Vermutung, dass sie sich nur entschuldi­gt habe, weil er „ein Professor und kein Underdog“sei, und sieht sich als Opfer „brutaler Polizeigew­alt“. Gegen den 20-Jährigen, der den US-Amerikaner beschimpft, angegriffe­n und ihm die Kippa vom Kopf geschlagen haben soll, prüft die Staatsanwa­ltschaft laut Behördensp­recher Sebastian Buß die Straftatbe­stände Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Volksverhe­tzung. Ob die Polizisten sich durch ihr Verhalten der Körperverl­etzung schuldig gemacht haben, werde in einem zweiten Verfahren geprüft.

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