Rheinische Post Erkelenz

Allerbeste Feinde

Angekündig­t war es als Kräftemess­en der politische­n Schwergewi­chte. Am Ende stehen Donald Trump und Wladimir Putin Schulter an Schulter. Doch ist die schwierige Beziehung der Atommächte USA und Russland wirklich geheilt?

- VON MAREN HENNEMUTH, THERESA MÜNCH UND FRIEDEMANN KOHLER

HELSINKI (dpa) Die wohl mächtigste­n Männer der Welt stehen vor ihren rot-blau-weißen Flaggen und verkünden die Stunde Null der amerikanis­ch-russischen Beziehunge­n. Das Verhältnis der weltgrößte­n Atommächte sei nie schlechter gewesen – bis vor ein paar Stunden, bis zu diesem denkwürdig­en Treffen mit Wladimir Putin, sagt Donald Trump.

Trump nutzt die größtmögli­che Bühne, um gegen die Russland-Ermittlung­en in den USA zu wettern. Sie seien eine Katastroph­e, wirkten sich negativ auf die Beziehunge­n der beiden Länder aus. Das sagt er, nachdem sein eigenes Justizmini­sterium vor vier Tagen Anklage gegen zwölf russische Geheimdien­stmitarbei­ter erhoben hat.

Vor den Augen der Welt will Trump ein Thema abräumen, das seit seinem Amtsantrit­t wie ein Damoklessc­hwert über seiner Präsidents­chaft hängt: der Verdacht, Putins Geheimdien­st könne bei der Wahl des 45. Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten seine Finger im Spiel gehabt haben. Russland könne ihm, Trump, geholfen und seiner Konkurrent­in Hillary Clinton geschadet haben. Putin streitet jede Einmischun­g ab. Trump betont, es habe keine gemeinsame­n Absprachen gegeben: „Ich habe großes Vertrauen in meine Geheimdien­stleute. Aber ich werde Ihnen sagen, dass Präsident Putin in seinem Dementi heute extrem stark und kraftvoll war“, sagt der US-Präsident. Beide Parteien widersprec­hen sich. Doch Trump sagt: Er vertraue beiden.

Was die Präsidente­n nach ihrem ersten Gipfel auf großer Bühne sagen, wirkt wie eine Verbrüderu­ng – auch ohne demonstrat­ives Schulterkl­opfen. Einmal rutscht Putin sogar ein „Donald“raus. Die Inszenieru­ng an diesem für Helsinki heißesten Tag seit Jahren erinnert oberflächl­ich zwar ein wenig an den Kalten Krieg: Die Staatschef­s der großen Atommächte Russland und USA treffen sich auf neutralem Boden. Doch dann auch wieder nicht. Denn die beiden Präsidente­n scheinen eine seltsame Verbundenh­eit, einen angesichts der Spannungen zwischen ihren Ländern ungewöhnli­chen Respekt voreinande­r zu haben. Ihr Händedruck vor dem Vier-Augen-Gespräch ist kräftig, doch kein Kräftemess­en. Entschloss­en scheinen sie der Welt zeigen zu wollen: Wir sind starke Männer – und wir verstehen uns. „Der Kalte Krieg ist vorbei“, betont Putin.

Trump scheint Putin jedes Mal großzügig das erste Wort zu lassen. Putin lächelt. Der Ex-KGB-Agent hat den US-Präsidente­n bei der Ankunft erstmal warten lassen. Danach wartete Putin im Präsidente­npalast auf Trump. Zeit ist ein Teil des Machtspiel­s bei solchen Gipfeln. Beim Hinsetzen spreizt Putin die Beine und bleibt selbstbewu­sst wortkarg. Trump dagegen kommt ins Reden. Wie angespannt er ist, sieht man, als er sich kurzzeitig mit beiden Händen am Jackett festkrallt. Die Fingerspit­zen tippen aufeinande­r, der Blick wandert durch den Raum.

Trump behandelt seinen russischen Kollegen betont auf Augenhöhe. Etwas, das er bei Angela Merkel und Theresa May zuletzt nicht tat. Die deutsche Kanzlerin und die britische Premiermin­isterin degradiert­e und demütigte er, nannte Deutschlan­d wegen russischer Gaslieferu­ngen einen „Gefangenen“Moskaus, fiel May in den Rücken, indem er ihren Brexit-Kurs kritisiert­e. Die anderen Nato-Partner trieb er beim Gipfel in Brüssel vor sich her.

Mit Putin geht er anders um – und steht dabei im Widerspruc­h zum Kurs seiner eigenen Regierung. Die verhängt Sanktionen, weist Diplomaten aus, liefert Waffen an die Ukraine, warnt und kritisiert Moskau, so wie es eigentlich Tradition ist unter Republikan­ern. Doch was Russland angeht, geht der US-Präsident – egal welche Warnsignal­e seine Regierung aufstellt – völlig unbeirrt seinen eigenen Weg.

In vielem scheinen Trump und Putin, die nach außen so unterschie­dlich sind, aus gleichem Holz. Beide haben einen starken Hang zur Autokratie und zu populistis­chen Reflexen. Große Redner dagegen sind sie nicht. Vor dem Treffen wünschte sich Trump: „Hoffentlic­h wird er eines Tages vielleicht ein Freund sein – könnte passieren.“Derzeit seien sie vor allem Konkurrent­en, doch keine Feinde. „Erzfreunde oder beste Feinde“, schreibt eine russische Zeitung.

Inhaltlich steht bei diesem Gipfel am Ende wenig. Die großen Probleme bleiben, eine konkrete Annäherung in zentralen Punkten ist nicht erkennbar: An der russischen Rolle im blutigen Bürgerkrie­g in Syrien wird sich genauso wenig ändern wie an der Unterstütz­ung der Separatist­en bei den Kämpfen in der Ostukraine. Washington­s Sanktionen bleiben in Kraft, das russische Konsulat in Seattle bleibt geschlosse­n, das amerikanis­che in Sankt Petersburg ebenso.

Aber Putin kann das Treffen trotzdem als Erfolg verkaufen. Schon die Tatsache, dass es überhaupt zu einer Pressekonf­erenz kam, die Flaggen beider Länder nebeneinan­der standen als ebenbürtig­e Partner, ist ein Punktsieg. Trump hingegen erntet selbst aus den Reihen der Republikan­er Kritik für seinen Auftritt. Der konservati­ve Senator Lindsey Graham spricht von einer „verpassten Chance“, Russland zur Rechenscha­ft zu ziehen. Republikan­er Jeff Flake erklärt, er habe es nie für möglich gehalten, dass eines Tages ein amerikanis­cher Präsident zusammen mit seinem russischen Amtskolleg­en auf einer Bühne stehe und die USA für russische Aggression­en verantwort­lich mache.

Den Schlusspun­kt setzt Trump dann vor der Welt so, wie er das auch stets auf Twitter tut. Er schleudert ein „Hexenjagd“in den Raum. Und geht lächelnd ab. Neben seinem neuen Freund.

In vielem scheinen Trump und Putin, die nach außen so unterschie­dlich sind, aus gleichem Holz

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FOTO: REUTERS Essen mit Freunden? US-Präsident Donald Trump und sein russischer Kollege Wladimir Putin näherten sich in Helsinki an.

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