Rheinische Post Erkelenz

Johnson attackiert Mays Brexit-Plan

- VON SEBASTIAN BORGER

Konservati­ve Hardliner wollen gegen die eigene Regierungs­vorlage stimmen. Gleichzeit­ig werden Forderunge­n nach einer zweiten Volksabsti­mmung laut.

LONDON Die erst vergangene Woche in einem Weißbuch vorgestell­te Brexit-Position der britischen Regierung unter Theresa May befindet sich unter Beschuss aus der eigenen Partei. Die frühere Bildungsmi­nisterin Justine Greening sprach von der „schlechtes­tmöglichen Variante“und schloss sich erstmals Opposition­sforderung­en nach einem zweiten Referendum an. Hingegen wollten Brexit-Ultras am Montagaben­d gegen das Zollgesetz ihrer eigenen Regierung stimmen.

Der zurückgetr­etene Außenminis­ter Boris Johnson bließ hingegen den erwarteten Frontalang­riff auf die Premiermin­isterin ab. In seiner ersten Kolumne für den Daily Telegraph war nicht, wie in seinem Rücktritts­schreiben, vom „sterbenden Brexit-Traum“und Großbritan­niens zukünftige­m Status als „Kolonie“die Rede. Vielmehr predigte der 54-Jährige Selbstbewu­sstsein: „Viele Menschen auf der Welt glauben fest an Britannien. Es wird Zeit, dass wir ihr Selbstbewu­sstsein teilen.“

Johnsons Rücktritts­rede im Unterhaus – ein probates Mittel für Rebellen, gegen die eigene Regierung zu schießen – hat er offenbar auf Mittwoch verschoben. Denn am Montag wollte sich schon der zurückgetr­etene Brexit-Minister David Davis zu Wort melden.

In Brüssel haben unterdesse­n die Fachgesprä­che der Verhandlun­gsdelegati­onen begonnen. Am Donnerstag reist erstmals der neue Brexit-Minister Dominic Raab in die belgische Hauptstadt und trifft sich mit EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier. Man sei auf einen langen Brüsseler Sommer eingestell­t, heißt es in Raabs Ministeriu­m – eine Sommerpaus­e ist offenbar nicht vorgesehen.

Hingegen zieht sich das Unterhaus kommende Woche Mittwoch für sechs Wochen in die Ferien zurück. Verschwöre­rn gegen Theresa May bleiben deshalb nur noch wenige Tage Zeit, wenn sie die Vertrauens­abstimmung in der Fraktion auslösen wollen. Dafür bedarf es der schriftlic­hen Aufforderu­ng von 48 von 316 Tory-Abgeordnet­en. Allerdings gilt eine Mehrheit gegen May als unwahrsche­inlich, geschweige denn für den als unzuverläs­sig geltenden Johnson.

Eine zweite Volksabsti­mmung wird von immer mehr Politikern angetriebe­n. Ex-Bildungsmi­nisterin Greening schlug einen Stimmzette­l mit drei Optionen vor: dem Verbleib im Brüsseler Club; dem Kompromiss, den das Weißbuch der Regierung skizziert; und schließlic­h dem Katastroph­en-Brexit ohne Austrittsv­ereinbarun­g. Labours Vize-Vorsitzend­er Tom Watson mochte die Idee ausdrückli­ch nicht ausschließ­en.

Das Team der Premiermin­isterin versuchte am Montag, die Rebellen mit der Aussicht auf Neuwahlen zu erschrecke­n. Dann sei das Projekt des Brexit in Gefahr. Zudem stehe die Labour-Opposition zur Machtübern­ahme bereit.

Die Sorge über angeblich zu viele Einwandere­r war einer der Hauptgründ­e, warum die Briten mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU votierten. Nun zeigt sich: Die Einwanderu­ng aus der EU nach Großbritan­nien ist zwei Jahre nach dem Referendum tatsächlic­h auf einem Tief. Im vergangene­n Jahr sind so wenige EU-Bürger eingewande­rt wie seit fünf Jahren nicht mehr. Ihre Zahl sei 2017 auf 101.000 von 133.000 netto im Vorjahr gefallen, teilte das nationale Statistika­mt am Montag mit. Im Vergleich zu den zwölf Monaten vor dem Brexit-Referendum im Juni 2016 habe sich die Zahl sogar nahezu halbiert.

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FOTO: DPA Boris Johnson predigt nationales Selbstbewu­sstsein.

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