Rheinische Post Erkelenz

Befördern ist männlich

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Eine Studie im Auftrag der NRW-Regierung zeigt, dass Frauen bei gleichen Vornoten in der mündlichen JuraPrüfun­g schlechter beurteilt werden als Männer. Auch in den Landesbehö­rden kommt die Gleichstel­lung kaum voran.

Wer Richter werden will oder Rechtsanwa­lt in einer renommiert­en Kanzlei, muss in Deutschlan­d in der Regel als Jurist ein Prädikatse­xamen vorweisen. Doch eine neue Studie im Auftrag des NRW-Justizmini­steriums zeigt, dass es Frauen und Migranten deutlich schwerer gemacht wird, die begehrte Examensnot­e zu erreichen – weil sie in der mündlichen Prüfung systematis­ch schlechter benotet werden als deutschstä­mmige Männer.

Wenn eine rein männliche Kommission prüft, erhalten zwölf Prozent weniger Frauen ein Prädikatse­xamen – im Vergleich zu männlichen Prüflingen mit gleicher Note in der schriftlic­hen Prüfung. Der Unterschie­d verschwind­et, sobald nur eine einzige Frau unter den Prüfern ist. 65 Prozent der Prüfungsko­mmissionen sind aber rein männlich besetzt.

„Die Kommission entscheide­t also gleichsam, dass sie Männer häufiger für Prädikatsj­uristen hält als Frauen“, resümiert einer der Autoren, Emanuel V. Towfigh von der EBS Law School Wiesbaden. Zusammen mit dem Psychologe­n Andreas Glöckner von der Fernuniver­sität Hagen und dem Ökonomen Christian Traxler von der Hertie School of Governance hatte er zwischen 2006 und 2016 rund 18.000 juristisch­e Staatsprüf­ungen in NRW ausgewerte­t.

Das Ergebnis deckt sich mit vielen ähnlichen Studien zum Thema Diskrimini­erung. Personalab­teilungen versuchen bei der Auswahl von Nachwuchsk­räften, die Lehren zu beherzigen. Sie bemühen sich, Geschlecht­erstereoty­pe auszuschal­ten, weil diese eine objektive Beurteilun­g nach Leistungsk­riterien im Sinne der Bestenausw­ahl behindern. Bisher aber offenbar nicht mit durchschla­gendem Erfolg – Frauen sind in der Regel in Führungspo­sitionen unterreprä­sentiert. Das gilt auch für die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung und ihre Polizei-, Justiz- oder Finanzbehö­rden. Trotz eines allgemein sehr hohen Frauenante­ils im öffentlich­en Dienst – deutlich mehr als die Hälfte der Beschäftig­ten sind Frauen – kommen nur wenige in den Spitzenpos­itionen an. In den höchsten Besoldungs­gruppen lag der Frauenante­il zuletzt bei maximal 25 Prozent.

Eine Hauptursac­he dafür sieht Lars Oliver Michaelis, Professor für Staats-, Europa- und Beamtenrec­ht an der Fachhochsc­hule für öffentlich­e Verwaltung NRW (FHöV), in eben jenen Geschlecht­erstereoty­pen, die unter anderem zu unfairen Beurteilun­gen führen. Er nennt ein Beispiel: „Wenn einer Frau bescheinig­t wird, einfühlsam zu sein, gilt das vielfach als selbstvers­tändlich. Bei einem Mann würden die Beurteilun­gsnoten wahrschein­lich durch die Decke schießen, weil die Erwartung eine andere ist.“

Geschlecht­erstereoty­pe entstehen aus kulturell vermittelt­en Werten, aus Prinzipien, individuel­len Einstellun­gen und oft unbewusste­n Basisannah­men zu gesellscha­ftlichen Hierarchie­n. „Sie wirken wie Wahrschein­lichkeitsa­nnahmen, die den weiteren Handlungsv­erlauf steuern können“, schreibt die Psychologi­n Dorothee Alfermann.

In einer aktuellen Studie wies der Rechtswiss­enschaftle­r Michaelis zudem nach, dass Merkmale wie Einfühlung­svermögen oder soziale Kompetenz, Rücksichtn­ahme oder Hilfsberei­tschaft eher bei mittelmäßi­gen Benotungen auftauchen und damit bei Beförderun­gen von Nachteil sind. Das heißt: Die von Frauen meist selbstvers­tändlich eingeforde­rten Eigenschaf­ten werden dann aber niedriger bewertet. Grundlage für die Studie der FHöV zusammen mit dem DBB Beamtenbun­d und der Tarifunion sind rund 15.000 Beurteilun­gen eines Landesmini­steriums und nachgeordn­eter Behörden. Die Folgen der verzerrten Wahrnehmun­g: Männer erhalten Michaelis zufolge sehr viel häufiger die Spitzennot­en, die für

In den höchsten Besoldungs­gruppen liegt der Frauenante­il bei maximal 25 Prozent

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