„Ich werde als Schlampe beschimpft“
Politessen werden in NRW immer häufiger aufs Übelste beleidigt und bedroht. In Dortmund sind Frauen sogar krankenhausreif geschlagen worden, nur weil sie Knöllchen verteilt haben.
MOERS Wer parkt falsch? Und wer hat kein Ticket gezogen? Manuela Gassmann (Name geändert) geht gegen Parksünder vor. Sie ist von Beruf Politesse. Für die Stadt Moers klemmt sie Knöllchen hinter die Scheibenwischer. Ihr Revier ist die Innenstadt, wo die meisten Falschparker zu finden sind. Es ist Freitagvormittag. Und es sind Sommerferien. An solchen Tagen, sagt die 53-Jährige, gebe es eigentlich wenig Parkverstöße. Doch schon nach wenigen Metern zückt sie zum ersten Mal ihr Smartphone, mit dem sie mobil die Daten erfassen und sofort an ihre Dienststelle im Rathaus schicken kann. Das Parkticket in einem schwarzen Geländewagen ist abgelaufen. Sie fotografiert Kennzeichen und Ticket, notiert Automarke und Farbe in ihrem Handy. Dann heftet sie den Strafzettel vor die Windschutzscheibe.
Sie ist froh, dass der Halter nicht da ist. Denn dann gibt es meist Ärger. „Was wir uns anhören müssen, ist echt heftig“, sagt sie. Beleidigungen tief unter der Gürtellinie seien es häufig. „Ich werde zum Beispiel als Schlampe beschimpft. Das gehört fast schon zur Tagesordnung.“Auch bedroht worden sei sie schon. „Da wird einem schon anders“, sagt sie. Und vor allem werde es immer heftiger.
In vielen Städten in der Region haben die ohnehin schon vielen Anfeindungen gegen Politessen in den vergangenen Monaten noch einmal deutlich zugenommen. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion ergeben. „Ein respektvoller Umgang mit den Kollegen wird leider immer seltener“, sagt Stefan Döppner, stellvertretender Leiter des Ordnungsamtes in Hilden. Bei den Bürgern bestehe zum Teil überhaupt kein Unrechtsbewusstsein, sagt auch Julia Trick von der Stadt Leverkusen. „Jeder hat für sich eine plausible Erklärung bereit, warum gerade in seinem Fall die Straßenverkehrsordnung nicht beachtet werden konnte“, sagt sie. Der Unmut über eine Verwarnung werde in „rüder Manier verbal kundgetan“, betont sie. In Dortmund werden Politessen neuerdings sogar körperlich angegriffen. „Während es in früheren Jahren fast ausschließlich verbale Entgleisungen gab, kommt es seit einiger Zeit neben verbalen Attacken auch zu körperlichen Übergriffen“, sagt Stadtsprecherin Heike Thelen. Demnach hat es in Dortmund im vergangenen Jahr zwölf Angriffe gegen Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung gegeben. „Zwei Angriffe führten dazu, dass die betroffenen Mitarbeiter ärztlich versorgt werden mussten und zum Teil für mehrere Wochen dienstunfähig erkrankten und somit ausfielen“, sagt Thelen. Auch in Düsseldorf hat man eine deutliche Verrohung festgestellt. Das dortige Amtsgericht hat gerade erst einen 37-Jährigen zu einer Strafzahlung von 1500 Euro verurteilt, weil er einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes massiv beleidigt und bedroht hat. Unqualifizierte Kommentare, Provokationen und Beschimpfungen hören die Verkehrsüberwachungskräfte auch in Köln immer häufiger. „Vieles wird überhört. Wenn aber Beleidigungen erfolgen, stellt die Stadt Köln Strafantrag“, betont ein Sprecher der Stadt Köln. „Häufig hört man auch den Satz, dass man wohl zu dumm für die Polizei wäre“, sagt er.
Manuela Gassmann geht erst seit dreieinhalb Jahren auf Jagd nach Parksündern. Vorher hat sie als Reinigungskraft bei der Stadt gearbeitet. Auf einen Aushang hin habe sie sich für die Stelle beworben. Trotz der Anfeindungen habe sie diesen Schritt bislang nicht bereut. „Es gibt auch lobende Worte von Bürgern“, sagt sie. Diese seien aber leider sehr selten. Ihr ist wichtig, mit einem Vorurteil aufzuräumen. „Es gibt keine Prämien für uns, wenn wir mehr Falschparker aufschreiben“, sagt sie. Das seien Märchen, die sie aber immer wieder vorgehalten bekäme.
Tätlich angegriffen worden ist die 53-Jährige noch nie. Auch Angst habe sie keine. Aber es gebe auch Einsätze, zu denen Politessen aus Sicherheitsgründen nie alleine gehen. „Wenn wir zum Beispiel zu einer Moschee müssen und dort Autos aufschreiben, die dort falsch parken, gehen wir immer zu zweit“, sagt sie. „Da stehen schnell viele Leute um einen herum und bedrängen einen. Das ist ein sehr unangenehmes Gefühl“, sagt sie.