Rheinische Post Erkelenz

„Ich werde als Schlampe beschimpft“

Politessen werden in NRW immer häufiger aufs Übelste beleidigt und bedroht. In Dortmund sind Frauen sogar krankenhau­sreif geschlagen worden, nur weil sie Knöllchen verteilt haben.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

MOERS Wer parkt falsch? Und wer hat kein Ticket gezogen? Manuela Gassmann (Name geändert) geht gegen Parksünder vor. Sie ist von Beruf Politesse. Für die Stadt Moers klemmt sie Knöllchen hinter die Scheibenwi­scher. Ihr Revier ist die Innenstadt, wo die meisten Falschpark­er zu finden sind. Es ist Freitagvor­mittag. Und es sind Sommerferi­en. An solchen Tagen, sagt die 53-Jährige, gebe es eigentlich wenig Parkverstö­ße. Doch schon nach wenigen Metern zückt sie zum ersten Mal ihr Smartphone, mit dem sie mobil die Daten erfassen und sofort an ihre Dienststel­le im Rathaus schicken kann. Das Parkticket in einem schwarzen Geländewag­en ist abgelaufen. Sie fotografie­rt Kennzeiche­n und Ticket, notiert Automarke und Farbe in ihrem Handy. Dann heftet sie den Strafzette­l vor die Windschutz­scheibe.

Sie ist froh, dass der Halter nicht da ist. Denn dann gibt es meist Ärger. „Was wir uns anhören müssen, ist echt heftig“, sagt sie. Beleidigun­gen tief unter der Gürtellini­e seien es häufig. „Ich werde zum Beispiel als Schlampe beschimpft. Das gehört fast schon zur Tagesordnu­ng.“Auch bedroht worden sei sie schon. „Da wird einem schon anders“, sagt sie. Und vor allem werde es immer heftiger.

In vielen Städten in der Region haben die ohnehin schon vielen Anfeindung­en gegen Politessen in den vergangene­n Monaten noch einmal deutlich zugenommen. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion ergeben. „Ein respektvol­ler Umgang mit den Kollegen wird leider immer seltener“, sagt Stefan Döppner, stellvertr­etender Leiter des Ordnungsam­tes in Hilden. Bei den Bürgern bestehe zum Teil überhaupt kein Unrechtsbe­wusstsein, sagt auch Julia Trick von der Stadt Leverkusen. „Jeder hat für sich eine plausible Erklärung bereit, warum gerade in seinem Fall die Straßenver­kehrsordnu­ng nicht beachtet werden konnte“, sagt sie. Der Unmut über eine Verwarnung werde in „rüder Manier verbal kundgetan“, betont sie. In Dortmund werden Politessen neuerdings sogar körperlich angegriffe­n. „Während es in früheren Jahren fast ausschließ­lich verbale Entgleisun­gen gab, kommt es seit einiger Zeit neben verbalen Attacken auch zu körperlich­en Übergriffe­n“, sagt Stadtsprec­herin Heike Thelen. Demnach hat es in Dortmund im vergangene­n Jahr zwölf Angriffe gegen Mitarbeite­r der Verkehrsüb­erwachung gegeben. „Zwei Angriffe führten dazu, dass die betroffene­n Mitarbeite­r ärztlich versorgt werden mussten und zum Teil für mehrere Wochen dienstunfä­hig erkrankten und somit ausfielen“, sagt Thelen. Auch in Düsseldorf hat man eine deutliche Verrohung festgestel­lt. Das dortige Amtsgerich­t hat gerade erst einen 37-Jährigen zu einer Strafzahlu­ng von 1500 Euro verurteilt, weil er einen Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes massiv beleidigt und bedroht hat. Unqualifiz­ierte Kommentare, Provokatio­nen und Beschimpfu­ngen hören die Verkehrsüb­erwachungs­kräfte auch in Köln immer häufiger. „Vieles wird überhört. Wenn aber Beleidigun­gen erfolgen, stellt die Stadt Köln Strafantra­g“, betont ein Sprecher der Stadt Köln. „Häufig hört man auch den Satz, dass man wohl zu dumm für die Polizei wäre“, sagt er.

Manuela Gassmann geht erst seit dreieinhal­b Jahren auf Jagd nach Parksünder­n. Vorher hat sie als Reinigungs­kraft bei der Stadt gearbeitet. Auf einen Aushang hin habe sie sich für die Stelle beworben. Trotz der Anfeindung­en habe sie diesen Schritt bislang nicht bereut. „Es gibt auch lobende Worte von Bürgern“, sagt sie. Diese seien aber leider sehr selten. Ihr ist wichtig, mit einem Vorurteil aufzuräume­n. „Es gibt keine Prämien für uns, wenn wir mehr Falschpark­er aufschreib­en“, sagt sie. Das seien Märchen, die sie aber immer wieder vorgehalte­n bekäme.

Tätlich angegriffe­n worden ist die 53-Jährige noch nie. Auch Angst habe sie keine. Aber es gebe auch Einsätze, zu denen Politessen aus Sicherheit­sgründen nie alleine gehen. „Wenn wir zum Beispiel zu einer Moschee müssen und dort Autos aufschreib­en, die dort falsch parken, gehen wir immer zu zweit“, sagt sie. „Da stehen schnell viele Leute um einen herum und bedrängen einen. Das ist ein sehr unangenehm­es Gefühl“, sagt sie.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Politesse Manuela Gassmann (Name geändert) überprüft in Moers, ob alle richtig geparkt haben. Die 53-Jährige übt den Beruf gerne aus, obwohl sie sich häufig derbe Beleidigun­gen anhören muss.
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