Schuldzuweisungen im Fall Sami A.
Das NRW-Flüchtlingsministerium kontert Vorwürfe der Bundespolizei.
DÜSSELDORF Im Fall des Tunesiers Sami A. hat die Bundespolizei die Landesregierung beschuldigt, nicht genug unternommen zu haben, um die Abschiebung in letzter Minute noch zu stoppen. „Bis zur Übergabe an die tunesischen Behörden wäre dies möglich gewesen“, zitierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung die Bundespolizei.
Sami A. war in Begleitung mehrerer Bundespolizisten mit einer Chartermaschine von Düsseldorf nach Tunesien gebracht worden. Der Zeitung zufolge hätte aber der Pilot per Funk aufgefordert werden können, aufzutanken und mit Sami A. nach Deutschland zurückzufliegen. Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) hatte dies am Freitag vor dem Rechts- und Integrationsausschuss des Landtages zurückgewiesen: „Ich bin davon ausgegangen, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, das aufzuhalten.“Bisher ist nicht abschließend geklärt, welche Behörde die Hauptverantwortung dafür trägt, dass der Gefährder abgeschoben wurde, obwohl ein Gerichtsbeschluss dies untersagte. Das Schreiben traf erst am 13. Juli morgens ein, als Sami A. bereits im Flugzeug nach Tunesien saß.
Die Bundespolizei untersteht Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Sollten den Beamten gravierende Fehler unterlaufen sein, geriete auch der Minister unter Rechtfertigungsdruck. Offen ist etwa auch die Frage, ob Sami A. vor dem Abflug mit seiner Anwältin telefonieren wollte und ob dies die Bundespolizisten womöglich verhinderten. Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) bekräftigte am Sonntag: „Etwa 15 Minuten vor der Landung erhielt das MKFFI per Email durch die Ausländerbehörde der Stadt Bochum eine erste Nachricht über den Tenor des Beschlusses des Verwaltungsgerichts, jedoch nicht die vollständige Entscheidung.“Diese habe im Ministerium erst nach der Übergabe von Sami A. an die Tunesier vorgelegen. Darüber, ob das kurze Zeitfenster zwischen erstem Hinweis, ohne Übermittlung des vollständigen Beschlusses, und Landung realistischer Weise hätte ausreichen können, um die Abschiebung sicher abzubrechen, werde das Oberverwaltungsgericht (OVG) entscheiden. Das Ministerium führte weiter aus: „Wir waren und sind der Rechtsauffassung, dass mit Erreichen des tunesischen Luftraums eine Rückholung des tunesischen Staatsbürgers Sami A. nicht mehr möglich war.“