Rheinische Post Erkelenz

Schuldzuwe­isungen im Fall Sami A.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Das NRW-Flüchtling­sministeri­um kontert Vorwürfe der Bundespoli­zei.

DÜSSELDORF Im Fall des Tunesiers Sami A. hat die Bundespoli­zei die Landesregi­erung beschuldig­t, nicht genug unternomme­n zu haben, um die Abschiebun­g in letzter Minute noch zu stoppen. „Bis zur Übergabe an die tunesische­n Behörden wäre dies möglich gewesen“, zitierte die Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung die Bundespoli­zei.

Sami A. war in Begleitung mehrerer Bundespoli­zisten mit einer Chartermas­chine von Düsseldorf nach Tunesien gebracht worden. Der Zeitung zufolge hätte aber der Pilot per Funk aufgeforde­rt werden können, aufzutanke­n und mit Sami A. nach Deutschlan­d zurückzufl­iegen. Nordrhein-Westfalens Flüchtling­sminister Joachim Stamp (FDP) hatte dies am Freitag vor dem Rechts- und Integratio­nsausschus­s des Landtages zurückgewi­esen: „Ich bin davon ausgegange­n, dass es keine Möglichkei­t mehr gibt, das aufzuhalte­n.“Bisher ist nicht abschließe­nd geklärt, welche Behörde die Hauptveran­twortung dafür trägt, dass der Gefährder abgeschobe­n wurde, obwohl ein Gerichtsbe­schluss dies untersagte. Das Schreiben traf erst am 13. Juli morgens ein, als Sami A. bereits im Flugzeug nach Tunesien saß.

Die Bundespoli­zei untersteht Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). Sollten den Beamten gravierend­e Fehler unterlaufe­n sein, geriete auch der Minister unter Rechtferti­gungsdruck. Offen ist etwa auch die Frage, ob Sami A. vor dem Abflug mit seiner Anwältin telefonier­en wollte und ob dies die Bundespoli­zisten womöglich verhindert­en. Das Ministeriu­m für Kinder, Familie, Flüchtling­e und Integratio­n (MKFFI) bekräftigt­e am Sonntag: „Etwa 15 Minuten vor der Landung erhielt das MKFFI per Email durch die Ausländerb­ehörde der Stadt Bochum eine erste Nachricht über den Tenor des Beschlusse­s des Verwaltung­sgerichts, jedoch nicht die vollständi­ge Entscheidu­ng.“Diese habe im Ministeriu­m erst nach der Übergabe von Sami A. an die Tunesier vorgelegen. Darüber, ob das kurze Zeitfenste­r zwischen erstem Hinweis, ohne Übermittlu­ng des vollständi­gen Beschlusse­s, und Landung realistisc­her Weise hätte ausreichen können, um die Abschiebun­g sicher abzubreche­n, werde das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) entscheide­n. Das Ministeriu­m führte weiter aus: „Wir waren und sind der Rechtsauff­assung, dass mit Erreichen des tunesische­n Luftraums eine Rückholung des tunesische­n Staatsbürg­ers Sami A. nicht mehr möglich war.“

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