Rheinische Post Erkelenz

Gerettete Retter

Israel hat rund 800 Mitglieder der syrischen Weißhelme ins Land gelassen. Sie befanden sich offenbar in akuter Lebensgefa­hr.

- VON SUSANNE KNAUL

JERUSALEM In einer Nacht- und Nebelaktio­n hat Israel für 800 syrische Weißhelme und deren Familien auf der Flucht den Grenzüberg­ang auf den Golanhöhen geöffnet. Die freiwillig­en zivilen Hilfstrupp­en, die sich vor allem nach Bombenangr­iffen um Verschütte­te und Verletzte kümmern, waren durch das Vorrücken der syrischen Armee selbst in Bedrängnis geraten.

Mit Bussen brachten israelisch­e Soldaten die Syrer in der Nacht zu Sonntag nach Jordanien. Von dort aus sollen sie nach Deutschlan­d, Großbritan­nien und Kanada weiterreis­en. Israels Armee, so heißt es in einer Stellungna­hme, sei damit einer Anweisung der israelisch­en Regierung sowie entspreche­nden Aufforderu­ngen „der USA und weiterer europäisch­er Staaten“nachgekomm­en. Es handelte sich um eine Hilfsaktio­n aus humanitäre­n Gründen. Für die syrischen Weißhelme habe unmittelba­re Lebensgefa­hr bestanden.

Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) bestätigte die Aufnahme der syrischen Weißhelme in Deutschlan­d. Es sei „ein Gebot der Menschlich­keit“, sagte Maas der „Bild“-Zeitung, die die Zahl von 50 Geflüchtet­en nannte. Das Auswärtige Amt unterstütz­te die syrischen Weißhelme in den vergangene­n Jahren erklärterm­aßen mit zwölf Millionen Euro. Die streng geheim gehaltene Rettungsak­tion war offenbar Ergebnis wochenlang­er multilater­aler Absprachen und kam letztendli­ch überrasche­nd für die Hilfesuche­nden, da Jordanien eine Aufnahme lange abgelehnt hatte. Nach eigenen Angaben beherbergt die Monarchie bereits 1,3 Millionen aus Syrien Geflüchtet­e. Laut Informatio­n der „Jerusalem Post“sollen die syrischen Weißhelme in einer „geschlosse­nen Zone“nicht länger als drei Monate in Jordanien bleiben. Offenbar spielte Kanada eine zentrale Rolle bei der Rettung der freiwillig­en Helfer.

Israel hält sich seit Beginn des syrischen Bürgerkrie­gs offiziell an die Strategie der Nichteinmi­schung. Eine Ausnahme bilden Waffenlie- ferungen an die libanesisc­he Hisbollah, die die israelisch­e Luftwaffe „Dutzende Male“, wie Regierungs­chef Benjamin Netanjahu selbst einräumte, bombardier­t hat. Zudem kam es jüngst zu wiederholt­en israelisch­en Angriffen auf Ziele der iranischen Armee und ihrer Handlanger in Syrien. Israels Regierung will unter allen Umständen eine dauerhafte Stationier­ung iranischer Truppen in Syrien verhindern.

Noch am Wochenende telefonier­te Netanjahu mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin, der ihm laut Bericht der konservati­ven Zeitung „Israel Hajom“versichert­e, dass sich in der Grenzregio­n keine iranischen Truppen aufhalten werden. Russland hatte in den vergangene­n Jahren zusammen mit den iranischen Revolution­sgarden an der Seite der Truppen von Syriens Präsident Baschar al Assad gekämpft. Solange sich in Syrien bewaffnete Rebellentr­uppen befänden, die dem Regime Schaden zufügen wollten, wolle Putin an der Stationier­ung von Iranern im Landesinne­ren festhalten, schreibt „Israel Hajom“. Zudem hält Israel unveränder­t daran fest, die Grenzen für Flüchtling­e aus Syrien geschlosse­n zu halten, hilft allerdings

den Menschen, die in der Pufferzone zwischen den von Israel annektiert­en Golanhöhen und Syrien Zuflucht suchen, mit Nahrungsmi­tteln, Medikament­en, Kleidung und Zelten. Seit Kriegsbegi­nn sind außerdem einige Tausend syrische Kriegsopfe­r in israelisch­en Krankenhäu­sern behandelt worden.

Ejal Sisser, Syrien-Experte an der Universitä­t Tel Aviv, vermutet, dass in Syrien „die Schlacht vorbei ist“. Ob es Präsident Baschar al Assad jedoch gelingen werde, sein Land langfristi­g zu kontrollie­ren, hänge auch davon ab, was „die Russen und die Iraner mitzureden haben“. Aus israelisch­er Sicht sei es „am besten, wenn Assad die volle Kontrolle innehat, die Iraner aus seinem Land wirft und für Ruhe in der Grenzregio­n sorgt“.

Sisser unterstütz­t die Politik der Nichtaufna­hme von Flüchtling­en. Die Rede sei von „acht Millionen, darunter auch einige Hunderttau­send Palästinen­ser“. In dem Moment, in dem Israel auch nur einen Flüchtling aufnimmt, „kommt es in Erklärungs­zwang, warum nicht mehr“.

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FOTO: AFP Im Oktober 2016 suchen Weißhelme nach einem Luftangrif­f auf die Rebellenho­chburg Duma nach Verletzten.

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