Aachener Achterbahnfahrt
Der CHIO wird für Isabell Werth zu einer Erfahrung mit erwarteten Erfolgen und einem ungewohnten Zwischentief.
AACHEN Wer nur auf die nackten Zahlen guckt, wird sich wundern, wie dieser CHIO für Isabell Werth eine Achterbahnfahrt gewesen sein kann: Fünfmal ging die Rheinbergerin in Aachen bei einer Prüfung an den Start, viermal gewann sie. Sie triumphierte im Nationenpreis mit der Mannschaft und gewann in herausragender Manier den Großen Preis am Sonntag. Aber es war eben das eine Mal, bei dem sie nicht ganz oben stand, es war dieser vermaledeite Donnerstag, der Werth zusetzte und dem Publikum Fragezeichen auf die Stirn schrieb. Isabell Werth
Denn so kannte man Isabell Werth lange nicht mehr. Nur Rang 17 im Grand Prix nach einem verkorksten Ritt auf Emilio. Die erfolgreichste Reiterin der Welt lieferte das Streichergebnis für die Mannschaft, die so um den sicher geglaubten Sieg bangen musste. Das war eine Erschütterung in der Dressur-Welt. Auch für Werth selbst. „Ich habe mir viele Gedanken gemacht, und ich muss sagen: Ich habe es verbockt. Ich habe Emilio bei den letzten Turnieren mit einer normal großen Kandare geritten, das war eigentlich auch immer seine Kandare. Aber selbst wenn er nicht so aussieht, ist er sehr sensibel, und das habe ich zu spät wahrgenommen. Ich hatte die Kandarenkette etwas zu stramm. Und dann war er einfach beleidigt. Das kann ich ihm nicht einmal verübeln“, sagte Werth.
Noch mehr indes als die eigene Leistung ärgerten die sechsmalige Olympiasiegerin die Reaktionen. „Da kamen schon zwei, drei Leute, die Emilio eine Charakterschwäche attestieren wollten. Da werde ich dann leicht wild, denn das Pferd hat nun wirklich in seinem Leben noch keinen schlechten Wettkampf gemacht“, polterte sie.
Doch Isabell Werth wäre nicht Isabell Werth, wenn sie nicht zurückkommen würde. „Ich bin lange genug im Sport, dass mich so eine Situation anspornt und ich nicht an ihr zerbreche“, sagte sie. Also schaltete sie wieder um auf Bestform. Zuerst am Samstag, ihrem 49. Geburtstag. Da gewann sie zum einen den Grand Prix Spécial und als „Nebeneffekt“doch noch den Nationenpreis mit dem Team. „Heute habe ich ihn dann mit der Baby-Kandare geritten, und alles war wieder positiv“, sagte sie mit Blick auf ihr gescholtenes Pferd. „Das war wieder der alte Emilio.“Und zum Abschluss am Sonntag legte Werth eine Kür hin, die das Publikum von den Sitzen riss, und nach der selbst eine Reiterin, die 597 Grand-Prix-Prüfungen auf nationaler und internationaler Ebene gewonnen hat, zugab: „Da geht einem das Herz auf.“
Das mit dem Herz gilt sicherlich auch für Bundestrainerin Monica Theodorescu ob der Qualität ihres Teams. Doch mit Blick auf die Weltreiterspiele im September in Tryon/ USA muss sie entscheiden, welche vier der fünf guten Reiter antreten dürfen. Werth, Helen Langehanenberg, Dorothee Schneider und Jessica von Bredow-Werndl überzeugten in Aachen, aber da ist eben auch der amtierende Deutsche Meister Sönke Rothenberger. Bei ihm, der im Juni in Balve Werth schlagen konnte, steht abzuwarten, ob sein TopPferd Cosmo, das Aachen wegen einer Verletzung verpasste, rechtzeitig fit wird.
Werth wird in den USA dabei sein, der Verband muss nur noch entscheiden, mit welchem Pferd. Denn es gibt ja drei auf Top-Niveau: Emilio, Weihegold und Bella Rose. Werth sagte: „Ich werde mich mit allen drei konzentriert vorbereiten. Es ist eine glückliche Situation, aber wir müssen am Ende des Tages die richtige Entscheidung für Tryon treffen. Es ist ja in jedem Fall nicht schädlich, wenn man einen Plan B hat.“Ende August entscheidet der Verband. Es wird ein Luxusproblem.
„Ich bin lange genug im Sport, dass ich an so einer Situation nicht zerbreche“ Dressurreiterin