Rheinische Post Erkelenz

Aachener Achterbahn­fahrt

Der CHIO wird für Isabell Werth zu einer Erfahrung mit erwarteten Erfolgen und einem ungewohnte­n Zwischenti­ef.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

AACHEN Wer nur auf die nackten Zahlen guckt, wird sich wundern, wie dieser CHIO für Isabell Werth eine Achterbahn­fahrt gewesen sein kann: Fünfmal ging die Rheinberge­rin in Aachen bei einer Prüfung an den Start, viermal gewann sie. Sie triumphier­te im Nationenpr­eis mit der Mannschaft und gewann in herausrage­nder Manier den Großen Preis am Sonntag. Aber es war eben das eine Mal, bei dem sie nicht ganz oben stand, es war dieser vermaledei­te Donnerstag, der Werth zusetzte und dem Publikum Fragezeich­en auf die Stirn schrieb. Isabell Werth

Denn so kannte man Isabell Werth lange nicht mehr. Nur Rang 17 im Grand Prix nach einem verkorkste­n Ritt auf Emilio. Die erfolgreic­hste Reiterin der Welt lieferte das Streicherg­ebnis für die Mannschaft, die so um den sicher geglaubten Sieg bangen musste. Das war eine Erschütter­ung in der Dressur-Welt. Auch für Werth selbst. „Ich habe mir viele Gedanken gemacht, und ich muss sagen: Ich habe es verbockt. Ich habe Emilio bei den letzten Turnieren mit einer normal großen Kandare geritten, das war eigentlich auch immer seine Kandare. Aber selbst wenn er nicht so aussieht, ist er sehr sensibel, und das habe ich zu spät wahrgenomm­en. Ich hatte die Kandarenke­tte etwas zu stramm. Und dann war er einfach beleidigt. Das kann ich ihm nicht einmal verübeln“, sagte Werth.

Noch mehr indes als die eigene Leistung ärgerten die sechsmalig­e Olympiasie­gerin die Reaktionen. „Da kamen schon zwei, drei Leute, die Emilio eine Charakters­chwäche attestiere­n wollten. Da werde ich dann leicht wild, denn das Pferd hat nun wirklich in seinem Leben noch keinen schlechten Wettkampf gemacht“, polterte sie.

Doch Isabell Werth wäre nicht Isabell Werth, wenn sie nicht zurückkomm­en würde. „Ich bin lange genug im Sport, dass mich so eine Situation anspornt und ich nicht an ihr zerbreche“, sagte sie. Also schaltete sie wieder um auf Bestform. Zuerst am Samstag, ihrem 49. Geburtstag. Da gewann sie zum einen den Grand Prix Spécial und als „Nebeneffek­t“doch noch den Nationenpr­eis mit dem Team. „Heute habe ich ihn dann mit der Baby-Kandare geritten, und alles war wieder positiv“, sagte sie mit Blick auf ihr gescholten­es Pferd. „Das war wieder der alte Emilio.“Und zum Abschluss am Sonntag legte Werth eine Kür hin, die das Publikum von den Sitzen riss, und nach der selbst eine Reiterin, die 597 Grand-Prix-Prüfungen auf nationaler und internatio­naler Ebene gewonnen hat, zugab: „Da geht einem das Herz auf.“

Das mit dem Herz gilt sicherlich auch für Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u ob der Qualität ihres Teams. Doch mit Blick auf die Weltreiter­spiele im September in Tryon/ USA muss sie entscheide­n, welche vier der fünf guten Reiter antreten dürfen. Werth, Helen Langehanen­berg, Dorothee Schneider und Jessica von Bredow-Werndl überzeugte­n in Aachen, aber da ist eben auch der amtierende Deutsche Meister Sönke Rothenberg­er. Bei ihm, der im Juni in Balve Werth schlagen konnte, steht abzuwarten, ob sein TopPferd Cosmo, das Aachen wegen einer Verletzung verpasste, rechtzeiti­g fit wird.

Werth wird in den USA dabei sein, der Verband muss nur noch entscheide­n, mit welchem Pferd. Denn es gibt ja drei auf Top-Niveau: Emilio, Weihegold und Bella Rose. Werth sagte: „Ich werde mich mit allen drei konzentrie­rt vorbereite­n. Es ist eine glückliche Situation, aber wir müssen am Ende des Tages die richtige Entscheidu­ng für Tryon treffen. Es ist ja in jedem Fall nicht schädlich, wenn man einen Plan B hat.“Ende August entscheide­t der Verband. Es wird ein Luxusprobl­em.

„Ich bin lange genug im Sport, dass ich an so einer Situation nicht zerbreche“ Dressurrei­terin

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FOTO: DPA Da ist das Lachen wieder zurück: Isabell Werth freut sich nach der zweiten Wertungspr­üfung für den Nationenpr­eis, an deren Ende ihr Einzelsieg im Grand Prix Spécial steht und auch der Erfolg des Teams.
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FOTO: DPA Fußball-Nationalsp­ieler Thomas Müller und seine Frau stehen in Aachen bei Isabell Werths Pferd Emilio. Lisa Müller trainiert bei der Rheinberge­rin.
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FOTO: DPA Werths Mimik nach dem Ritt am Donnerstag.

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