Vettels Arbeitstag endet im Kiesbett
Der Ferrari-Pilot erlebt beim vorerst letzten Deutschland-Rennen eine riesige Enttäuschung. Ein Ausrutscher bedeutet für den in Führung liegenden Deutschen das Aus. Lewis Hamilton profitiert und gewinnt auf dem Hockenheimring.
HOCKENHEIM (dpa) Sebastian Vettel hämmerte mit beiden Fäusten wie wild auf sein Lenkrad und musste anschließend im Unwetter über dem Hockenheimring die ausgelassene Freude seines WM-Widersachers Lewis Hamilton ertragen. Der viermalige Formel-1-Weltmeister verspielte am Sonntag mit einem Abflug im Regen seinen ersten Sieg auf dem Hockenheimring. Zudem verlor Vettel die WM-Führung an Nutznießer Hamilton, der mit einer weiteren famosen Aufholjagd seine Ambitionen auf den fünften WM-Titel unterstrich.
„Wunder geschehen“, funkte die Silberpfeil-Box Hamilton ins Auto. „Es ist natürlich sehr, sehr schwer von dieser Position und höchst unwahrscheinlich, ich habe aber daran geglaubt“, sagte der von Rang 14 gestartete Brite. In Führung liegend war Vettel mit seinem Ferrari 15 Runden vor Schluss vor den entsetzten Augen seiner Fans von der nassen Strecke abgekommen und in die Streckenbegrenzung gekracht.
„Ich habe ein kleines bisschen zu spät gebremst, die Hinterräder haben blockiert. Ich ärgere mich sehr über mich selbst, das war ein kleiner Fehler mit einer großen Auswirkung“, sagte der deprimierte Vettel. „Es ärgert mich extrem, dass es hier war, weil wir auch das Rennen in der Tasche gehabt hätten.“
Denn Vettel startete aus einer idealen Ausgangsposition ins 77. Rennen der Motorsport-Königsklasse in Deutschland. Dank seiner fünften Pole in diesem Jahr – Nummer 55 in seiner Karriere insgesamt – ging der viermalige Weltmeister als Führender in den Grand Prix. Vettel kam bestens weg und ließ auch Hamiltons Mercedes-Teamkollegen Bottas auf Position zwei weiter hinter sich.
Nach und nach baute Vettel seinen Vorsprung auf den Finnen aus. Den deutschen Fans nicht zuletzt im Motodrom, einem Streckenabschnitt mit Kribbel-Faktor, gefiel das. Vettel natürlich auch, schließlich liegt seine Geburtsstadt Heppenheim nur knapp 50 Kilometer entfernt. Der Vertrag für den Hockenheimring läuft nach diesem Grand Prix allerdings aus. 2019 gibt es dort kein Rennen; ob es 2020 wieder weitergeht, ist fraglich.
Nach vorne ging es indes für Hamilton. „Wie immer werde ich so fahren, als ob mein Leben davon abhinge“, hatte er vor dem Start gesagt. Wie schon vor zwei Wochen bei seinem Heimrennen in Silverstone war eine Aufholjagd gefragt. Diesmal hatte den Titelverteidiger schon in der Qualifikation ein Hydraulik-Problem ausgebremst. Von Rang 14 musste Hamilton ins elfte Saisonrennen gehen. „Der Plan ist, Sebastian zu schnappen“, kündigte der 33-Jährige vor dem Rennen an und sollte am Ende Recht behalten.
Bis dahin fuhr Vettel an der Spitze aber lange einen souveränen Grand Prix. In Runde 26 ließ er sich an seinem Ferrari eine frische Reifenmischung aufziehen. Vettel kam hinter Teamkollege Räikkönen auf die Strecke, blieb aber vor dem zu diesem Zeitpunkt Fünften Hamilton. „Das ist bescheuert, ich verliere Zeit“, klagte Vettel über Funk, dass er Räikkönen hinterherfahren musste und seine Reifen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Eine Sekunde könne er schneller fahren als der Finne, versicherte der Deutsche. „Kimi, du bist auf einer anderen Strategie unterwegs, und wir hätten gerne, dass du Seb nicht aufhältst“, beschied die Ferrari-Box. In Runde 39 war Vettel dann vorbei und lag wieder auf Rang eins. Kurz darauf bekam Hamiltons Wagen frische Reifen.
Für Spannung in der Schlussphase sorgte der einsetzende Regen, der bei mehreren Fahrern für Grip-Probleme auf der nassen Strecke sorgte. An Vettels Ferrari flog dann auch noch ein Teil des Frontflügels ab. Es wurde richtig hektisch. Zu allem Übel für die deutschen Formel-1Fans rutschte Vettel schließlich in der Schlussphase in die Leitplanke. Nach einer Safety-Car-Phase hielt Hamilton die Gegner in Schach und fuhr den unverhofften Sieg ein.