Harting will zur eigenen Abschiedsparty
Nach einem Diskuskrimi in Nürnberg darf Robert Harting nur vorsichtig für seine große EM-Abschiedsshow in Berlin planen. Der London-Olympiasieger belegt bei den deutschen Meisterschaften Platz drei. Nominiert ist er noch nicht.
NÜRNBERG (sid) Es ist angerichtet für die große Robert-Harting-Abschiedsshow – zumindest so gut wie: Bei der Heim-EM in Berlin, in „seinem“Stadion, in seinem „Wohnzimmer“, wird der London-Olympiasieger aller Voraussicht nach noch einmal einen emotionalen Auftritt auf der großen internationalen Bühne bekommen. Doch das Qualifikationsdrama am Samstag bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg hatte selbst bei dem 33 Jahre alten Diskuswerfer, der für seine vorlaute Art und große Show bekannt ist, auch nach einer Nacht noch Spuren hinterlassen. „Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es ein unangenehmes Gefühl ist. Ich schäme mich fast ein bisschen. Es war nie mein Anspruch, Situationen hervorzurufen, dass etwas unklar ist“, sagte Harting: „Diese Situation ärgert mich ein bisschen, motiviert mich aber auch. Ich kann mehr, als ich zeigen konnte.“
Sowohl der in Nürnberg zweitplatzierte Daniel Jasinski (Wattenscheid) als auch der Dritte Robert Harting werden zur EM-Nominierung vorgeschlagen. Die finale Entscheidung fällt am Montag im Bundesausschuss Leistungssport des DLV, eine Ablehnung Robert Hartings scheint undenkbar. Er selbst sei „zu 75 Prozent“von seiner Nominierung überzeugt.
Sollte in Berlin die Dramaturgie nur halb so spektakulär werden wie in Nürnberg, bekäme er bei seiner letzten internationalen Meisterschaft einen denkwürdigen Abschied. Ganze 20 Zentimeter trennten Harting (63,92 Meter) als Dritten von Martin Wierig (Magdeburg/63,72) auf Platz vier. Der bereits nominierte Rio-Champion Christoph Harting konnte das Ringen entspannt verfolgen, gewann mit 66,98 Metern. Der Kreis schließt sich für Bruder Robert wohl dort, wo alles begann: Im Olympiastadion, bei der Heim-WM 2009.
Das Flutlicht scheint, die Stimmung ist auf dem Siedepunkt, als Harting auf Platz zwei liegend zu seinem letzten Versuch den Ring betritt. Drehung, Wurf, Jubel. 69,43 Meter. Gold. Und Harting zerreißt sich auf der blauen Tartanbahn im Stadion sein Trikot.
Es folgen zwei weitere WM-Titel, zwei EM-Titel und der Olympiasieg in London 2012. Harting wird dreimal in Folge Deutschlands Sportler des Jahres, ehe er sich im September 2014 einen Kreuzbandriss zuzieht. Seine Leidensgeschichte beginnt. Mehrere Operationen folgen, zu allem Überfluss reißt ihm gleich zu Beginn seiner Abschiedssaison eine Sehne im rechten Knie. „Das war das anstrengendste Jahr in meinem Leben“, sagte Harting, der bei der EM 66,50 Meter anpeilt.
Einst erklärte Harting, den Diskusring in Berlin, wenn es sein muss, auch „mit Mistgabel und Boxershorts“zu verteidigen. Hat er die Utensilien schon wieder herausgeholt? „Ich habe inzwischen eine kurze Herrenbadehose, ich weiß nicht, ob die abschreckender ist“, sagte er mit einem Lachen, wurde aber dann schnell ernst: „Ich kann den Ring nicht mehr mit dem gleichen Anspruch verteidigen. Ich werde aber schon den einen oder anderen Ritter darstellen, der wehrhaft ist und kurz nochmal Ansprüche stellt.“Denn die Konkurrenz in Berlin wird stark sein. Vier Europäer haben in dieser Saison schon über 67,50 m geworfen. Auch sein Bruder Christoph.
„Das ist eine Sportkarriere, die alles her gibt. Der Mensch hat alles erreicht, was man im Sport erreichen kann“, sagte der Olympiasieger 2016 im ZDF-Sportstudio über Robert: „Das wäre es ein schöner, runder Abschluss der Geschichte, wenn die Geschichte da aufhört, wo sie angefangen hat.“