Rheinische Post Erkelenz

Urlaub in Parookavil­le

80.000 Besucher feierten Tag und Nacht beim Festival in Weeze. Jede Gelegenhei­t zur Abkühlung wurde angesichts der Hitze genutzt.

- VON CHARLOTTE GEISSLER

WEEZE Parookavil­le beginnt schon auf dem Weg zum Festival. Parookavil­le ist im Zelt auf dem Campingpla­tz. Im Bahnhof in Düsseldorf. In den Zügen nach Weeze, auf den Straßen, im Flughafen. Alles ist vom Festival vereinnahm­t. Parookavil­le macht sich bemerkbar in den Wegschilde­rn, im Verkehrsch­aos, in den „Bürgern“, also den Besuchern, die dorthin unterwegs sind.

Die Bürger tragen Zylinder und Blumenkrän­ze, haben Glitzer im Gesicht und auf den Armen, verzieren ihre Augenbraue­n mit Schmuckste­inen, haben geflochten­e Zöpfe. Die Bürger sind nur in Badesachen und barfuß unterwegs, tragen Sonnenbril­len, Tattoos auf der Brust, Wasserpist­olen in der Hand. Es herrscht Urlaubssti­mmung in Parookavil­le.

Aber nicht nur das. Auf dem Festival vermischen sich Party und Entspannen, Urlaub und Abfeiern. Das liegt am einzigarti­gen Aufbau von Parookavil­le. Denn es ist mehr als nur eine Party, mehr als ein Festival, mehr als eine Stadt. Hier treffen die Attraktion­en eines Freizeitpa­rks auf eine futuristis­che Westernsta­dt, und die Musik spielt immer und überall.

Zehn Bühnen gibt es in Parookavil­le. Eigentlich ist es unmöglich, alles zu hören, was es zu hören gibt. Gerade auch, weil das Angebot von hochkaräti­gen DJs nur so strotzt. Insbesonde­re auf der Hauptbühne folgt ein großer Akt, ein berühmter Name dem anderen. Zehntausen­de Besucher versammeln sich davor – je später, desto mehr – und huldigen den großen DJs. Und doch ist die restliche Stadt immer voll.

Es gibt ja auch so viel zu tun. Die Musik, die DJs – für manchen in Parookavil­le sind sie vielleicht nur Nebensache. Denn da ist die Stadt selbst: das Rathaus, in dem man sich offiziell als Parookavil­le-Bürger registrier­en lassen kann, mitsamt Pass und Visum für das jeweilige Jahr. Die Post, von der aus man Postkarten verschicke­n kann. Die Polizeiwac­he und das Gefängnis, in dem „Häftlinge“gegen einen Aufpreis Tattoos und Piercings stechen. Die Bank, bei der man sein Geld in die Währung Parookavil­les – Tokens, kleine grau-goldene Plastikchi­ps – umtauschen kann. Der „Bill Parooka Square“, der zentrale Platz mit überlebens­großer Metallstat­ue des erfundenen Stadtgründ­ers Bill Parooka, Architekt und Zeitreisen­der. Der Stadtpark mit Hängematte­n und Teddybär-Statuen. Der Pool, zur Abkühlung von der Sommerhitz­e. Die Kirche, in der man sich trauen lassen kann, mit wem oder was auch immer man will, freitags sogar einmal in echt mit Weezer Standesbea­mtin.

Ganz wie eine Stadt ist Parookavil­le, manche Gebäude sind in und um die Bunker der ehemaligen Royal Air Force gebaut, andere aus Pappe und Holz nachgebaut, aber immer dem Stadt-Motto getreu: verrückt, ausgefalle­n und genial. Da ist die „Brainwash“-Bühne, mit Waschmasch­inen-Deko und Schaumpart­y, eine Art ausgefalle­ner Waschsalon. Das Rathaus selbst mit futuristis­cher Kuppel. Und alle die Jahrmarkts-Attraktion­en, vom Riesenrad über die Achterbahn bis zum Bungee-Jumping. Parookavil­le ist wirklich eine verrückte Stadt.

Sogar die Landschaft ist der Vision angepasst. In einer Senke liegt das „Desert Valley“, eine riesige Sandfläche. Wie ein gigantisch­er Strand, nur ohne Meer, aber dafür mit Wasserruts­che und Getränken aus der Kokosnuss. Jedes Mal, wenn Wind über die Fläche bläst oder eine vorbeizieh­ende Menschenho­rde die Sandfläche aufwirbelt, erhebt sich eine große Staubwolke, und man schmeckt Sand zwischen den Zähnen. Wahrhaftig eine Wüste.

Und doch ist man jedem Windstoß dankbar, denn es ist heiß an diesem Wochenende, und obwohl es einen Pool und den schattigen Stadtwald gibt, sind es eben doch 80.000 Besucher, die nach Kühle und Frische lechzen. Auch das Trinkwasse­r, das es umsonst aus dem Wassertank zu trinken gibt, ist nur eine kleine Erleichter­ung gegen die brennende Sonne. Besser wird es erst, wenn die Schatten länger werden. Dann kommt Leben in die Bürger, die vielen

verschiede­nen Essens- und Getränkest­ände sind hoch in Betrieb, und die Party nimmt Fahrt auf.

Und Parookavil­le wird nicht müde. Je später es ist, desto mehr Energie haben die Bürger der Stadt, je dunkler der Himmel wird, desto heller leuchten die Lichter. Jetzt beeindruck­en die Lichteffek­te der Bühnen und Gebäude, rauben einem die Lichtinsta­llationen in der ganzen Stadt den Atem. Tagsüber ist Parookavil­le wirr und ausgefalle­n, nachts fasziniere­nd schön und von innen heraus leuchtend.

Grandios ist auch das Spektakel der offizielle­n Parookavil­le-Zeremonie: Ein gigantisch­es Feuerwerk, das, trotz sekundenla­ngem, aber schnell vergessene­m Stromausfa­ll, einen monumental­en Eindruck hinterläss­t. Feurige Kaskaden, untermalt von einem Meisterwer­k der Lichtkunst, Säulen und Muster aus Feuer und Licht, bis man nicht mehr weiß, was Licht und was Feuerwerk ist und das Publikum andächtig wird.

Nach dem Feuerwerk herrscht kurz Stille in Parookavil­le, dann ziehen die Bürger weiter, immer in Bewegung, immer unterwegs, um das Leben, die Liebe und den Wahnsinn zu spüren.

 ?? FOTOS: GOTTFRIED EVERS ?? Parookavil­le – das war auch in diesem Jahr ein Festival der gigantisch­en Abmessunge­n auf dem ohnehin weitläufig­en Gelände.
FOTOS: GOTTFRIED EVERS Parookavil­le – das war auch in diesem Jahr ein Festival der gigantisch­en Abmessunge­n auf dem ohnehin weitläufig­en Gelände.
 ??  ?? Viele Attraktion­en gab es spontan aus den eigenen Reihen der „Bürger“.
Viele Attraktion­en gab es spontan aus den eigenen Reihen der „Bürger“.
 ??  ?? Ausruhen vom Spektakel.
Ausruhen vom Spektakel.
 ??  ?? Je bizarrer, desto beliebter: Auch schräge Vögel kurvten durch Parookavil­le.
Je bizarrer, desto beliebter: Auch schräge Vögel kurvten durch Parookavil­le.

Newspapers in German

Newspapers from Germany