Rheinische Post Erkelenz

Hecking will Borussia neu erfinden

Der erfahrene Cheftraine­r weiß, dass er in der kommenden Bundesliga­saison bei Gladbach unter Zugzwang steht.

- VON JANNIK SORGATZ AUS ROTTACH-EGERN

Dass Dieter Hecking als Trainer von Borussia Mönchengla­dbach die Sonne ins Gesicht scheint, lässt sich in diesen Tagen nicht behaupten. Mit einer Schirmmütz­e hat er sich auf dem Sportplatz in Rottach-Egern gewappnet. Der 53-Jährige geht das Thema Sonnenschu­tz so pragmatisc­h an wie die 13. Saisonvorb­ereitung als Bundesliga-Trainer. Als Hecking im Sommer 2006 diese Bühne betrat, hatte die deutsche Nationalma­nnschaft die Weltmeiste­rschaft im eigenen Land gerade als Dritter beendet, und ein gewisser Joachim Löw war zum Bundestrai­ner befördert worden.

Hecking weiß an diesem Punkt seiner Karriere genau, was er will, und dazu zählt im Trainingsl­ager der Gladbacher seine Entscheidu­ng, erst einmal nichts zu sagen – fernab des Platzes. Denn auf dem Rasen ist die Schirmmütz­e keineswegs eine Tarnkappe, dort verfolgt Hecking seit dem 1. Juli fast täglich ein ambitionie­rtes Projekt: Er studiert mit Borussia ein neues System ein, die angesagte Zahlenkomb­ination heißt 4-3-3. Pep Guardiola sprach einst abwertend von „Telefonnum­mern“, aber es ist eben in gewisser Weise eine Neu-Erfindung Borussias, war sie doch jahrelang, eingetrich­tert von Lucien Favre, im 4-4-2 unterwegs. Doch die Gladbacher sind etwas zu „ausrechenb­ar“geworden, wie sie selbst betonen. Zuletzt wurden sie zweimal Neunter.

„Die Rückrunde wird immer völlig in die Tonne gekloppt“, hat Manager Max Eberl jüngst gesagt. „In ein paar Momenten haben wir uns sicherlich gedacht, dass es so nicht geht. Aber es war nicht alles schlecht.“19 Punkte bedeuteten am Ende trotzdem die schwächste Ausbeute seit acht Jahren, in den ersten beiden Halbserien unter Hecking hatte Borussia im Kalenderja­hr 2017 jeweils 28 geholt. Drei komplette Halbserien beim selben Verein, das können aktuell nur sechs der 18 Bundesliga­trainer vorweisen: Christian Streich (SC Freiburg), Pal Dardai (Hertha BSC), Julian Nagelsmann (1899 Hoffenheim), Friedhelm Funkel (Fortuna Düsseldorf ), Manuel Baum (FC Augsburg) und eben Hecking.

Nun läuft sein letztes Vertragsja­hr, dazu hat er sich ausführlic­h geäußert. „Wenn Max meint, der richtige Zeitpunkt sei gekommen, um über meinen Vertrag zu reden oder auch um mir mitzuteile­n, dass wir nicht weitermach­en, dann ist das so. Das ist das tägliche Brot eines Trainer“, sagte er. „Ich bin aber davon überzeugt, dass wir zusammen erfolgreic­h sein können und werden.“

Hecking macht den Eindruck, als ziehe er auch Motivation daraus, es seinen zahlreiche­n Kritikern zu zeigen – durch gute Ergebnisse. Er weiß nach 384 Bundesliga­spielen als Trainer genau: Stellt sich der Erfolg ein, wird er im nächsten Sommer wieder Max Eberl mit Borussia an den Tegernsee fahren. Wenn nicht, wird es ein anderer Trainer tun. Die Analyse, die Hecking und Eberl federführe­nd vorgenomme­n haben, hat zu einigen sportliche­n Justierung­en geführt. „Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir unser Spielermat­erial in ein System bringen können, mit dem die meiste Qualität auf dem Platz steht“, erklärte Hecking. Ihm geht es vor allem darum, von hochveranl­agten Mittelfeld­spielern wie Denis Zakaria, Christoph Kramer oder Michael Cuisance nicht nur zwei, sondern bestenfall­s drei in seiner Elf zu haben. Im 4-3-3 soll Rekord-Einkauf Alassane Plea als Mittelstür­mer für die Tore sorgen. In Andreas Poulsen und Michael Lang sind zwei Außenverte­idiger gekommen, um Lücken im Kader zu schließen. Lang hat sich jedoch gleich in seiner ersten Trainingse­inheit am Knie verletzt, ein Außenbanda­nriss. Er wird wohl erst Mitte September debütieren.

Erstmals ist das leidigste Thema der vergangene­n Saison wieder aufgekomme­n, als im Schnitt sieben Profis ausfielen. Hecking hofft, dass sich sein Team allein schon steigert, wenn dieses Problem minimiert wird: „Es wäre besser gelaufen, davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt. Daran lasse ich mich gerne messen, wenn es so weit ist“, sagte er unserer Redaktion bereits vor drei Monaten in einem Interview. Hecking vermittelt das Gefühl, es im 13. Jahr als Bundesliga­trainer niemandem mehr beweisen zu müssen – und wirkt trotzdem motiviert, es zu tun.

„Die Rückrunde wird immer völlig in die Tonne gekloppt, aber es war nicht alles schlecht“ Borussia-Manager

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Dieter Hecking weist das Team auf dem Trainingsp­latz in Rottach-Egern an.

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