Allein und mit Armutsrisiko
Die Zahl der Mütter und Väter, die ohne Partner Kinder großziehen, hat deutlich zugenommen.
BERLIN Weiblich, ledig, alleinerziehend oder männlich, geschieden, ebenfalls alleinerziehend. Die dreijährige Tochter oder den fünf Jahre alten Sohn morgens noch schnell bei den Großeltern, wenn diese in derselben Stadt wohnen, oder bei der wirklich netten Nachbarsfamilie zwei Häuser weiter abgeben, dann ab zur Arbeit. Hunderttausende Alleinerziehende in Deutschland leben und erleben jeden Tag großen Druck, wenn sie Kinder, Betreuung, Familienzeit und Arbeit unter einen Hut bringen müssen. Das Statistische Bundesamt nennt sie: Alleinerziehenden-Familie. In diesem Fall ist eben nicht Kevin allein zu Hause, sondern zunehmend Mütter oder Väter, die ihre Kinder alleine erziehen (müssen). Deren Zahl hat in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen: um 200.000 auf 1,5 Millionen Mütter oder Väter, die mit Kind oder mehreren Kindern, aber ohne Partner in einem Haushalt leben.
Nach dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Mikrozensus „Haushalte und Familien“ist mittlerweile jede fünfte Familie in Deutschland mit mindestens einem minderjährigen Kind die Familie eines alleinerziehenden Elternteils. Dies schließt allerdings nicht aus, dass sich ein weiterer Elternteil – der frühere oder ein neuer Partner – außerhalb des Haushaltes an der Erziehung und auch an den Kosten beteiligt, wie der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Georg Thiel, betonte. Alleinerziehende stünden aber in jedem Fall unter besonderem Druck, weil sie Familie und Geldverdienen nicht mit einem ebenfalls im Haushalt lebenden Partner teilen können.
Mit einem Anteil von 70 Prozent besteht die große Mehrheit der Familien in Deutschland aber nach wie vor aus Ehepaaren mit Kindern. Noch vor 20 Jahren hatten verheiratete Eltern einen Anteil von 81 Prozent an Familien. Die Quote der Alleinerziehenden hatte 1997 aber auch schon bei 14 Prozent gelegen. In absoluten Zahlen lebten vor 20 Jahren 2,1 Millionen Kinder bei einem alleinerziehenden Elternteil. Bis 2017 erhöhte sich deren Zahl um 300.000 auf 2,4 Millionen.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte, die Leistung von Alleinerziehenden verdiene „große Wertschätzung und Anerkennung“, denn: „Millionen Alleinerziehende stemmen den Alltag mit der Familie alleine.“Es sei Aufgabe der Gesellschaft, Alleinerziehende zu unterstützen. Dafür müssten auch Unternehmen für verlässliche und flexible Arbeitsbedingungen sorgen. „Alleinerziehende sind häufig hochmotiviert und tun Unternehmen gut“, betonte Giffey.
Besonders in Westdeutschland ist die Zahl der Alleinerziehenden in den vergangenen 20 Jahren gestiegen. Die höchste Quote an Alleinerziehenden mit 27,6 Prozent hatte 2017 Berlin, die niedrigste Quote Baden-Württemberg (15,3 Prozent), gefolgt von Bayern (16,2 Prozent). Nordrhein-Westfalen liegt bei dieser 10,0 bis 13,0 13,1 bis 16,0 Sch. Holstein Niedersachsen NRW R.land-Pfalz B. Württemberg Hamburg Bremen Sch. Holstein Niedersachsen NRW R.land-Pfalz Saarland 16,1 bis 19,0 Hessen Hessen B. Württemberg 19,1 bis 22,0 Bayern Brandenburg M.burg-Vorpommern Brandenburg Sachsen-Anhalt Bayern 22,1 bis 25,0 Sachsen Gesamt Sachsen Gesamt Berlin mit minderjährigen Kindern, in Millionen Berlin größer 25,1 Kenngröße mit 18,2 Prozent im vorderen Mittelfeld. Alleinerziehende leben häufiger in Großstädten als Paare mit Kindern.
Neun von zehn Alleinerziehenden sind dem Mikrozensus zufolge weiblich. Lediglich 27 Prozent der alleinerziehenden Mütter mit Kindern jünger als drei Jahre gingen 2017 einer Erwerbsarbeit nach. Im Vergleich dazu waren aber 69 Prozent der alleinerziehenden Väter mit Kindern unter drei Jahren erwerbstätig. Während bei den Müttern, die ihre Kinder alleine großziehen, der Anteil mit einer Vollzeitstelle bei 42 Prozent lag, hatten die alleinerziehenden Väter eine Vollzeitquote von 88 Prozent. Alleinerziehenden-Familien hatten 2016 im statistischen Mittel ein verfügbares Monatseinkommen von 2320 Euro, gemeinsam erziehende Paare mit Kind oder Kindern verfügten im statistischen Mittel dagegen über ein Monatseinkommen von 4346 Euro.
Mehr als jede sechste Person, die im vergangenen Jahr wegen finanzieller Schwierigkeiten zu einer Schuldnerberatung ging, war alleinerziehend. Im Vergleich dazu waren insbesondere Paare ohne Kinder unterdurchschnittlich häufig von Überschuldung betroffen. Alleinerziehende nannten Trennung, Scheidung oder Tod von Partner/ Partnerin als Hauptauslöser an einer finanziellen Überschuldung. Für 63 Prozent der Alleinerziehenden sind vor allem unerwartete Ausgaben von knapp 1000 Euro ein Problem, das sie in aller Regel nicht alleine bewältigen können. Urlaub machen und dem Alltag entfliehen – kommt für viele nicht infrage. Knapp ein Fünftel der Gesamtbevölkerung kann sich einen Urlaub von mindestens einer Woche nicht leisten. Auch hier waren Alleinerziehende und ihre Kinder überdurchschnittlich stark betroffen: 39 Prozent von ihnen mussten ihren Urlaub zu Hause verbringen, weil zum Verreisen das Geld fehlte.