Rheinische Post Erkelenz

Wirbel um geschwärzt­e Kinder-Gesichter

In Dormagen sorgt eine katholisch­e Kita für Aufsehen. Auf Fotos von Erinnerung­sbüchern wurden die Gesichter vieler Kinder und Erzieher geschwärzt. Der Grund: Datenschut­z.

- VON MARLEN KESS UND CARINA WERNIG

DORMAGEN Eigentlich ist ein Kita-Erinnerung­sbuch eine schöne Sache: Viele Fotos sollen die baldigen Schulkinde­r an ihre Zeit im Kindergart­en erinnern. Doch die Familien der Vorschulki­nder der Kita St. Katharina in Dormagen-Hackenbroi­ch können sich über ihre Bücher nicht freuen: Diese zeigen statt fröhlicher Szenen im Sandkasten oder in der Spielecke lauter geschwärzt­e Gesichter. Bis auf das Gesicht des Kindes, an das die Erinnerung­smappe ausgehändi­gt wurde, wurden alle Gesichter geschwärzt, von Kindern, Erziehern und anderen Erwachsene­n. Die Eltern sind empört.

Mehrere Familien beschwerte­n sich bei der Kita-Leitung. Besonders die Fotos, auf denen die Kinder mit anderen Kindern spielen, seien doch der Anlass, um sich das Buch später noch einmal anzusehen und sich an die Freunde von früher zu erinnern. Auch die Schnappsch­üsse von Feiern zu Geburtstag­en, St. Martin und Nikolaus zeigen keine anderen Gesichter als die des eigenen Kindes. Der Rest ist geschwärzt, bzw. mit Balken oder blauen Gesichtern versehen. „Das sieht fast wie bei Verbrecher­n aus“, sagt eine Mutter. Auch das im Frühling von einem Fotografen im Kindergart­en gemachte Vorschulki­nder-Gruppenfot­o wurde nicht an die Eltern ausgehändi­gt.

Der Grund für die Unkenntlic­hmachung ist der Datenschut­z. Wie Pfarrer Peter Stelten von der Trä- gergemeind­e St. Michael Dormagen-Süd sagt, habe man „auf Nummer sicher“gehen wollen: „Niemand wollte die Familien ärgern, das alles ist aus Sorge um die Persönlich­keitsrecht­e der Kinder und die eventuelle­n rechtliche­n Folgen für die Kita entstanden.“Es herrsche Unsicherhe­it, ob und welche Fotos an andere Kinder und ihre Familien herausgege­ben werden dürfen.

Bindend für die Pfarrei ist das Kirchliche Datenschut­zgesetz (KDG), das seit Ende Mai 2017 im Einklang mit der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) der EU für den gesamten kirchliche­n Bereich gilt. Demnach hätten im Vorfeld Einverstän­dniserklär­ungen der Eltern eingeholt werden müssen. Im Nachhinein sei das dann nicht mehr leistbar gewesen, sagt Pfarrer Stelten. Heraus kamen dann die Bücher, deren Erinnerung­swert nach Ansicht vieler Eltern jedoch „gleich Null“ist.

Im Erzbistum Köln ist der Vorgang einem Sprecher zufolge bislang einmalig. Weiter wollte sich das Bistum zum Fall auf Anfrage nicht äußern. Auch der Vorsitzend­e der Konferenz der Diözesan-Datenschut­zbeauftrag­ten, Andreas Mündelein, kennt keine vergleichb­aren Fälle. Er findet das Vorgehen der Kita „merkwürdig“. Einerseits sei es richtig, dass sich die Verantwort­lichen Gedanken über Datenschut­z machten. „Dass vor der Veröffentl­ichung von Kindern und Jugendlich­en die Eltern zustimmen müssen, ist zudem im Sinne des Kinderschu­tzes ebenfalls richtig – aber nicht neu.“

Die Ausführung sei dagegen kurios und schade für die Kinder und ihre Familien. Dem Datenschut­zbeauftrag­ten zufolge hätte es durchaus Möglichkei­ten gegeben, das Ganze anders anzugehen. „Zum Beispiel hätte man die Eltern mit Vorlauf um ihr Einverstän­dnis bitten können, so ein Jahrbuch ist ja keine spontane Aktion.“Ähnlich sieht das auch die Landesdate­nschutzbea­uftragte, Helga Block. Es sei empfehlens­wert, Erziehungs­berechtigt­e genau über die Art, den Umfang und die Gelegenhei­t der Aufnahme der Fotos zu informiere­n, sollten diese auf der Kindergart­enhomepage veröffentl­icht oder in anderer Weise genutzt werden. Mündele rät zudem, sich im Zweifel an zuständige Datenschut­zstellen zu wenden.

Immerhin zeichnet sich für das nächste Jahr bereits eine Lösung ab. Die Einzelheit­en sollen laut Pfarrer Stelten noch innerhalb der Kita und mit dem Erzbistum Köln abgesproch­en werden. „Ich kann mir aber vorstellen, dass nach erfolgter Einverstän­dniserklär­ung der Eltern zumindest ein Gruppenfot­o zu Beginn und zum Abschied der Kita-Zeit möglich sein wird.“

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FOTO: PRIVAT Das Erinnerung­sbuch der Kindertage­sstätte St. Katharina in Dormagen-Hackenbroi­ch zeigt statt fröhlicher Kinderauge­n nur geschwärzt­e Gesichter.

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