Leicester verdrängt, Strobl schaut nach vorn
Vor genau einem Jahr verletzte sich der Defensiv-Allrounder beim Testspiel auf der Insel schwer. Jetzt will er sich empfehlen.
Kaum sind die Borussen aus dem Trainingslager am Tegernsee zurück, da gehen sie schon wieder auf Reisen. Southampton ist das Ziel, die Hafenstadt an der Südküste Englands. Von Southampton aus ging 1912 die Titanic auf ihre Jungfernfahrt, die tragisch an einem Eisberg endete. Für einen geschichtlichen Exkurs werden die Gladbacher indes kaum Zeit haben, für sie geht es darum, ihre Form zu testen beim in Southampton beheimateten Fußball-Verein, dem neuen Arbeitgeber von Jannik Vestergaard, der in der Vorsaison noch Borusse war.
„Es geht schnell mit dem Wiedersehen“, sagte Offensivmann Jonas Hofmann, der sich in der bisherigen Vorbereitung gut positioniert hat als Achter im neuen 4-3-3-System von Trainer Dieter Hecking. Während Patrick Herrmann, mit dem Hofmann in den vergangenen Jahren auf der rechten Außenbahn konkurrierte, keine Perspektive mehr hat bei Borussia und sich nach Alternativen umschaut (ohne bisher fündig geworden zu sein), gehört Hofmann zu den Bewerbern um die drei Plätze im Mittelfeld.
Einer ist auch Tobias Strobl. Allerdings ist er defensiver ausgerichtet als Hofmann und von daher eher ein Kandidat für den Job als Single-Sechser. Beim Donnerstag-Training hatte Strobl aber eine ganz andere Aufgabe: Er war der Mittelmann in der Dreierkette, die eines der beiden Trainingsteams spielte. Einerseits wurde so das alternative Abwehrsystem, das Hecking angedacht hat für die neue Saison, in den Vorbereitungsplan aufgenommen, andererseits war es die Vorbereitung auf den Gegner vom Samstag (Anstoß 16 Uhr): „Southampton spielt mit einer Dreierkette, das haben wir nachgestellt“, sagte Strobl. Southamptons Trainer Marc Hughes, einst beim FC Bayern tätig als Stürmer, setzt gewöhnlich auf ein 3-4-3.
Das indes hat nichts damit zu tun, dass Strobl die Reise nach England mit einem etwas mulmigen Gefühl antreten wird. Denn am 4. August 2017, also genau ein Jahr zuvor, zog er sich beim Test bei Leicester City (1:2) den Kreuzbandriss zu, der ihn fast die gesamte Saison kostete. Es ist schon eine seltsame Übereinkunft der Geschichte: der gleiche Tag, wieder ein Spiel auf der Insel. Strobl mag nicht darüber sprechen, das ist nur zu verständlich. „Es bringt auch nichts, verändern kann man nichts mehr“, sagte Hecking.
Er ist froh, dass Strobl wieder fit ist. „Er ist mit seiner Polyvalenz ein wichtiger Faktor für mich als Trainer“, sagte Hecking. Wie Tony Jantschke kann Strobl diverse Positionen hinten spielen und bringt einige Erfahrung in den Konkurrenzkampf ein. „Für Tobi war es wichtig, dass er verletzungsfrei durch die Vorbereitung gekommen ist. Jetzt brennt er darauf, sich für die erste Elf zu empfehlen, das zeigt er in jedem Training“, sagte Hecking.
Allzu weit dürfte Strobl auch nicht entfernt sein. Er selbst kennt seine Rolle als Druckmacher auf die Etablierten, weiß auch aber, dass er oft schon mehr gespielt hat, als ihm zugetraut wurde. Er geht den Konkurrenzkampf aber mit einigem Understatement an. „Mein Knie hält, ich bin stabil. Und ich habe keine bevorzugte Position, ich spiele, wie mich der Trainer braucht“, sagte Strobl.
Auf der Sechs hat er seit Donnerstag einen weiteren Konkurrenten. Michael Cuisance ist von der EMTour mit Frankreichs U19 zurück, die mit der Halbfinal-Niederlage gegen Italien eher endete als vom jungen Borussen erhofft. Cuisance war vor einem Jahr der, der von Strobls Pech auf der Insel profitierte. Durch den Ausfall des Kollegen im Mittelfeld ging die Tür ein bisschen weiter auf für den Teenager, er nutzte die Chance. Nun ist Strobl der Herausforderer von Christoph Kramer, Denis Zakaria und Cuisance. Kommt Strobl am Samstag zum Einsatz, wird er Leicester verdrängen. Der Ort seiner Verletzung ist 200 Kilometer entfernt. Und Vergangenheit für Strobl.