Kramp-Karrenbauer streichelt die Seele der CDU
Die Generalsekretärin und mögliche Nachfolgerin Merkels treibt mit der Wehrpflicht-Debatte auch die eigene Profilierung voran.
BERLIN Viel sagen musste Annegret Kramp-Karrenbauer nicht. Im Gegenteil: Erst einmal ging es ums Zuhören. Bei ihrer Tour durch die Republik erfuhr die CDU-Generalsekretärin in den vergangenen Monaten allerhand, das den Menschen an der Parteibasis unter den Nägeln brennt. Sicherheit, Pflege, Rente, Bildung. Klar. Aber auch die überstürzte Aussetzung der Wehrpflicht gehört anscheinend dazu. Jedenfalls sah sich Kramp-Karrenbauer veranlasst, in einem Video, das sie nun zum Abschluss der Tour veröffentlichte, darauf hinzuweisen, dass man über das Thema Wehrpflicht und Dienstpflicht „noch mal ganz intensiv diskutieren“müsse. Ein Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“griff das auf und es genügte, um eine breite Debatte über das ausgesetzte System Wehrpflicht und Zivildienst vom Zaun zu brechen.
Dem Bericht zufolge soll nach Planungen von Kramp-Karrenbauer die allgemeine Dienstpflicht eine wichtige Rolle in der Diskussion über das neue Grundsatzprogramm der CDU spielen. Kramp-Karrenbauer wolle das Thema bereits auf dem nächsten Parteitag als eine der Leitfragen im Programmprozess beschließen lassen, zwei Jahre später sollten konkrete Vorschläge ins Grundsatzprogramm aufgenommen werden und ins Programm für die Bundestagswahl 2021, hieß es.
So überraschend die Diskussion nun kommen mag: Das Thema passt ins Profil der Partei, streichelt die Seele vieler Konservativer und könnte so der CDU im aktuellen Umfragetief helfen. Angesichts internationaler Krisen, der Debatten um Nato-Ziele und um eine mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr fragen sich die Menschen, wie es um die Truppe bestellt ist, die ja seit 2011 eine Berufsarmee ist und in der Wahrnehmung vieler eher schlecht als recht funktioniert. Und ein sozialer Dienst könnte doch gegen Pflegenotstand helfen, oder nicht? Prompt veröffentlichte das Umfrageinstitut Civey im Auftrag der Funke-Mediengruppe am Wochenende eine Erhebung unter 5046 Personen, die zwischen dem 6. Mai und 4. August dazu befragt wurden, ob sie für die Aussetzung der Wehrpflicht sind. Ergebnis: Eine knappe Mehrheit von 55,6 Prozent der Befragten würde eine Wiederaufnahme des Pflichtdienstes an der Waffe befürworten. Die Anhänger der AfD sprachen sich am deutlichsten dafür aus: 60,6 Prozent der AfD-Sympathisanten wollen sie „auf jeden Fall“zurück. Das dürfte auch Kramp-Karrenbauer im Blick haben, die als Generalsekretärin analysieren muss, wie man enttäuschte Wähler von der AfD zurückholen kann.
Doch es geht Kramp-Karrenbauer nicht nur um Anti-AfD-Taktik. Sie weiß, dass sich in der Partei Fliehkräfte unter der Führung von Angela Merkel als Parteichefin entwickelt haben, die es einzufangen gilt. Mehrmals legte Merkel in den vergangenen 18 Jahren an der Spitze der CDU die Axt an bis dahin unverrückbare Prinzipien der Christdemokraten: