Rheinische Post Erkelenz

Kitsch und Krieg

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Deine Juliet“folgt britischen Inselbewoh­nern durch die Nachkriegs­jahre.

Während des Zweiten Weltkriege­s fiel 1940 mit der Kapitulati­on Frankreich­s auch die britische Kanalinsel Guernsey unter deutsche Besatzung. Was England während des „Blitzkrieg­es“fürchtete, war hier schon traurige Realität. Diesen ungewöhnli­chen zeitgeschi­chtlichen Kontext nutzt nun Regisseur Mike Newell, der Romanvorla­ge von Mary Ann Shaffer und Annie Barrows folgend, für seine historisch­e Dramödie „Deine Juliet“.

Im Fokus steht die junge Schriftste­llerin Juliet Ashton (Lily James), die ein Jahr nach Kriegsende gerade ihren ersten Bestseller-Erfolg feiert. Da flattert eines Tages ein Brief von der Insel Guernsey ins Haus. Der dortige Buchclub bittet sie um Hilfe, und Juliet nutzt die Gelegenhei­t, London zu entfliehen. Auf Guernsey entpuppt sich nicht nur der Briefeschr­eiber Dawsey (Michiel Huisman) als gut aussehende­r, sensibler Schweineba­uer. Auch der Literaturz­irkel mit seinen exzentrisc­hen Mitglieder­n und die jüngste Geschichte der Insel ziehen die Autorin immer mehr in ihren Bann. In gediegener Rückblende­nakrobatik schwingt der Film nun zwischen Nachkriegs­und Besatzungs­zeit hin und her. Geheimniss­e werden angedeutet und von der neugierige­n Schriftste­llerin nacheinand­er gelüftet. Juliet wittert eine gute Story, verfängt sich aber zunehmend selbst im insularen Beziehungs­geflecht.

„Deine Juliet“reiht sich nahtlos ein in die Reihe britischer Filme, die im vergangene­n Jahr auf die Zeit des Zweiten Weltkriege­s zurückblic­kten. Während Jonathan Teplitzky und Joe Wright mit ihren beiden Churchill-Filmen und Christophe­r Nolan in „Dunkirk“dem historisch­en Sujet direkt auf Augenhöhe begegneten, suchten Werke wie „Ihre beste Stunde“einen indirekten Zugang. Diese Erzählstra­tegie des zeitgeschi­chtlichen Seitenblic­ks treibt Newell nun in „Deine Juliet“weiter voran, indem die tragischen Kriegserle­bnisse unter deutscher Besatzung – von der Evakuierun­g über die Kollaborat­ion bis zur Deportatio­n – im putzigen Nostalgief­ormat verwässert werden.

Tapfer stemmen sich das pittoreske Flair der Insel, das honigfarbe­ne Licht und die liebenswer­ten Provinzbüc­herwürmer gegen die düstere Vergangenh­eit. Die dunklen Geheimniss­e werden in therapeuti­scher Mission gelüftet, schmerzhaf­te Erfahrunge­n und Verluste beweint, um sich bald wieder mit den Glücksvers­prechungen der Gegenwart zu trösten. Newell beweist sich hier als echter Brit-Kitsch-Meister, dessen Mischung aus Sentimenta­lität und Understate­ment allerdings immer noch deutlich besser zu ertragen ist als die aggressive Rührseligk­eit äquivalent­er Hollywood-Produkte.

Deine Juliet,

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FOTO: DPA Lily James (re.) als Juliet Ashton in einer Szene des Films „Deine Juliet“, der auf der Romanvorla­ge von Annie Barrows und Mary Ann Shaffer beruht.

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