Rheinische Post Erkelenz

Musik heilt nicht alle Wunden

- VON MARIUS NOBACH

Eine Doku erzählt die Lebensgesc­hichte des Violiniste­n Itzhak Perlman.

(kna) Ein Auftritt in der „Ed Sullivan Show“war in den 1950er und 60er Jahren im amerikanis­chen Showgeschä­ft der berufliche Ritterschl­ag. So ging es auch dem pummeligen, kraushaari­gen 13-Jährigen, den Ed Sullivan 1958 dem Fernsehvol­k präsentier­te: Der 1945 in Tel Aviv geborene Itzhak Perlman trug den 3. Satz von Mendelssoh­ns Violinkonz­ert in e-Moll vor, wobei er die Melodie so rasant interpreti­erte, dass ihm das begleitend­e Orchester hörbar kaum folgen konnte.

Das war ein idealer Auftakt zu einer beispiello­sen Weltkarrie­re, und doch blickt Perlman fast 60 Jahre später skeptisch auf die Umstände dieses Auftritts zurück. In Alison Chernicks dokumentar­ischem Porträt „Itzhak Perlman – Ein Leben für die Musik“zeigt er sich überzeugt, dass er eingeladen wurde, um das Publikum mit seinem Schicksal zu rühren: Dem eines Kindes, dessen Finger derart agil waren, wohingegen es seit einer Polio-Erkrankung mit vier Jahren nur noch mit Gehhilfen laufen konnte.

Der über ein gutes Jahr hinweg entstanden­e Film zeigt Perlman als Musiker, der stets imstande ist, neugierig und voller Elan als Botschafte­r seiner Kunst aufzutrete­n. Selbst wenn er vielleicht nicht in jeder Situation die originells­ten Worte findet, strahlt er gegenüber Staatsober­häuptern ebenso wie gegenüber Fans und Kollegen große Weltgewand­theit aus. Diesem Mann, so scheint es, hat die Begeisteru­ng für sein Instrument enorme Sicherheit verliehen, ohne dass er dabei die Fähigkeit zur Selbstiron­ie verloren hätte: „Falls ich einen Fehler mache, geht einfach mit“, scherzt er einmal.

Chernick zeigt auch, dass bei Perlman neben der Lebensfreu­de auch verbittert­e Züge zum Vorschein kommen: Da sind die Erinnerung­en an die schmerzhaf­te Krankheit und die hilflosen Behandlung­smethoden, da sind die elterliche­n Lehransprü­che, denen er als Kind nie genügen konnte. Vor allem aber ist es das Erbe des Holocaust, dem seine Eltern entgingen. Als ihm ein befreundet­er Geigenbaue­r ein Instrument zeigt, das einem jüdischen Deutschen gehörte und in das ein Nazi bei einer Reparatur Hakenkreuz und Hitlergruß einritzte, fordert Perlman, dass dieser Violine keine Saiten mehr aufgezogen werden dürften.

Es sind diese Einblicke in die tieferen Schichten von Ithzak Perlmans Gefühlsleb­en, die den Dokumentar­film zu einem runden Porträt machen. Chernick ist nicht an einem Abhaken aller Lebensstat­ionen des Musikers interessie­rt und streut biografisc­he Informatio­nen nur dort ein, wo sie das Charakterb­ild sinnvoll ergänzen. Auch die Chronologi­e der Ereignisse spielt für sie keine große Rolle. Stattdesse­n verlässt sich die Regisseuri­n auf die Prinzipien des „Direct Cinema“, das Dasein des Porträtier­ten möglichst lebensnah einzufange­n.

Itzhak Perlman – Ein Leben für die Musik,

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FOTO: DPA Der Violinist Itzhak Perlman.

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