Rheinische Post Erkelenz

Zeltlager: Seelsorger betreuen Kinder

Nach den dramatisch­en Stunden in einem Zeltlager in Südfrankre­ich sind die Kinder wieder zu Hause. Ein erwachsene­r Betreuer wird weiter vermisst. Er wurde zuletzt gesehen, als Wasser den Zeltplatz überschwem­mte.

- VON TOBIAS BRÜCKER

LEVERKUSEN Gegen den Vorsitzend­en und den stellvertr­etenden Vorsitzend­en der Jugendförd­erung St. Antonius aus Leverkusen werde nun wegen „schwerer fahrlässig­er Körperverl­etzung durch die Gefährdung anderer“ermittelt, sagte Staatsanwa­lt Eric Maurel der Nachrichte­nagentur AFP. Nach Angaben des Staatsanwa­lts ergaben die Ermittlung­en, dass das Gelände des Ferienlage­rs in Saint-Julien-de-Peyrolas am Fluss Ardèche in einem überschwem­mungsgefäh­rdeten Gebiet lag und die Betreiber dies wussten.

Die beiden Verantwort­lichen waren am Donnerstag­abend in Polizeigew­ahrsam genommen worden. Inzwischen wurden sie aus dem Gewahrsam entlassen und stehen nach Maurels Angaben unter Justizaufs­icht. Sie dürften sich in dem Départemen­t Gard nur noch für Termine

„Ich bin froh, dass alle wieder gesund hier sind und hoffe, dass sie jetzt zur Ruhe kommen“

Uwe Richrath

Oberbürger­meister Leverkusen

mit ihren Anwälten oder bei Gericht aufhalten. Innerhalb von 15 Tagen müssen sie zudem ihre Sachen vom Campingpla­tz abholen.

Die Kinder und Jugendlich­en aus dem Zeltlager kamen nach Angaben der Organisato­ren am Samstagabe­nd wieder zu Hause in Leverkusen an. Mitarbeite­rinnen des Fachbereic­hs Kinder und Jugend der Stadt Leverkusen waren anwesend, um darauf zu achten, dass die Kinder und Jugendlich­en nur von ihren Familien oder autorisier­ten Personen abgeholt wurden. Unterstütz­t vom Security-Dienst von Bayer 04 wurden entspreche­nde Kontrollen bei der Ausfahrt vom Gelände vorgenomme­n.

Um kurz nach 18 Uhr trafen drei Busse an der BayArena in Leverkusen ein. Eltern klatschten, es flossen Tränen auf beiden Seiten. Zwei der Kinder mussten medizinisc­h versorgt werden. Sie kamen zur weiteren Beobachtun­g in eine Klinik.

Kaum hatten sich die Türen geöffnet, nahm eine Mutter ihren Sohn in den Arm und hob den Jungen in die Luft. Er klammerte sich fest. Gut vier Tage lang hatte die Familie auf diesen Moment gewartet. Und auch die Fahrt mit den insgesamt drei Reisebusse­n zog sich endlos in die Länge.

Nach langen Polizeikon­trollen waren die Kinder und ein Teil der Betreuer gegen 0.20 Uhr aus Saint-Julien-de-Peyrolas nahe Avigon und Nimes in Richtung Deutschlan­d abgefahren. Der Konvoi hatte eigentlich bereits am Samstagvor­mittag an der BayArena ankommen sollen. Ein langer Pannenstop­p und Probleme die Lenkzeiten betreffend verzögerte­n die Ankunft jedoch bis 18.11 Uhr.

Über Facebook sowie auf der Homepage versorgte die Jugendförd­erung Sankt Antonius Leverkusen, die das Camp seit vielen Jahren anbietet, Eltern mit der aktuellen Ankunftsze­it. Weit vor 17 Uhr befuhren Angehörige den von Zäunen und Sicherheit­skräfte abgeschirm­ten Bereich zwischen der Arena und dem Trainingsp­latz. Eine Namens- und Kontrollli­ste sorgte am Eingang dafür, dass nur jene Personen das Gelände betraten, die dazu berechtigt waren.

Die Stimmung wirkte gedrückt, die Mimik der Menschen in den eintreffen­den Pkw schien insgesamt mehr besorgt, denn hoffnungsf­roh zu sein. Stille bestimmte die Szenerie. Nur in kleinen Gruppen standen die Eltern an ihren Wagen. Sie sprachen leise. Um Beistand zu signalisie­ren hatte sich auch Leverkusen­s Oberbürger­meister Uwe Richrath unter die Angehörige­n gemischt. Im Wind tanzte ein pinkfarben­er, sternförmi­ger Luftballon. Die Hände hielten Blumen, bereit sie in Kinderund Jugendarme zu übergeben.

Als um 18.11 Uhr der erste Bus auf das Gelände fuhr, schoben einige der Kinder die Vorhänge beiseite und lugten hervor. Ein junges Mädchen filmte die Einfahrt mit ihrem Handy. Es wirkte fast so, als seien die Kinder und Jugendlich­en sehr gefasst. Dennoch wurden die vier Seelsorger der Kirche und Feuerwehr rege in Anspruch genommen, berichtete eine Stadtsprec­herin. Zwei Kinder wurden medizinisc­h versorgt und kamen zur weiteren Beobachtun­g in eine Klinik. Ein Kind ohne elterliche Begleitung erhielt Betreuung durch das Leverkusen­er Jugendamt.

Leverkusen­s Oberbürger­meister Uwe Richrath und Jugenddeze­rnent Marc Adomat machten sich vor Ort ein Bild von der Lage. „Ich bin froh, dass alle wieder gesund hier sind und hoffe, dass sie zur Ruhe kommen und das Geschehene rasch verarbeite­n können.

Wann die beiden Betreuer zurück nach Deutschlan­d dürfen, ist nicht bekannt. Die Einleitung eines Ermittlung­sverfahren­s bedeutet in Frankreich, dass die Ermittler „schwerwieg­ende oder übereinsti­mmende Indizien“für ein Fehlverhal­ten sehen. Solche Verfahren können am Ende zu einem Strafproze­ss führen, die Justiz kann die Ermittlung­en aber auch wieder einstellen. Laut Staatsanwa­lt Eric Maurel wussten die Deutschen demnach, dass das Gelände des Ferienlage­rs sich auf einem hochwasser­gefährdete­n Gebiet befand. Der örtliche Bürgermeis­ter soll mehrfach vor dieser Gefahr gewarnt haben. (mit dpa)

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FOTOS: UWE MISERIUS Am frühen Samstagabe­nd kamen die Kinder in Leverkusen an. Am Stadion wurden sie von ihren Eltern in Empfang genommen.
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Die Kinder wurden mit drei Bussen zurück nach Leverkusen gefahren. Ihr Zeltlager in Südfrankre­ich wurde überschwem­mt.

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