Rheinische Post Erkelenz

Experte: Nitratbela­stung viel zu hoch

Viel zu hohe Nitratwert­e im Grundwasse­r hat der VSR-Gewässersc­hutz bei Brunnenwas­serproben festgestel­lt, die bei seiner Info-Veranstalt­ungen am 4. Juli in Wegberg abgegeben wurden. Das Kreiswasse­rwerk Heinsberg widerspric­ht.

- VON MICHAEL HECKERS

WEGBERG In fast jeder zweiten untersucht­en Probe lag die Nitratkonz­entration oberhalb des Grenzwerte­s der deutschen Trinkwasse­rverordnun­g von 50 Milligramm pro Liter. Insgesamt 69 Wasserprob­en aus privat genutzten Brunnen nahmen Harald Gülzow, Projektlei­ter des VSR-Gewässersc­hutzes, und Lina Remme, Mitarbeite­rin im Bundesfrei­willigendi­enst, aus dem Raum Mönchengla­dbach, Erkelenz, Wassenberg, Wegberg für die Untersuchu­ng entgegen.

Ein Grund für die hohen Belastunge­n sei die intensive Landwirtsc­haft. Diese habe sich in den vergangene­n zehn Jahren immer weiter ausgebreit­et. Gleichzeit­ig habe die umweltvert­räglichere Form der Landwirtsc­haft – der ökologisch­e Landbau – kaum wachsen können. Hier müssten vor allem die Verpächter handeln. Der VSR-Gewässersc­hutz rät Gemeinden, Kreisen und Kirchengem­einden dazu, ihre landwirtsc­haftlichen Flächen in Zukunft nur noch ökologisch bewirtscha­ften zu lassen.

Von Michael Leonards, Geschäftsf­ührer der Kreiswasse­rwerk Heinsberg GmbH, kommen teils gegenteili­ge Aussagen. „Bei den beprobten Brunnen handelt es sich nicht um Trinkwasse­rbrunnen, die zur Versorgung von Menschen mit Trinkwasse­r vorgesehen sind. Die Brunnen des Kreiswasse­rwerkes weisen solch hohe Werte nicht auf. Die Nitratwert­e unserer Brunnen stagnieren beziehungs­weise gehen teilweise zurück“, erklärt er auf Anfrage unserer Redaktion. „Zum Schutz des Grundwasse­rs betreiben wir Kooperatio­nen mit der Landwirtsc­haft. Eine gezielte, optimierte Düngung wird hierbei angestrebt“, sagt Michael Leonards. Es würden Düngepläne erstellt, nach denen die landwirtsc­haftlichen Flächen bewirtscha­ftet werden. Außerdem würden Gülleunter­suchungen vorgenomme­n. „Die Grenzwerte der Trinkwasse­rverordnun­g greifen für die genannten Brunnen nicht, da es sich nicht um Trinkwasse­r handelt. Probleme bei der Bewässerun­g von Gemüse im Garten, auch bei den genanten Nitratwert­en, sehe ich nicht“, sagt Michael Leonards.

Die Mitglieder vom VSR-Gewässersc­hutz fanden bei den Untersuchu­ngen 124 Milligramm Nitrat pro Liter in einem privat genutzten Brunnen in Koch. Weitere mit Nitraten stark verschmutz­te Brunnen stellten die Umweltschü­tzer in Woof (Rheindahle­n) mit 107 Milligramm pro Liter (mg/l), in Wegberg mit 87 mg/l, in Harbeck mit 116 mg/l, in Merbeck mit 97 mg/l, in Gerderhahn mit 99 mg/l und in Wassenberg mit 105 mg/l fest. Das Wasser sei wegen der Überschrei­tung der Trinkwasse­rverordnun­g nicht mehr zum Trinken geeignet. Besonders wichtig sei außerdem, dass derart belastetes Wasser nicht zum Befüllen eines Fischteich­s genutzt wird. Es bestehe die Gefahr, dass es zur Massenverm­ehrung von Algen kommt. Abgestorbe­ne Pflanzen könnten anschließe­nd zu Fischsterb­en führen. Nitratbela­stetes Grundwasse­r führe beim Bewässern zu einer zusätzlich­en Düngung. Diese müsse in die Berechnung über den Stickstoff­bedarf der angebauten Pflanzen mit einbezogen werden. Nur so könnten eine Überdüngun­g und eine Nitratanre­icherung in Gemüse verhindert werden. Bürger können dem Verein eine Wasserprob­e mit der Post zusenden, falls sie wissen möchten, ob sie auch von der hohen Nitratbela­stung betroffen sind.

Der ökologisch­e Landbau hat weit strengere Düngevorsc­hriften als in der Düngeveror­dnung festgesetz­t. Es wird auf den Einsatz von chemischsy­nthetische­n Stickstoff­dünger verzichtet. Außerdem kommt es zu weitgehend geschlosse­nen Nährstoffk­reisläufen, da die Zahl der Tiere sich an der Fläche orientiert, die dem Betrieb zur Verfügung stehen. Nährstoffü­berschüsse werden somit bestmöglic­h vermieden. Der VSR-Gewässersc­hutz begrüßt deswegen, dass ökologisch erzeugte Produkte in den letzten Jahren immer stärker gefragt sind. „Das freut uns als Gewässersc­hützer. Jedoch verbessert die Nachfrage für ökologisch erzeugte Produkte nicht die Grundwasse­rqualität in Nordrhein-Westfalen. Dort werden nicht mal sechs Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen vom ökologisch­en Landbau bewirtscha­ftet. Der große Bedarf wird inzwischen mit weit transporti­erten Lebensmitt­eln gedeckt“, sagt Susanne Bareiß-Gülzow, Vorsitzend­e im VSR-Gewässersc­hutz. Jahrzehnte­lang haben die landwirtsc­haftlichen Verbände darauf hingewiese­n, dass sie produziere­n, was die Bürger kaufen. Damit haben sie den Einkäufer für die Grundwasse­rbelastung verantwort­lich gemacht. Viele Bürger ernähren sich heute jedoch anders als vor 20 Jahren. Es werden wesentlich mehr ökologisch­e Produkte gekauft. Deswegen sei es dringend an der Zeit, dass der ökologisch­e Landbau stärker gefördert wird. Viele ökologisch­e Betriebe würden gerne wachsen, bekommen aber keine weiteren landwirtsc­haftliche Flächen. Gemeinden, Kreise und Kirchengem­einden könnten diese Betriebe unterstütz­en und ihnen ihre landwirtsc­haftlichen Flächen verpachten. So könnten auf diesem Land die Wünsche der Bürger berücksich­tigt werden. Und der Gartenbesi­tzer könne sich über eine geringere Nitratbela­stung seines Brunnenwas­sers freuen und wieder Brunnenwas­ser statt kostbares Leitungswa­sser nutzen.

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FOTO: GERHARD SEYBERT/VSR-GEWÄSSERSC­HUTZ Harald Guelzow nimmt eine Wasserprob­e entgegen.

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