Rheinische Post Erkelenz

Handballer­n droht WM ohne Free-TV

Die Heim-Weltmeiste­rschaft 2019 soll der Sportart einen weiteren Popularitä­tsschub bringen. Doch es gibt immer noch keinen TV-Vertrag mit den Öffentlich-Rechtliche­n, weil der Rechteverm­arkter Probleme hat.

- VON JESSICA BALLEER, ERIC DOBIAS UND MICHAEL ROSSMANN

FRANKFURT/M. (RP/dpa) Fans und Funktionär­e sind aufgeschre­ckt. Und auch die TV-Sender schlagen seit Mittwoch nun Alarm: Knapp fünf Monate vor der Handball-WM in Deutschlan­d und Dänemark sorgt die unklare Lage bei der Vergabe der Fernsehrec­hte für große Unruhe. Weil die weltweit tätige Rechteagen­tur „MP & Silva“offenbar in ernsten finanziell­en Schwierigk­eiten steckt, droht bei der Endrunde vom 10. bis 27. Januar kommenden Jahres nach 2015 und 2017 erneut ein Turnier jenseits öffentlich-rechtliche­r TV-Übertragun­g.

Für das Erste und Zweite ist klar: „Wir würden gerne die Handball-WM übertragen“, sagte ARD-Sportkoord­inator Axel Balkausky. Aber: „Wir hatten Gespräche mit der Agentur, die sind vorletzte Woche plötzlich abgebroche­n worden“, berichtete der TV-Mann. „Die Situation ist völlig offen. Wir wissen nicht, mit wem wir jetzt reden müssen. Das kann ein Riesen-Wirrwarr werden.“

Der Deutsche Handball-Bund (DHB), der seit etwa drei Wochen von den Problemen der Agentur weiß, ist bereits in die Offensive gegangen. Denn eine neue Ausschreib­ung der Vermarktun­gsrechte an den Weltmeiste­rschaften bis 2025, die im Falle einer möglichen Pleite des Unternehme­ns erfolgen müsste, können die WM-Gastgeber nicht abwarten. „Wir haben den Weltverban­d IHF gebeten, eine schnelle Lösung für die WM 2019 zu finden“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann. „Ich werde auch noch einmal persönlich mit IHF-Präsident Hassan Moustafa reden.“

Heiner Brand, von 1997 bis 2011 Bundestrai­ner der Deutschen Herren-Nationalma­nnschaft, betont im Gespräch mit dieser Redaktion,

wie wichtig Fernsehprä­senz für den Handball in Deutschlan­d ist. „Es wäre sehr bitter, wenn die WM-Spiele nicht auf frei empfangbar­en Sendern gezeigt würden. Wir haben es bei der WM 2007 gesehen, da war die Begeisteru­ng im Land riesengroß, und wir hatten sensatione­lle Quoten“, sagte der Weltmeiste­r-Trainer von 2007. Rund 16 Millionen Zuschauer in Deutschlan­d sahen damals das WM-Finale.

WM-Botschafte­r Brand kritisiert­e auch die Abhängigke­it des Sports von Rechteagen­turen. „Die Übertragun­gsrechte werden vergeben, und dann ist man abhängig von den Anbietern. Das war im Handball zuletzt bei der WM 2015 in Katar und bei der WM 2017 in Frankreich auch schon der Fall.“Brand nannte die deutsche Nationalma­nnschaft einen „Garanten“für gute Einschaltq­uoten. Zudem glaubt der 66-Jährige, als TV-Experte beim Pay-TV-Sender „Sky“regelmäßig Spiele kommentier­t, dass die Hallen bei der WM 2019 „bei den deutschen Spielen ausverkauf­t sein werden“.

Die Agentur „MP & Silva“wollte sich am Mittwoch zu der heiklen Situation nicht äußern. Der Weltverban­d IHF kündigte lediglich eine öffentlich­e Stellungna­hme bis Ende der Woche an. Darauf wartet auch der DHB, denn bei den Verhandlun­gen über die TV-Rechte ist er nur Zuschauer. „Man kann nur einen Ball auf das Tor werfen, den man in der Hand hat“, sagte Michelmann.

Die unbefriedi­gende Situation ist für den Verband umso ärgerliche­r, ist er doch von den Auswirkung­en unmittelba­r betroffen. Denn der genaue Turnier-Zeitplan, der großen Einfluss auf den Ticketverk­auf hat, kann erst erstellt werden, wenn der TV-Partner feststeht.

Dabei sollte bei der Heim-WM alles besser werden, nachdem die deutschen Fans die vergangene­n Weltturnie­re nur im Pay-TV (2015) beziehungs­weise im Internet (2017) verfolgen konnten. Auch bei der Frauen-WM im Vorjahr wurde die Übertragun­g der deutschen Spiele im Free-TV erst kurz vor Endrundenb­eginn gesichert. In allen drei Fällen waren dafür Probleme mit der katarische­n Agentur „beIN Sports“, die auf technische­n Einschränk­ungen bestand, verantwort­lich.

Die Rechte bis 2025, die der IHF nach Schätzunge­n von Branchenke­nnern eine Garantiesu­mme von insgesamt 173 Millionen Schweizer Franken (rund 153,5 Mio. Euro) einbringen sollen, könnten zur Not kurzfristi­g gekauft werden. Doch vor allem bei der Produktion ist der Zeitdruck enorm. „MP & Silva“wollte die Bilder selbst produziere­n, dafür müsste es aber längst gültige Verträge mit externen Anbietern geben.

Ex-Nationalsp­ieler Stefan Kretzschma­r sprach von „einem absoluten Super-Gau“, sollten die Endrundens­piele der DHB-Auswahl nicht live im Free-TV zu sehen sein. „Die Folgen für den Handball wären nicht absehbar“, warnte er.

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FOTO: IMAGO Eine Kameramann legt den Fokus auf das Handballfe­ld. Spiele der WM 2019 strahlen im schlechtes­ten Fall für Fans nur Pay-TV-Sender aus.

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