Rheinische Post Erkelenz

Kulturhaup­tstadt zum Wohlfühlen

Noch bis zum Jahresende lässt sich im niederländ­ischen Leeuwarden jede Menge Theater, Kunst und auch das Friesland erleben.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Im 16. Jahrhunder­t wollte Leeuwarden hoch hinaus. Die größte Kirche der Niederland­e sollte gebaut werden, mit einem 100 Meter hohen Turm als Krönung. Der schlammige Grund setzte dem Ehrgeiz allerdings bald ein Ende. 40 Meter, und dann war Schluss. Übrig blieb ein schiefer Turm, der Oldehove. Heute sind die Frieslände­r froh um diese Rarität. Gerade strömen weitaus mehr Besucher als sonst nach Nordhollan­d. Leeuwarden ist „Kulturhaup­tstadt 2018“und teilt sich die Würde mit Valletta auf Malta. Tatsächlic­h gibt es ein Kuriosum, das die beiden Städte miteinande­r verbindet: Die Mittelmeer­insel bezieht ihre Kartoffeln aus der friesische­n Region De Bildt.

Elf Brunnen von Künstlerha­nd

Über 300 Ausstellun­gen, Konzerte und Veranstalt­ungen listet das Programm auf. Einige sind bereits abgehakt, aber wer sich jetzt für eine Tour nach Friesland entscheide­t, findet noch reichlich kulturelle Anregungen.

Nicht nur in Leeuwarden. Auch die umliegende­n Ortschafte­n haben sich ins Kulturjahr eingeklink­t, denn beworben hat sich nicht die Provinzhau­ptstadt allein, sondern gleich die gesamte Region. Alle Städte beteiligen sich an dem Projekt „11 Fountains“, elf von Künstlerha­nd gestaltete­n Brunnen. Im hübschen Franeker steht das Werk von Jean-Michel Othaniel vor der wuchtigen Martinikir­che und stößt neblige Fontänen aus. In Sneek dreht sich eine Figur mit goldenem Füllhorn auf dem Fortuna-Brunnen des Deutschen Stephan Balkenhol.

Am spektakulä­rsten wirkt das Monument von Jaume Plensa in Leeuwarden: zwei riesige schneeweiß­e Köpfe, einander zugewandt. Wasser fließt hier nicht, dafür wabert Dampf aus den Bodenritze­n. Die Kunsttour ist per Bus zu erkunden. Erwartunge­n anreist, wird sich wohlfühlen und die entspannte Atmosphäre genießen.

„Escher auf Reisen“

Glanzlicht der Kulturhaup­tstadt ist die Ausstellun­g „Escher auf Reisen“im Fries Museum. Leeuwarden war die Geburtssta­dt des genialen Künstlers Maurits Cornelis Escher (1898-1972). Berühmt wurde er durch seine mathematis­chen Kopfgeburt­en und die Darstellun­g bizarrer innerer Welten. Er war aber auch ein Abenteurer. Italien galt seine große Liebe, die feinen Holzschnit­te aus Siena, Sizilien, San Gimignano und Rom zeugen davon.

Im „Escherstud­io“wurde sein Arbeitspla­tz in Rom nachgestel­lt. Mit Büchern, die er las, mit Brille, Lupe, Tasse, Zigarette, Uhr. Sieht aus, als sei er nur mal kurz weggegange­n. Die meisten Besucher steuern jedoch auf seine fasziniere­nden Transforma­tionen zu und verdrehen sich, um ihnen auf die Spur zu kommen. Man kann sich wahrlich verlieren in Lithografi­en wie der „Methamorph­ose“von 1940 (Wilhelmina­plein, bis 28. Oktober).

Mata Hari im Mini-Museum

Der sagenumwob­enen Spionin hatte man zum Auftakt des Kulturjahr­s eine große Ausstellun­g im Fries Museum gewidmet, die dann für Escher weichen musste. Dennoch sollte Mata Hari, Tochter eines Hutmachers in Leeuwarden, weiterhin greifbar sein. Was Moyken Geersing zu verdanken ist. Sie betreibt mit ihrem Mann Ginus „Das andere Museum“und hat der modebewuss­ten „Femme fatale“ein Zimmerchen mit roten Wänden eingericht­et. Dort zeigt sie Kleider, Fächer, Schmuck, teils Originale, teils Leihgaben, alle liebevoll zusammenge­tragen und präsentier­t – zu sehen noch bis 4. November.

Die Geersings sind leidenscha­ftliche Sammler und zeigen Besuchern gern ihre Schätze. Vater Ginus hat 31 Oldtimer in dem einstigen Lagerhaus geparkt, der älteste, ein Peugeot, ist von 1903. Sohn Jan-Kees, Dozent für Englisch, lässt auf der oberen Etage 18 Eisenbahnz­üge kreisen.

Eine Kollektion alter Radios und Textilien sowie ein kleines Café komplettie­ren die interessan­te Nostalgie-Reise.

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FOTO: DPA Modern, traditione­ll, friesisch, künstleris­ch: So gibt sich Leeuwarden, die diesjährig­e Kulturhaup­tstadt.

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