Rheinische Post Erkelenz

Letzte Chance für Air France

Die französisc­h-niederländ­ische Fluggesell­schaft bekommt nach drei Monaten Vakanz einen neuen Chef.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Air Canada spart nicht mit Lob für Benjamin Smith. Als Visionär wird die Nummer zwei der Airline bezeichnet, verantwort­lich für die Ausweitung der Fluggesell­schaft auf 200 Ziele. Im September wechselt der 46-Jährige auf die andere Seite des Atlantiks, um in Frankreich das zu wiederhole­n, was er in Kanada bereits geschafft hat: aus einer taumelnden Airline wieder ein stabiles Unternehme­n zu machen. Air France-KLM dürfte sich für den selbst ernannten „Aviation Geek“allerdings als deutlich schwierige­re Aufgabe erweisen. Vor allem, weil der Kurs der französisc­hen Hälfte des Konzerns seit Jahren von den Gewerkscha­ften diktiert wird. „Seit 20 Jahren ist Air France ein Unternehme­n in der Führungskr­ise, das am Tropf des Staates hängt, der wiederum die Macht den Piloten überlassen hat“, sagt der Wirtschaft­sexperte Elie Cohen.

Wie stark der Einfluss der Pilotengew­erkschaft SNPL ist, zeigte sich im Frühjahr, als die Flugkapitä­ne von Air France zwei Wochen lang für Lohnerhöhu­ngen streikten. 335 Millionen Euro kostete der Ausstand das Unternehme­n, das nur dank der KLM-Schwester seine Halbjahres­bilanz retten konnte. Doch damit nicht genug: Die SNPL brachte auch Chef Jean-Marc Janaillac zu Fall. Der hatte die Belegschaf­t zum Gehaltsvor­schlag der Geschäftsf­ührung befragt und dabei eine krachende Niederlage erlitten. Mehr als 55 Prozent der Beschäftig­ten lehnten eine Lohnerhöhu­ng von sieben Prozent über vier Jahre ab und zwangen so Janaillac Anfang Mai zum Rücktritt.

Dreieinhal­b Monate lang suchte eine Kommission einen Nachfolger für den 65-Jährigen, der nur knapp zwei Jahre an der Spitze von Air France-KLM stand. Der französisc­he Staat, der mit gut 14 Prozent größter Aktionär des Lufthansa-Konkurrent­en ist, sperrte sich gegen die Berufung des Veolia-Managers Philippe Capron. Zu wenig internatio­nale Erfahrung, keine Kenntnis des Fluggeschä­fts, lautete die Begründung. Die Berufung Smiths entspricht dagegen den Anforderun­gen der Regierung. „Es handelt sich um eine Persönlich­keit, die alle Bedingunge­n erfüllt, die der Staat vor dieser Ernennung gestellt hat“, sagte Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire. Nach dem Rücktritt Janaillacs hatte der frühere Konservati­ve gewarnt, dass Air France, das sich 2004 mit KLM zusammenta­t, vom Markt verschwind­en könne. „Der Staat wird nicht für die Schulden von Air France aufkommen und ein Unternehme­n retten, das nicht die nötigen Anstrengun­gen unternimmt, um wettbewerb­sfähig zu werden“, sagte er.

Nun soll es also Smith richten. „Er ist der Manager der letzten Chance“, bemerkt Elie Cohen. Für seine schwierige Aufgabe soll der Kanadier entspreche­nd entschädig­t werden: Mit allen Prämien verdient der neue Chef dreimal mehr als sein Vorgänger, nämlich bis zu 4,2 Millionen Euro pro Jahr. Keine gute Voraussetz­ung für die Tarifverha­ndlungen, die seit Mai unterbroch­en sind. Der mächtige Vorsitzend­e der Pilotengew­erkschaft SNPL, Philippe Evain, drohte bereits mit einem neuen, zweiwöchig­en Streik, wenn der neue Chef die Gespräche nicht wieder aufnimmt.

Die Personalie stößt ihm ebenso wie den anderen Gewerkscha­ften übel auf. „Es ist nicht hinnehmbar, dass das Unternehme­n Air France, das seit 1933 französisc­h ist, in die Hände eines ausländisc­hen Chefs fällt“, erklärten die Gewerkscha­ften.

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FOTO: REUTERS Benjamin Smith übernimmt eine extrem schwierige Aufgabe.

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