Rheinische Post Erkelenz

Ein Fünftligis­t erinnert daran, wie Fußball sein kann

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Die Hoffnung auf die große Sensation erfüllte sich für den BSC Hastedt am Sonntag nicht. Doch obwohl der Fünftligis­t in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Borussia Mönchengla­dbach mit 1:11 böse unter die Räder kam, war er einer der großen Gewinner dieser ersten Runde. Weil er daran erinnerte, wie schön Fußball sein kann.

Als Diyar Kücük kurz vor Schluss mit dem ersten Schuss aufs Tor den Ehrentreff­er für den Oberligist­en erzielte, brach auf Platz elf des Bremer Weserstadi­ons der Jubel los. Es war ein authentisc­her Jubel. Ein herzerfris­chender Jubel. Über ein Tor zum 1:11. Kücüks Teamkolleg­en stürmten auf den Torschütze­n zu, die Zuschauer applaudier­ten lange, und Hastedts Trainer

Es braucht authentisc­he Bilder wie den Jubel von Gladbachs Pokalgegne­r BSC Hastedt beim Ehrentreff­er zum 1:11, wenn der Fußball seinen deprimiere­nden Auswüchsen etwas entgegenst­ellen will.

Gökhan Deli hörte gar nicht mehr auf, zu klatschen, das „Daumen hoch!“-Zeichen Richtung Rasen zu signalisie­ren und bis über beide Ohren zu strahlen. „Ich freue mich riesig, dass wir ein Tor erzielt haben“, sagte Deli wenig später. Da strahlte er immer noch.

Wenn also der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mal wieder drüber nachdenken sollte, eine der zu oft arg gewollt daherkomme­nden Imagekampa­gnen zu drehen, die den Wert des Amateurfuß­balls dokumentie­ren sollen, dann sollte er diesmal keine Darsteller und hippen Sprüche suchen, er kann einfach die Bilder vom Platz elf des Bremer Weserstadi­ons zeigen. Weil sie wohltuend sind. Weil diese Bilder den Fußball verteidige­n gegen all den Wahnsinn, den sein Umfeld in diesen Wochen schon wieder produziert.

Die Meldungen von den Kölner „Fans“, die den Fanbus von Union Berlin attackiert­en. Oder die Bilder aus dem Stadion Höhenberg, wo beim Spiel von Viktoria Köln gegen RB Leipzig ein Fan einem anderen ins Gesicht trat. Oder die Nachricht aus Rom, wo Lazio-Anhänger Flugblätte­r verteilt haben, auf denen sie Frauen auffordert­en, sich im Stadion nicht in den vorderen Reihen des Fanblocks aufzuhalte­n. Der Fußball wirkt ob seiner Randersche­inungen und Auswüchse an vielen Stellen so kaputt, dass ein wenig ehrliche, kindliche, ja vielleicht im positiven Sinne naive Freude wie die der Hastedter über ein 1:11 nicht nur gut tut, sondern dringend notwendig ist.

Die erste DFB-Pokalrunde wirkt zuweilen als Kampf von David gegen Goliath überinszen­iert. Mit aller Macht wird die Geschichte des Metzgers erzählt, der Vollzeit arbeitet und jetzt gegen den Nationalsp­ieler sein Tor sauber halten will. Am Besten, auch das hat Borussias Spiel gezeigt, ist der Pokal jedoch, wenn er seine eigenen Geschichte­n schreibt. Nicht die, die wir Medien uns ausdenken. Deswegen gilt dem BSC Hastedt ein großes Dankeschön. Eins, das im Übrigen auch Gladbachs Trainer Dieter Hecking nach Spielschlu­ss übermittel­te.

So schön kann Fußball sein. Auch heute noch.

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