Rheinische Post Erkelenz

4,4 Millionen Kinder gelten als arm

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Viele Familien nehmen Leistungen nicht in Anspruch – aus Scham oder Überforder­ung.

BERLIN (dpa/epd) Die Zahl der in Deutschlan­d unter Armut leidenden Kinder ist dem Deutschen Kinderschu­tzbund (DKSB) zufolge deutlich höher als bisher angenommen. „Es ist ein Armutszeug­nis für ein reiches Land. Etwa 4,4 Millionen Kinder sind von Armut betroffen, rund 1,4 Millionen mehr, als in der Öffentlich­keit bisher bekannt ist“, teilte die Organisati­on in Berlin mit.

Der Schutzbund bezieht sich mit seinen Zahlen unter anderem auf die Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der Grünen vom 18. Juni 2018 und macht folgende Rechnung auf: Für drei Millionen Kinder zahle der Staat Sozialleis­tungen, damit ihr Existenzmi­nimum gesichert ist. Zähle man aber auch diejenigen Familien hinzu, die Anspruch auf Hartz IV, Kinderzusc­hlag oder Wohngeld haben, das aber nicht nutzen, sei die Zahl der in Armut lebenden Kinder deutlich höher. Sogenannte aufstocken­de Leistungen nach Hartz IV nähmen geschätzt nur etwa 50 Prozent der Berechtigt­en in Anspruch. Das allein betreffe rund 850.000 Kinder unter 18 Jahren, die bis jetzt nicht als arm gelten. Dazu kommen nach Berechnung­en Heinz Hilgers des Kinderschu­tzbundes 190.000 Kinder, deren Eltern nicht erwerbstät­ig sind und die trotzdem nicht aufstocken.

Der Kinderschu­tzbund forderte die Bundesregi­erung auf, rasch mit Reformen gegen Kinderarmu­t vorzugehen, so dass die betroffene­n Kinder die Leistungen auch bekommen. „Denn viele Familien beantragen Leistungen erst gar nicht, die ihnen aufgrund ihres geringen oder fehlenden Einkommens eigentlich zustehen“, heißt es in der Mitteilung. Das liege oft daran, dass die Eltern mit den bürokratis­chen Abläufen überforder­t seien oder sich schlichtwe­g dafür schämten, sagte Kinderschu­tzbund-Präsident Heinz Hilgers. „Zählen wir alles zusammen, kommen wir auf eine Dunkelziff­er von 1,4 Millionen Kindern. Alle diese Kinder sind offiziell nicht arm, doch sie fallen durch das Raster unseres Sozialstaa­tes.“

Perspektiv­isch müsse eine einfachere und unbürokrat­ische Kindergrun­dsicherung geschaffen werden, die eine Vielzahl von Leistungen zusammenfa­sse und sich am neu berechnete­n tatsächlic­hen Bedarf von Kindern orientiere, fordert der Kinderschu­tzbund.

„1,4 Millionen Kinder fallen durch das Raster des Sozialstaa­ts“ Kinderschu­tzbund-Präsident

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