Venezuela: Hunderttausende fliehen
Es ist der womöglich größte Exodus der lateinamerikanischen Geschichte.
QUITO/BOGOTÁ (dpa) Die katastrophale Versorgungslage in Venezuela zwingt immer mehr Menschen zur Flucht. Angesichts von Hunderttausenden Flüchtlingen rücken die Nachbarländer enger zusammen: Mit koordinierten Maßnahmen und einer gemeinsamen Strategie wollen die Staaten in der Region auf die Flüchtlingskrise reagieren. Ecuador lud 13 Länder aus Süd- und Mittelamerika zu einem Treffen in Quito ein. „Die verschiedenen Regierungen sollten zusammenarbeiten, um die Problematik besser zu verstehen und Informationen darüber auszutauschen, wie die jeweiligen Länder damit umgehen“, sagte der ecuadorianische Vizeminister für Einwanderung, Santiago Chávez.
An dem Treffen am 17. und 18. September sollen auch Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks und der Internationalen Organisation für Migration teilnehmen. Kolumbien forderte angesichts der Flüchtlingskrise einen Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen. Die Nachbarländer müssten gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um der Lage Herr zu werden, sagte der kolumbianische Außenminister Carlos Holmes Trujillo.
Wegen der schweren wirtschaftlichen und politischen Krise in Venezuela fliehen immer mehr Menschen aus dem südamerikanischen Land. Nach UN-Angaben haben bislang 2,3 Millionen Venezolaner in anderen Ländern Zuflucht gesucht. Das sind über sieben Prozent der Gesamtbevölkerung. Venezuelas Nachbarland Kolumbien hat bereits über 800.000 Menschen aufgenommen. Auch Ecuador registrierte in der vergangenen Woche viele Venezolaner an der Grenze von Kolumbien nach Ecuador – bis zu 3000 täglich. Als Folge müssen sie nun bei der Einreise nach Ecuador gültige Reisepässe vorlegen. Auch Peru will dies verlangen. Nur wenige Venezolaner besitzen Reisepässe, bisher konnten sie mit Personalausweisen einreisen.
Das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“spricht von der möglicherweise größten Fluchtbewegung in der Geschichte Lateinamerikas. Allerdings sind die selbst armen Anrainer mit der Integration der Geflüchteten zunehmend überfordert. In Brasilien kam es bereits zu fremdenfeindlichen Angriffen auf Venezolaner.
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) forderte eine Dringlichkeitssitzung des Ständigen Ausschusses des Staatenbundes. „Die Lage ist zum Verzweifeln“, sagte OAS-Generalsekretär Luis Almagro. Das einst reiche Land verfügt kaum noch über Devisen, um Lebensmittel, Medikamente oder Dinge des täglichen Bedarfs zu importieren.