Rheinische Post Erkelenz

Schon wieder Sachsen

Hat der Freistaat ein strukturel­les Problem mit rechtem Gedankengu­t? Im Pegida-Skandal rückt die Polizei erneut in den Fokus.

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN/DRESDEN Der Videoaussc­hnitt von dem Mann mit dem Deutschlan­dhut und der Sonnenbril­le verbreitet sich im Internet rasant. Da steht er am Rande einer Versammlun­g der Gruppierun­g „Patriotisc­he Europäer gegen die Islamisier­ung des Abendlande­s“(Pegida) und grölt „Lügenpress­e“in Richtung von ZDF-Reportern. Als diese ihn weiter filmen, verlangt er, dass die Kamera ausgeschal­tet wird, und beschwert sich schließlic­h bei der Polizei. Die setzt das Team 45 Minuten lang fest und kontrollie­rt die Presseausw­eise. Ein Vorgang, den Medienrech­tsexperten in der ZDF-Sendung „Frontal 21“als unverhältn­ismäßig einschätze­n.

Besonders brisant: Jetzt stellte sich heraus, dass der Mann beim Landeskrim­inalamt Sachsen beschäftig­t ist. Nach Informatio­nen von „Welt“und „Spiegel“ist Maik G. Buchprüfer für Wirtschaft­skriminali­tät, verfasst Gutachten für das LKA und tritt auch in Gerichtspr­ozessen auf. Ein Mann, der „Lügenpress­e“schreit? Sein Arbeitgebe­r will nun Maik G. anhören, aus der Politik kommen bereits Forderunge­n nach „dienstrech­tlichen Konsequenz­en“, etwa von Marco Wanderwitz, dem parlamenta­rischen Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um, Chef der sächsische­n CDU-Landesgrup­pe im Bundestag und Mitglied im Präsidium der sächsische­n Christdemo­kraten.

Sachsen, immer wieder Sachsen. Nicht nur die Vorkommnis­se rund um Kundgebung­en der fremdenund islamfeind­lichen Pegida-Gruppe oder der AfD haben wiederholt auch Politiker anderer Parteien sowie Institutio­nen des Freistaats in die rechte Ecke rücken lassen – zumindest in der öffentlich­en Wahrnehmun­g.

Jetzt steht wieder die Polizei im Fokus. Der Vorwurf ist nicht neu: Schon vorher wurde der Verdacht geäußert, die sächsische Polizei sei gegenüber Pegida deutlich nachsichti­ger als etwa gegenüber Linksaktiv­isten und Flüchtling­en. Im Februar 2016 sorgte ein Video für Aufregung. Es zeigt einen Beamten, der einen jungen Asylbewerb­er in den Polizeigri­ff nimmt, weil der sich weigerte, in Clausnitz aus einem Bus auszusteig­en, vor dem ein pöbelnder Mob stand. Nach Ausschreit­ungen zwischen 80 Rechtsextr­emen und 30 Flüchtling­en in Bautzen im September 2016 nannte der Polizeirev­ierleiter die Rechten „eventbeton­te Jugendlich­e“, im Oktober wünscht ein Beamter den Pegida-Anhängern „einen erfolgreic­hen Tag“. Und im Dezember 2017 sorgte die Anschaffun­g eines Polizeipan­zers für Aufregung, auf dessen Sitzen ein Logo der Spezialein­heit eingestick­t war, das stark an Symbole aus der NS-Zeit erinnerte.

Jürgen Kasek, Ex-Landeschef der Grünen in Sachsen, sieht tiefliegen­dere Probleme: „Viele Menschen, besonders aus dem linken Spektrum in Sachsen, haben Angst vor der Polizei“, sagte er unserer Redaktion. Sie würden keine Strafanzei­gen gegen Pegida-Anhänger oder Rechte stellen, weil sie Angst hätten, dass die Polizei ihre Daten an eben diese weitergibt. „Nicht die ganze Polizei in Sachsen sympathisi­ert mit den Rechten, sondern etwa 30 Prozent der Polizisten“, meint Kasek zu wissen. Bezogen auf den Vorfall in Dresden glaubt er auch nicht an einen Einzelfall. „Journalist­en in Dresden berichten immer wieder, dass sie von der Polizei an ihrer Arbeit gehindert wurden“, sagte er. „Viele Journalist­en fühlen sich von der Polizei bei Pegida-Demos nicht ausreichen­d beschützt“, so der Rechtsanwa­lt.

Bei der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) wehrt man sich gegen den Eindruck eines strukturel­len Problems

innerhalb der Behörde. „Ich habe keine Erkenntnis­se über einen sogenannte­n Sachsensum­pf und kein Verständni­s für den Begriff ,Pegizei‘“, sagte der Vize-Bundeschef der GdP, Jörg Radek. Die Polizei sei ein Querschnit­t der Gesellscha­ft. „Solange die AfD und Pegida nicht als klar verfassung­sfeindlich eingestuft sind, darf auch ein Polizeibes­chäftigter Anhänger dieser Partei und Gruppierun­g sein, dies jedoch vor dem Hintergrun­d des Mäßigungsg­ebots“, sagte er.

Gleichzeit­ig sieht er die Äußerungen von Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) kritisch, der kurz nach dem Einsatz die Polizei gelobt und die Journalist­en indirekt als nicht seriös bezeichnet hatte. Einsatzver­läufe seien oft komplex. „Herr Kretschmer hätte noch etwas abwarten sollen, bis der Sachverhal­t weitgehend aufgeklärt wurde“, sagte er und bezeichnet­e den Einsatz als „weniger geglückt“. Kretschmer selbst versprach Aufklärung, der politische Druck auf ihn aber wächst.

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SCREENSHOT: ZDF Der Mann mit dem Deutschlan­d-Hut: Szene von der Pegida-Demonstrat­ion in Dresden am 16. August.

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