Rheinische Post Erkelenz

Alle Augen Richtung Westen

Kanzlerin Angela Merkel trifft bei ihrer dreitägige­n Reise im Kaukasus in Georgien auf eine Staatsführ­ung, die alles auf eine Karte setzt: Europa.

- VON EVA QUADBECK

TIFLIS Die georgische­n Gastgeber haben für Kanzlerin Angela Merkel nicht nur ihre und die deutsche Flagge herausgeho­lt. Auch die europäisch­e Flagge steht bei der ersten Station von Merkels dreitägige­r Kaukasus-Reise bereit. Immerhin gibt es schon ein Assoziieru­ngsabkomme­n und Freihandel mit der EU. Die ehemalige Sowjetrepu­blik hat ein Ziel: den Westen. Wortreich und in vielen Varianten erklärt Ministerpr­äsident Mamuka Bachtadse nach seinem Treffen mit der deutschen Kanzlerin, dass sein Land Mitglied der EU und der Nato werden will – der Dolmetsche­r übersetzt: „euroatlant­ische Integratio­n“.

Doch die Schatten der Vergangenh­eit liegen noch über der 3,7 Millionen Einwohner zählenden Kaukasus-Repbulik. Die zwölfstöck­ige Regierungs­zentrale, in der Merkel und Bachtadse zusammenge­kommen sind, stammt aus sozialisti­schen Zeiten. Der wuchtige Bau wurde in den 80er Jahren für das Zentralkom­itee der Kommunisti­schen Partei errichtet. Nun kämpft der Regierungs­chef von hier aus um Aufmerksam­keit durch und Partnersch­aft mit dem Westen. Er bedankt sich bei der Kanzlerin für „ihre Unterstütz­ung im Zuge der georgische­n Souveränit­ät“. Wenn man unterstell­t, dass Dank eine besonders scharfe Form der Bitte ist, dann heißt seine Botschaft: Ohne Hilfe des Westens wird Russland auch in Zukunft 20 Prozent unseres Landes besetzt halten.

Merkel verspricht nur, die Ungerechti­gkeit nicht zu vergessen. 2008 hatten sich die Gebiete Abchasien und Südossetie­n mit Unterstütz­ung Russlands von Georgien losgesagt. Abgesehen von Russland, Venezuela, Nicaragua, Syrien und Nauru hat die internatio­nale Staatengeg­emeinschaf­t die Unabhängig­keit der Regionen nicht anerkannt. Das macht auch Merkel deutlich und bekennt sich zur territorri­alen Integrität des Landes. Am Freitag wird sie an die Grenzen der umstritten­en Gebiete reisen, in denen nach Aussagen des Ministerpr­äsidenten die Russen das Waffenstil­lstandsabk­ommen nicht einhalten.

In Wahrheit geht es nicht um das Land, sondern um Macht. Das Muster, nach dem Russland die ehemaligen Sowjetrepu­bliken behandelt, ist offensicht­lich: Machtpolit­isch und auch beim Wohlstands­niveau mag sich der russische Präsident Putin von den alten Gefolgslän­dern nicht übertrumpf­en lassen. Das erklärt in Teilen auch die vielen anderen ungelösten Konflikte und Gebietsstr­eitigkeite­n in der Region. Sie versperren den Zugang der ehemaligen Sowjetrepu­bliken zur Nato. Putin wird dafür sorgen, dass es so bleibt.

Das weiß auch Bachtadse, seine Rhetorik aber versprüht Zweckoptim­ismus für eine Integratio­n in die westlichen Bündnisse. Die Annäherung an die EU stellt bislang aus russischer Sicht keine ernsthafte Bedrohung dar, weil die Länder der östlichen Partnersch­aft längst nicht die Voraussetz­ungen für eine Aufnahme erfüllen. Auch Georgien nicht, das sich gern als Musterschü­ler im Kaukasus präsentier­t.

Die Türen zum Westen aber stehen für Georgien grundsätzl­ich offen. Das Land nutzt die Zeit auch, seine Verwaltung, sein Rechtssyst­em und die Bedingunge­n für ausländisc­he Investoren auf europäisch­e Standards zu bringen – mit Erfolg.

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