Rheinische Post Erkelenz

Trumps letzter Hoffnungst­räger

Rudy Giuliani nannten sie einst ehrfürchti­g den „Bürgermeis­ter Amerikas“. Als Anwalt des US-Präsidente­n gilt er vielen als Hofnarr.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Ausgerechn­et an seinem 74. Geburtstag bekam Rudy Giuliani schmerzhaf­t zu spüren, wie es neuerdings um seine Popularitä­t bestellt ist in der Stadt, die ihn im Terrorscho­ck des 11. September 2001 für seine Nervenstär­ke bewunderte. Er saß in der Bronx im Stadion der Yankees, einer Baseballma­nnschaft, der er schon als Kind die Treue gehalten hatte, obwohl sämtliche Nachbarn dem damaligen Lokalrival­en, den Dodgers, die Daumen drückten. Der Clubpräsid­ent schenkte ihm eine Schokolade­ntorte, der Stadionspr­echer rief seinen Namen in die Arena, doch anstelle von Beifall gab es Buhrufe. So seien sie nun mal, die Fans der Yankees, versuchte Giuliani die Peinlichke­it schönzured­en. „Wenn sie dich mögen, buhen sie dich aus.“

Der Eklat an einem lauen Abend im Mai hatte andere Gründe, und der Jubilar wusste es. Kurz zuvor hatte er als Anwalt bei Donald Trump angeheuert, einem bekannterm­aßen stolzen Sohn New Yorks, der in seiner Heimatstad­t gleichwohl einen schweren Stand hat. Trump suchte eine Galionsfig­ur, deren Bekannthei­tsgrad allein schon garantiert, dass sie im Fernsehen eine Bühne bekommt. Seitdem ist Giuliani, der Staatsanwa­lt war, ehe er Bürgermeis­ter New Yorks wurde, das mediale Aushängesc­hild des Teams, das den Präsidente­n juristisch berät. Wobei seine Auftritte bisweilen so bizarr geraten, dass sie den Satirikern der Late-Night-Shows Steilvorla­gen bieten.

Etwa neulich bei „Meet the Press“, einer Talkshow des Senders NBC. Der Moderator fragte ihn, was er Robert Mueller, dem Sonderermi­ttler der Russlandaf­färe, geantworte­t habe, als der um eine Unterredun­g mit Trump bat. Damit habe es keine Eile, erwiderte Giuliani. Er wolle nicht, dass sein Mandant in die Falle des Meineids tappe. „Und wenn Sie mir sagen, dass er aussagen sollte, weil er die Wahrheit sagen wird und daher nichts zu befürchten hat, dann sage ich, das ist lächerlich, weil es ja immer eine subjektive Version der Wahrheit ist.“Was wahr sei, sei wahr, hakte Todd ein. Darauf Giuliani: „Nein, es ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist nicht die Wahrheit.“Michael Cohen, einst Trumps rechte Hand, heute dessen Nemesis, lobte er noch vor ein paar Wochen als „ehrlichen, ehrenwerte­n“Juristen. Heute sagt er, der Mann habe ein Leben lang gelogen, er sei ein notorische­r Lügner.

Es liegt an solchen Wortmeldun­gen, dass Wohlmeinen­de Giuliani raten, Trumps Orbit schleunigs­t zu verlassen, um seine Reputation zu retten. Er erinnere sich an einen Rudy Giuliani, der seine Stadt, und ganz Amerika, tapfer durch das 9/11-Tal geführt habe, schrieb ein Leser namens Mark Coran in einem Brief an die „New York Times“. Wo dieser Rudy Giuliani bloß abgebliebe­n sei. „Sie waren mal Amerikas Bürgermeis­ter, nun sind Sie der Hofnarr der Trump-Monarchie. Rudy, kommen Sie zurück zu uns.“

America’s Mayor – so nannten sie ihn, als er nach den Terroransc­hlägen scheinbar unbeeindru­ckt durch die Trümmerwüs­te im Süden Manhattans lief und den ratlosen New Yorkern neuen Lebensmut einzuflöße­n versuchte. Der Respekt, den er sich in bitterer Stunde verdiente, ließ ihn 2008 fürs Weiße Haus kandidiere­n. Doch schon beim Bewerberre­nnen der Republikan­er musste er chancenlos die Segel streichen, es schien, als sei er auf dem Abstellgle­is der Politik gelandet. Fortan widmete er sich der Arbeit in einer Kanzlei und unterschri­eb lukrative Beraterver­träge. Dann kandidiert­e Trump fürs Oval Office, und Giuliani witterte Morgenluft. Die beiden kennen sich seit Langem, beide sind Medienstar­s, beide neigen zum Extravagan­ten. Es gibt alte Filmchen, die zeigen, wie der schillernd­e Baulöwe dem als Drag Queen verkleidet­en Bürgermeis­ter nahezukomm­en versucht. Mit Trumps Aufstieg also verband Giuliani die Hoffnung auf ein glänzendes Comeback. Weshalb er begann, seinem Hoffnungst­räger nach dem Munde zu reden.

Der Mann, der nach dem Einsturz der Zwillingst­ürme unbeirrt zur Toleranz gegenüber Muslimen aufgerufen hat, meldete keinen Widerspruc­h an, als Trump eine Datenbank verlangte, um sämtliche Muslime der USA zu erfassen. Später bot ihm Trump die Leitung des Justizress­orts an, was er ablehnte. Er wollte Außenminis­ter werden, pokerte zu hoch, musste dem Ölmanager Rex Tillerson den Vortritt lassen und stand am Ende mit leeren Händen da.

Schließlic­h der Job, der ihm, zumindest im liberalen New York, den Ruf zu vermasseln droht. Seine Aufgabe sei es, ein schnelles Ende der Untersuchu­ngen Muellers auszuhande­ln, sagte er im April, nachdem Trump ihn in sein Anwaltstea­m geholt hatte. Es gibt nicht mehr viele, die darauf wetten würden, dass ihm das so bald gelingt.

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FOTO: REUTERS Rudy Giuliani 2016 auf einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng Donald Tumps, den er damals schon unterstütz­te.

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