Trumps letzter Hoffnungsträger
Rudy Giuliani nannten sie einst ehrfürchtig den „Bürgermeister Amerikas“. Als Anwalt des US-Präsidenten gilt er vielen als Hofnarr.
WASHINGTON Ausgerechnet an seinem 74. Geburtstag bekam Rudy Giuliani schmerzhaft zu spüren, wie es neuerdings um seine Popularität bestellt ist in der Stadt, die ihn im Terrorschock des 11. September 2001 für seine Nervenstärke bewunderte. Er saß in der Bronx im Stadion der Yankees, einer Baseballmannschaft, der er schon als Kind die Treue gehalten hatte, obwohl sämtliche Nachbarn dem damaligen Lokalrivalen, den Dodgers, die Daumen drückten. Der Clubpräsident schenkte ihm eine Schokoladentorte, der Stadionsprecher rief seinen Namen in die Arena, doch anstelle von Beifall gab es Buhrufe. So seien sie nun mal, die Fans der Yankees, versuchte Giuliani die Peinlichkeit schönzureden. „Wenn sie dich mögen, buhen sie dich aus.“
Der Eklat an einem lauen Abend im Mai hatte andere Gründe, und der Jubilar wusste es. Kurz zuvor hatte er als Anwalt bei Donald Trump angeheuert, einem bekanntermaßen stolzen Sohn New Yorks, der in seiner Heimatstadt gleichwohl einen schweren Stand hat. Trump suchte eine Galionsfigur, deren Bekanntheitsgrad allein schon garantiert, dass sie im Fernsehen eine Bühne bekommt. Seitdem ist Giuliani, der Staatsanwalt war, ehe er Bürgermeister New Yorks wurde, das mediale Aushängeschild des Teams, das den Präsidenten juristisch berät. Wobei seine Auftritte bisweilen so bizarr geraten, dass sie den Satirikern der Late-Night-Shows Steilvorlagen bieten.
Etwa neulich bei „Meet the Press“, einer Talkshow des Senders NBC. Der Moderator fragte ihn, was er Robert Mueller, dem Sonderermittler der Russlandaffäre, geantwortet habe, als der um eine Unterredung mit Trump bat. Damit habe es keine Eile, erwiderte Giuliani. Er wolle nicht, dass sein Mandant in die Falle des Meineids tappe. „Und wenn Sie mir sagen, dass er aussagen sollte, weil er die Wahrheit sagen wird und daher nichts zu befürchten hat, dann sage ich, das ist lächerlich, weil es ja immer eine subjektive Version der Wahrheit ist.“Was wahr sei, sei wahr, hakte Todd ein. Darauf Giuliani: „Nein, es ist nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist nicht die Wahrheit.“Michael Cohen, einst Trumps rechte Hand, heute dessen Nemesis, lobte er noch vor ein paar Wochen als „ehrlichen, ehrenwerten“Juristen. Heute sagt er, der Mann habe ein Leben lang gelogen, er sei ein notorischer Lügner.
Es liegt an solchen Wortmeldungen, dass Wohlmeinende Giuliani raten, Trumps Orbit schleunigst zu verlassen, um seine Reputation zu retten. Er erinnere sich an einen Rudy Giuliani, der seine Stadt, und ganz Amerika, tapfer durch das 9/11-Tal geführt habe, schrieb ein Leser namens Mark Coran in einem Brief an die „New York Times“. Wo dieser Rudy Giuliani bloß abgeblieben sei. „Sie waren mal Amerikas Bürgermeister, nun sind Sie der Hofnarr der Trump-Monarchie. Rudy, kommen Sie zurück zu uns.“
America’s Mayor – so nannten sie ihn, als er nach den Terroranschlägen scheinbar unbeeindruckt durch die Trümmerwüste im Süden Manhattans lief und den ratlosen New Yorkern neuen Lebensmut einzuflößen versuchte. Der Respekt, den er sich in bitterer Stunde verdiente, ließ ihn 2008 fürs Weiße Haus kandidieren. Doch schon beim Bewerberrennen der Republikaner musste er chancenlos die Segel streichen, es schien, als sei er auf dem Abstellgleis der Politik gelandet. Fortan widmete er sich der Arbeit in einer Kanzlei und unterschrieb lukrative Beraterverträge. Dann kandidierte Trump fürs Oval Office, und Giuliani witterte Morgenluft. Die beiden kennen sich seit Langem, beide sind Medienstars, beide neigen zum Extravaganten. Es gibt alte Filmchen, die zeigen, wie der schillernde Baulöwe dem als Drag Queen verkleideten Bürgermeister nahezukommen versucht. Mit Trumps Aufstieg also verband Giuliani die Hoffnung auf ein glänzendes Comeback. Weshalb er begann, seinem Hoffnungsträger nach dem Munde zu reden.
Der Mann, der nach dem Einsturz der Zwillingstürme unbeirrt zur Toleranz gegenüber Muslimen aufgerufen hat, meldete keinen Widerspruch an, als Trump eine Datenbank verlangte, um sämtliche Muslime der USA zu erfassen. Später bot ihm Trump die Leitung des Justizressorts an, was er ablehnte. Er wollte Außenminister werden, pokerte zu hoch, musste dem Ölmanager Rex Tillerson den Vortritt lassen und stand am Ende mit leeren Händen da.
Schließlich der Job, der ihm, zumindest im liberalen New York, den Ruf zu vermasseln droht. Seine Aufgabe sei es, ein schnelles Ende der Untersuchungen Muellers auszuhandeln, sagte er im April, nachdem Trump ihn in sein Anwaltsteam geholt hatte. Es gibt nicht mehr viele, die darauf wetten würden, dass ihm das so bald gelingt.