Rheinische Post Erkelenz

KZ-Aufseher gab sich als NS-Opfer aus

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Jakiw Palij hat sich so offenbar nach dem Zweiten Weltkrieg Leistungen erschliche­n.

MÜNCHEN (epd) Der aus den USA nach Deutschlan­d abgeschobe­ne frühere KZ-Aufseher Jakiw Palij hat sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Hilfeleist­ungen für NS-Opfer erschliche­n. Der heute 95-Jährige hielt sich in sogenannte­n DP-Camps für von den Nazis verschlepp­te und verfolgte Menschen auf und erhielt Unterstütz­ung für seine Auswanderu­ng in die USA, wie das Archiv des Internatio­nalen Suchdienst­es in Bad Arolsen (ITS) bestätigte. Über den Fall hatte zuerst die „Bild“-Zeitung berichtet.

Palij soll unter anderem in DP-Lagern in Bamberg und im Resettleme­nt Center in Schweinfur­t gewesen sein. Laut Unterlagen des ITS-Archivs hat Palij seine SS-Zugehörigk­eit offenbar verschwieg­en und sich so Hilfeleist­ungen erschliche­n. Der Leiter der ITS-Abteilung Forschung und Bildung, Henning Borggräfe, sagte der „Bild“, die Alliierten hätten Palij als „Displaced Person“(DP) anerkannt und seine Emigration unterstütz­t: „Unterlagen zum Anerkennun­gsverfahre­n liegen nicht vor, so dass unklar bleibt, wie er sich gegenüber den alliierten Hilfsorgan­isationen zu seiner Vergangenh­eit während des Zweiten Weltkriegs geäußert hatte.“

Borggräfe sagte, es sei wahrschein­lich „nicht allzu schwer gewesen“, nach Kriegsende die Seiten zu wechseln und sich statt als KZ-Aufseher als NS-Opfer auszugeben. Grundlagen für die Anerkennun­gsverfahre­n der alliierten Hilfsorgan­isationen seien ausgefüllt­e Fragebögen und Befragunge­n gewesen. „Danach wurde das Ganze auf Plausibili­tät geprüft und entschiede­n“, sagt der Experte.

Es sei gut denkbar, dass unter den anerkannte­n DPs „auch einige Tausend Menschen mit fragwürdig­er Vergangenh­eit waren“, etwa aus den Baltikum-Verbänden, die mit der Wehrmacht kämpften. Borggräfe betonte, dies sei nicht als Anschuldig­ung zu verstehen: „Die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg war extrem unübersich­tlich. Die Menschen hatten entweder gar keine Papiere oder welche, die leicht gefälscht werden konnten.“Es sei kaum überprüfba­r gewesen, ob ein Mensch aus der Ukraine NS-Opfer oder KZ-Aufseher gewesen sei. Anders als Mitglieder der Waffen-SS, die eine Blutgruppe­ntätowieru­ng hatten, habe man SS-Hilfstrupp­en ihre Mitgliedsc­haft äußerlich nicht nachweisen können, erklärte er.

Seit seiner Abschiebun­g nach Deutschlan­d am Dienstag wird Palij vom Land Nordrhein-Westfalen untergebra­cht und versorgt. In Deutschlan­d laufen gegen ihn zurzeit aber keine Ermittlung­en, wie die Zentrale Stelle der Landesjust­izverwaltu­ngen zur Aufklärung nationalso­zialistisc­her Verbrechen in Ludwigsbur­g erklärte. Die Staatsanwa­ltschaft Würzburg hatte in der Vergangenh­eit schon einmal gegen Palij ermittelt, das Verfahren aber aus Mangel an Beweisen eingestell­t.

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