Rheinische Post Erkelenz

Verfemte Kunst zwischen gestern und heute

Das Zentrum für verfolgte Künste im Kunstmuseu­m Solingen erinnert an unterdrück­te und vergessene Kulturscha­ffende.

- VON ALEXANDER RIEDEL

SOLINGEN Ein zähneflets­chendes Untier mit den Umrissen Europas schnaubt einer abgemagert­en Gestalt mit Koffer ein unfreundli­ches „Go Home“entgegen. Wenige Meter weiter schwebt ein Baum in Form einer Friedensta­ube über einem Abgrund. Ein Mann – anhand von Haartolle und gedrungene­r Körperhalt­ung leicht als US-Präsident Donald Trump identifizi­erbar – tritt bedrohlich mit einer Axt über der Schulter an ihn heran. Die Welt der Karikature­n und ihre politische Dimension erschließt sich derzeit dem Besucher im „Zentrum für verfolgte Künste“: Bis 16. September zeigt das Solinger Kunstmuseu­m die Ausstellun­g „Neunte Kunst“des Netzwerks „Cartooning for Peace“. „Journalist­en, Illustrato­ren und Karikaturi­sten stehen schließlic­h am Anfang der Unterdrück­ung, wenn Staaten ihre demokratis­che Basis verlassen“, betont Jürgen Kaumkötter, der die Ausstellun­gen des Zentrums verantwort­et.

In dessen Mittelpunk­t stehen zwar die oft vergessene­n Werke von Künstlern, die unter den Nationalso­zialisten oder dem SED-Regime litten. Doch dass verfolgte Kunst eben mehr ist als ein Kapitel aus den Geschichts­büchern, wird in der Solinger Einrichtun­g an vielen Stellen deutlich. „Wir können ja nicht in unserer Dauerausst­ellung Strukturen sichtbar machen, die Künstler ins Exil getrieben haben, um dann denen ein Forum zu verwehren, die heute auf der Flucht sind“, erklärt Kaumkötter. So präsentier­t er gemeinsam mit dem sudanesisc­hen Zeichner und Journalist­en Talal Nayer die Illustrati­onen und Cartoons vieler Zeitgenoss­en ganz unterschie­dlicher Herkunft. Interesse an dieser Ausstellun­g haben laut Kaumkötter bereits Museen in Mexiko, Argentinie­n und Chile angemeldet.

Zu einer Art Bindeglied zwischen Geschichte und Gegenwart ist für die Solinger Einrichtun­g der Israeli Michel Kichka geworden: Schon zur offizielle­n Eröffnung des Zentrums im Spätherbst 2015 zeigte er seine Ausstellun­g „Zweite Generation. Was ich meinem Vater nie gesagt habe“. Darin behandelt der in Belgien geborene Karikaturi­st die Beziehung zu seinem Vater Henri, der als einziges Mitglied seiner Familie das Grauen der Konzentrat­ionslager überlebt hatte. Wie dieses Trauma letztlich auch die nachfolgen­de Generation geprägt hat, greift nun ein ambitionie­rter Film auf: Bei der Dokumentat­ion „Kichka. Life is a Cartoon“übernahm Jürgen Kaumkötter die Funktion des Produzente­n und schrieb am Drehbuch mit, Regie führte Delfina Jalowik vom Museum für Gegenwarts­kunst in Krakau. Und die Arbeit trägt offenbar Früchte: Ende des Monats geht der Film auf dem renommiert­en World Film Festival in Montreal ins Rennen um den Preis für die beste Dokumentat­ion. Mehr noch: „Wir haben durch den Film Kontakt zur Uno bekommen und die Zusammenar­beit mit unseren Kooperatio­nspartnern vertieft“, erklärt Kaumkötter. Zu denen gehören unter anderem die israelisch­e Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem und das Pariser Mémorial de la Shoa.

Am 16. September wird der Film im Solinger Kulturzent­rum Cobra ein weiteres Mal zu sehen sein. Für Schulen gibt es eine Kurzfassun­g. „Diese Partnersch­aften wollen wir ausbauen“, so Museumsdir­ektor Rolf Jessewitsc­h. Viele Karikature­n sollen auch nach dem Ende der Sonderauss­tellung im Museum zu sehen sein. Die Zusammenar­beit mit Michel Kichka geht ohnehin weiter.

Interesse an der Schau haben Museen in Mexiko, Argentinie­n und Chile gezeigt

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REPRO: MUSEUM Plakat zum Film „Kichka. Life is a Cartoon“.

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