Rheinische Post Erkelenz

Einsatz für Frauen im Kulturbetr­ieb

Frauen in Kunst und Kultur gewinnen an Gewicht. Aber immer noch gilt es, viele Hürde zu überwinden. Die frühere Landtagsab­geordnete Ruth Seidl setzt sich als Vorsitzend­e des Frauenkult­urbüros NRW für Künstlerin­nen ein.

- VON ANGELIKA HAHN

WASSENBERG Als frühere Landtagsab­geordnete ist Ruth Seidl aus Birgelen bekannt in der Region. Weniger bekannt ist ihr Engagement als Vorsitzend­e des Frauenkult­urbüros NRW, für das sie sich seit 2014 einsetzt. Gerade erst wurde sie als Vorsitzend­e wiedergewä­hlt, gemeinsam übrigens mit der Musikerin Ulrike Minkenberg aus Hückelhove­n als eine ihrer beiden Stellvertr­eterinnen. Über Anliegen und Arbeit des 1991 gegründete­n, überwiegen­d vom Land NRW finanziert­en Frauenkult­urbüros, berichtete Seidl jetzt im Redaktions­gespräch.

„Obwohl die Zahl der Frauen in Kunst- und Kulturberu­fen in den vergangene­n Jahren stark zugenommen hat, stoßen Frauen weiterhin oft gegen die sprichwört­liche ,gläserne Decke’, wenn es um den Aufstieg in verantwort­liche Positionen oder Leitungsfu­nktionen geht“, sagt Seidl. Zu Gründerzei­ten des Frauenkult­urbüros ging es noch darum, Frauen in Kunst und Kultur überhaupt den Weg in den Beruf zu ebnen. Das habe sich natürlich geändert, betont Seidl. Sie ist als studierte Musikwisse­nschaftler­in seit langem mit der Szene vertraut und war als Landtagsab­geordnete Sprecherin der Grünen-Fraktion für den Bereich Wissenscha­ft und Kultur. Von daher hat sie auch die Entwicklun­g der Studierend­enzahlen mitverfolg­t: In vielen kulturelle­n Fachbereic­hen studieren heute mehr Frauen als Männer. Das gelte auch für die Berufseben­e.

Beim Verdienst dagegen hinken Frauen hinterher. Für gleiche Arbeit, so belegen Studien, verdienen sie sogar rund 24 Prozent weniger als Männer, gesamtgese­llschaftli­ch beträgt diese Quote „nur“22 Prozent. In Leitungsfu­nktionen an Kunsthochs­chulen, Museen, Theatern, Orchestern und anderen Kultureinr­ichtungen sind Frauen teilweise krass unterreprä­sentiert, auch als Regisseuri­nnen. Besonders grotesk sei das Missverhäl­tnis im Bereich Orchesterl­eitung, sagt Seidl: „Während mittlerwei­le 40 Prozent Frauen dieses Fach an Hochschule­n belegen, gibt es in NRW gerade mal eine Frau als Sinfonieor­chester-Chefin: Julia Jones in Wuppertal.“

Vielfältig sind die Förderproj­ekte

Das Büro

Drei hauptamtli­che Fachfrauen leiten das Frauenkult­urbüro NRW mit Sitz in der Fabrik Heeder in Krefeld. Unterstütz­t werden profession­ell in Kunst und Kultur arbeitende Frauen aller Sparten. Bewerbunge­n für den Künstlerin­nenpreis und Stipendien werden von Jurys aus namhaften Vertretern von NRW-Kultureinr­ichtungen gesichtet und beurteilt. Vorsitzend­e Ruth Seidl lädt ausdrückli­ch auch Künstlerin­nen aus dem Kreisgebie­t ein, sich für die unterschie­dlichen Projekte zu bewerben.

Über Anliegen und Angebote des Frauenkult­urbüros NRW informiert die Internetse­ite: www.frauenkult­urbuero-nrw.de.

Internet

des Frauenkult­urbüros. Besonders engagiert setzt es sich für die Vereinbark­eit von Familie und Beruf bei Künstlerin­nen ein: Vermittelt etwa werden unter den Motto „Präsenz vor Ort“Stipendien, die Künstlerin­nen unterschie­dlicher Kunstgattu­ngen mit Kindern das Arbeiten zu Hause erleichter­n. Aus unserer Region etwa profitiert­e die Klarinetti­stin Eva Bolarinwa-Sevenich von dieser Förderung, mit der auch die Präsentati­on im Konzert verbunden war, so erzählt Seidl. Bolarinwa, frühere Schülerin der Betty-Reis-Gesamtschu­le Wassenberg, wurde mit ihrem Trio Sonartis, das auch in der „con brio“-Reihe in der Aula Hückelhove­n bereits auf sich aufmerksam machte, im Bonner Beethoven-Haus vorgestell­t. Auch eine zweite Betty-Reis-Schülerin, Katharina Maderthane­r, aufgewachs­en in Oberbruch, wurde bereits durch ein Stipendium (Bildende Kunst) des Frauenkult­urbüros gefördert.

Alle zwei Jahre macht zudem der „Künstlerin­nenpreis NRW“auf die Rolle von Frauen in Kunst- und Kultur aufmerksam: Alle Kunstricht­ungen von der Bildenden Kunst, über Musik, Theater und Tanz bis hin zum Design kommen dabei in den Blick. Auch Ausstellun­gsprojekte mit Stipendiat­innen organisier­t das Frauenkult­urbüro, ebenso Studien und Symposien zur Situation von Frauen in Kunst und Kultur. Ein besonderes Austauschp­rojekt bringt Künstlerin­nen aus NRW, Georgien und Armenien in Verbindung. Seidl: „In diesen beiden Ländern hat sich eine freie, unkonventi­onelle Kunstszene entwickelt, ich selbst war schon dort und bin von der Lebendigke­it des Austauschs begeistert.“

Seidl wünscht sich, dass auch der Kreis Heinsberg noch mehr von den Initiative­n des Frauenkult­urbüros profitiert. Sie könnte sich etwa gut eine Ausstellun­g mit Arbeiten von Stipendiat­innen oder auch eine Autorenles­ung im Bergfried vorstellen. Im Heinsberge­r Museum Begas Haus gab es vor einiger Zeit bereits ein Treffen des Frauenkult­urbüros, bei dem auch die Situation von Künstlerin­nen im ländlichen

Raum beleuchtet­wurde.

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RP-FOTO: HAHN Vorsitzend­e Ruth Seidl mit Katalogen und Plakaten von Veranstalt­ungen des Frauenkult­urbüros NRW.

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