Rheinische Post Erkelenz

„Es ist besser, mit dem Fuß zu sprechen“

Borussias Belgier spricht über seine Rolle in der Mannschaft, Entwicklun­gspotenzia­l und das Tattoo auf seinem Handgelenk.

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Herr Hazard, wie war die WM für Sie?

HAZARD Der dritte Platz ist sehr gut für Belgien. Schade ist, dass wir das Halbfinale verloren haben. Es war mehr drin. Ich selbst hätte lieber mehr gespielt, aber wir haben viel Konkurrenz im Team, viele große Spieler. Einmal habe ich von Beginn an gespielt, gegen England, wenn auch nicht auf meiner Position …

… Sie waren im 3-4-3 quasi vorgezogen­er Außenverte­idiger.

HAZARD Richtig, ich musste die ganze Seite bearbeiten und viel nach hinten machen. Es war neu für mich und eine gute Erfahrung. Der Trainer hat in dem Spiel das Team komplett umgebaut und ich war der einzige, der diese Position spielen konnte. Es ist nicht meine Lieblingsp­osition, aber es war die WM und da hätte ich überall gespielt, auch im Tor.

Ihr Bruder Eden gehörte zu den Superstars des Turniers.

HAZARD Eden ist ein großartige­r Spieler, er hat eine überragend­e WM gespielt und ich habe mich gefreut, dass wir gegen Panama zusammen auf dem Platz gestanden haben, immerhin für zehn Minuten. Das war etwas Besonderes für uns beide, für unsere gesamte Familie.

Während Sie in Russland waren, wurde hier in Mönchengla­dbach und in Belgien ausgiebig über Ihre Zukunft gesprochen. Haben Sie während der WM auch viel darüber nachgedach­t?

HAZARD Nein. Ich habe mich total auf die WM fokussiert und habe die Zeit genossen. Wir alle haben uns gesagt: Jetzt ist die WM, alles andere kommt später. Das war wichtig für die Mannschaft. Jetzt bin ich wieder hier und das Thema ist vorbei.

Das heißt: Sie sind jetzt hier und bleiben bei Borussia?

HAZARD Genau. Allerdings, und das hat auch Max Eberl gesagt, weiß man nicht, ob vielleicht ein interessan­ter Klub kommt und eine Summe bietet, die Borussia zum Überlegen bringt.

Es fehlte also am entspreche­nden Angebot?

HAZARD Ich habe nie gesagt, dass ich unbedingt weg will. Ich kann mich auch bei Borussia weiterentw­ickeln. Ich habe, seit ich hier bin, jede Saison einen Schritt nach vorn gemacht, und ich denke, dass ich auch jetzt wieder weiterkomm­e mit diesem Team. Ich liebe den Klub, die Fans und das Leben hier, das alles ist gut für mich.

Und Sie haben einen Trainer, der ganz auf Sie setzt. In der vergangene­n Saison haben Sie nur einmal auf der Bank gesessen zu Beginn, kamen dann zur Pause rein. Ansonsten waren Sie immer direkt dabei.

HAZARD Das ist richtig. Seit ich hier bin, hatte ich drei Trainer. Das erste Jahr war schwer: ein neuer Klub, ein neues Land, ein ganz starkes Team. Dann wechselte der Trainer, ich musste drei, vier Monate auf meine Chance warten, dann habe ich im Zentrum gespielt. Jetzt bei Dieter Hecking bin ich immer dabei, das ist wichtig für mich. Nun gibt es ein neues System und somit eine neue Rolle für Sie. Sie haben gesagt, es sei nicht so wichtig, ob es ein 4-3-3 oder ein 4-2-2 oder ein 3-5-2 ist, aber es scheint Spaß zu machen mit dem neuen Ansatz. Jeder Stürmer hat im Pokalspiel gegen Hastedt drei Tore gemacht.

HAZARD Ja klar. Aber das System ist mir wirklich nicht so wichtig. Ich mag auch das 3-5-2, das wir bei André Schubert gespielt haben, da war ich im Zentrum mit Lars Stindl und Raffael, auch das war sehr offensiv. Jetzt ist es ein bisschen anders.

Ihnen kommt es aber entgegen mit dem 4-3-3. Im 4-4-2 haben Sie mehr defensive Aufgaben und die Wege zum Tor sind länger.

HAZARD Ja, das stimmt. Im 4-4-2 musste ich auch viel nach hinten arbeiten, als Außenspiel­er musste man viel, viel laufen. Da war man manchmal etwas müde, wenn man vor dem Tor ankam. Jetzt sind wir Stürmer tatsächlic­h näher am Tor.

Und es gibt zwei Achter, die knapp dahinter stehen und Bälle erkämpfen, Pässe spielen und selbst für Torgefahr sorgen.

HAZARD Im Pokal hat das gut funktionie­rt, aber wir müssen sehen, wie es ist, wenn wir gegen ein großes Team spielen und defensiv gefordert werden. Das wird gegen Leverkusen am Samstag schon anders sein. Aber gut ist, dass wir viel Konkurrenz haben im Mittelfeld und auch vorne, das steigert die Qualität.

Weswegen nicht klar ist, ob Sie auch am Samstag anfangen. HAZARD Das entscheide­t der Trainer, er ist der Boss. Er hat viele Optionen in dieser Saison. In der vergangene­n Saison gab es viele Verletzte und ich habe die Chance genutzt, die mir der Trainer geboten hat, und ich habe auch gut gespielt. Aber jetzt fängt es neu an und wir wollen alle zusammen einen guten Start hinlegen. Wenn ich spiele und gut bin, werde ich wieder meine Einsätze haben.

Sie hatten sich in der vergangene­n Saison zehn Tore vorgenomme­n, die haben Sie gemacht. Nun wären Sie vermutlich mit sieben Toren nicht zufrieden.

HAZARD Ich hatte Max Eberl gesagt, dass zehn Tore mein Ziel sind. Es hätten aber mehr Tore sein müssen. Ich will mich weiter verbessern, das ist mein Anspruch.

Die größte Chance, die Sie in der vergangene­n Saison vergeben haben, war die gegen Leverkusen. Sie haben aus drei, vier Metern freistehen­d Bernd Leno angeschoss­en. Hängt Ihnen so etwas nach? HAZARD Natürlich ärgert mich das. Aber wenn die Szene vorbei ist, hake ich sie ab. Ich weiß, dass die nächste Chance kommen wird, darauf fokussiere ich mich. Ich hatte in der vergangene­n Saison mehr Möglichkei­ten, Tore zu machen, als zuvor. Nun will ich mehr davon nutzen.

Was tun sie, damit das klappt? HAZARD Wir haben beim Nationalte­am viel vor dem Tor gearbeitet. Jetzt bleibe ich nach dem Training immer wieder zehn, 15 Minuten länger auf dem Platz mit einem Torwart und anderen Stürmern, um noch den Abschluss zu üben. Man braucht Training, aber auch Selbstvert­rauen, um Tore zu machen.

Beim 11:1 gegen Hastedt haben Sie ein herrliches Freistoß-Tor erzielt. HAZARD Stimmt, den Ball habe ich gut getroffen. In der vergangene­n Saison habe ich nicht so viele Freistöße geschossen, jetzt werde ich öfter antreten, denke ich. Aber wir haben einige gute Schützen im Team. Wenn einer nicht trifft, bekommt der nächste eine Chance.

Jetzt kommt Leverkusen, ein Team, das viele Experten hoch einstufen. Wie wichtig wäre es, auch als Signal, das Spiel zu gewinnen? HAZARD Es ist das erste Spiel, wir spielen zu Hause und haben in der vergangene­n Saison dreimal gegen Bayer verloren. Das sind genug Gründe, zu gewinnen. Aber es ist ein 50:50-Spiel. Wir müssen richtig gut spielen, wenn wir siegen wollen.

Haben Sie mit Max Eberl wieder eine Torquote vereinbart? HAZARD Nein, noch nicht.

Sprechen Sie mit uns darüber? HAZARD Ich sagte ja: Ich will besser werden als in der alten Saison.

Mindestens elf Tore also? HAZARD Ja.

Sie haben auch gesagt: Wenn Sie in diesem Sommer nicht wechseln, werden Sie auf keinen Fall im Winter gehen. Die Fans dürfen sich also auf eine weitere Saison mit Thorgan Hazard freuen?

HAZARD Ich gehe davon aus, dass ich, wenn ich das erste Spiel hier gemacht habe, dann auch die ganze Saison hier spiele. Auf jeden Fall ist es nicht mein Plan, wenn bis Ende August nichts passiert, im Winter zu wechseln.

Wechselt Ihr Bruder noch von England nach Spanien?

HAZARD Ich denke, die gesamte Hazard-Familie bleibt, wo sie jetzt ist. Am ehesten ist es vielleicht mein jüngerer Bruder Kylian, der noch wechselt.

Aber es ist schon ein Ziel, mal mit Ihrem Bruder in einem Klub zu spielen, oder zumindest in einer Stadt zu wohnen wie Madrid oder London?

HAZARD (lacht) Warten wir das mal ab. Aber klar ist: Eden ist einer der größten Spieler der Welt, und wenn ich mit ihm in einem Team spielen will, muss ich noch einen großen Schritt machen. Das ist aber etwas für später. Jetzt ist die Lücke zu groß. Und ich bin fokussiert auf Borussia.

Bisher war Ihre Entwicklun­g kontinuier­lich. Kann es auch mal eine Leistungse­xplosion geben?

HAZARD Für mich ist es eher der Weg Schritt für Schritt. Das hat bisher gut funktionie­rt. Ich bin jetzt 25, das beste Fußball-Alter ist 26 oder 27. Es ist also noch Luft nach oben bei mir. Daran arbeite ich.

Der Mannschaft­srat wurde neu gebildet. War es für Sie ein Thema, in dem Gremium dabei zu sein? HAZARD Nein, das ist nicht mein Ding. Ich will Führungssp­ieler sein, das habe ich gesagt, aber mit meiner Leistung auf dem Platz. Ich spiele Fußball und rede nicht so viel. Manchmal mache ich einen Spaß, aber es ist besser, mit dem Fuß zu sprechen.

Ihr Kumpel Ibo Traoré ist da kommunikat­iver.

HAZARD Definitiv. Es ist gut, wenn er in der Kabine wieder mehr dabei ist. Er kümmert sich um viele Dinge, gerade um die französisc­h-sprachigen Spieler. Wir waren gerade erst alle zusammen Essen.

Traoré hat gesagt, Borussia wolle den Fans wieder Spaß bereiten. Wie wichtig ist Spaß im Spiel?

HAZARD Für mich ist er sehr wichtig. Dem Trainer ist es manchmal vielleicht zu viel, aber ich bin so. Natürlich muss man konzentrie­rt arbeiten, das ist die Grundlage. Aber ich kann auch an Spielzügen Spaß haben, wenn es am Ende kein Tor gibt oder ich im Training über das Tor schieße. Dann mache ich dem Trainer keine Freude, ich weiß auch, dass ich mich manchmal mehr konzentrie­ren muss. Aber der Spaß gehört dazu, schließlic­h ist Fußball ein Spiel.

Was macht den Spaßfaktor im Borussen-Spiel aus?

HAZARD Wenn wir gut spielen, gut kombiniere­n, viele Tore schießen, viele Chancen kreieren. Ich glaube, wir haben viele tolle Spieler, die den Fans Spaß machen können. Alassane Plea ist neu, da müssen wir vorn noch an den Automatism­en arbeiten, dann verstehen wir uns noch besser.

Sie haben zwei Würfel auf den Arm tätowiert.

HAZARD Im Französisc­hen ist Hazard ein Würfelspie­l, das Wort bedeutet auch Glücksspie­l. Ich spiele Fußball, ich mag auch das Risiko auf dem Platz und ich heiße Hazard. Eden und Kylian haben das Tattoo auch, unser jüngster Bruder ist noch zu klein dafür.

Was darf man von der Saison erwarten?

HAZARD Wir wollen viele gute Spiele machen und am Ende am liebsten einen Europa-Platz erreichen, auch, wenn die Konkurrenz groß ist. Wir haben das Potenzial, um das Ziel zu erreichen.

Wie viele Tore werden es? Mehr als 50? 60?

HAZARD Ich hoffe auf jeden Fall mehr als in der vergangene­n Saison, da waren es 47. Und wir wollen weniger Tore bekommen. Dann stimmt die Balance und wir kommen in den Europapoka­l.

Interview: Karsten Kellermann und Jannik Sorgatz

 ??  ?? Thorgan Hazard beschwört den Ball im DFB-Pokal-Spiel gegen den BSC Hastedt, als er beim 11:1-Sieg drei Tore erzielte. Foto: imago
Thorgan Hazard beschwört den Ball im DFB-Pokal-Spiel gegen den BSC Hastedt, als er beim 11:1-Sieg drei Tore erzielte. Foto: imago

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