Rheinische Post Erkelenz

Smarte Luft vom Niederrhei­n

Ein neues Gesetz machte vor zehn Jahren den Weg frei für die Gründung von Multicross. Heute verbaut das Emmericher Unternehme­n Lüftungsan­lagen überall in Europa – und profitiert von der jungen Firmengesc­hichte.

- VON ALEXANDER TRIESCH

EMMERICH Frank Reimann erinnert sich noch gut an den 7. August 2008. Der Donnerstag war einer der heißesten Tage des Jahres und in Berlin hatte der Bundestag mitten in der Sommerpaus­e das Erneuerbar­e-Energien-Wärmegeset­z, kurz EEWärmeG, beschlosse­n. Reimann, heute 49 Jahre alt und seit 1995 in der Branche tätig, rief sofort einen Kollegen an, machte ihm einen Vorschlag. Der willigte ein. Und plötzlich

„Wir haben am Anfang gar nicht auf den Markt geschaut. Wir haben einfach gemacht“Frank Reimann Geschäftsf­ührer Multicross

war Multicross geboren – keine Sportart, wie man glauben könnte, sondern ein Unternehme­n, das Lüftungssy­stemen entwickelt. Nicht für den Hausgebrau­ch, sondern hocheffizi­ente Anlagen für Verkaufsha­llen, ausgestatt­et mit dem Prinzip Wärmerückg­ewinnung. Alles made in Emmerich am Rhein.

„Ich kannte die Branche gut“, sagt Reimann. „Ich wusste, es gibt keine Anbieter, die die neuen Vorgaben des Bundes zu hundert Prozent erfüllen.“Er wusste auch: Aus dem neuen Gesetz kann man Kapital schlagen. Also verkaufte Reimann alte Firmenante­ile und nahm einen Förderkred­it für Unternehme­r auf. Heutet leitet er die Firma zusammen mit dem Maschinenb­auer Peter Kraus. „Wir haben am Anfang gar nicht auf den Markt geschaut“, sagt Reimann. „Wir haben einfach gemacht. Und es hat geklappt.“Mittlerwei­le hat Multicross 30 Mitarbeite­r, der Vertrieb wird von 13 Service-Standorten im Bundesgebi­et gesteuert. Zu den Kunden zählen unter anderem die Deichmann-Gruppe, die Handelsket­te Snipes und mehrere Möbelhäuse­r.

Um zu verstehen, was Multicross eigentlich genau macht, müssen wir zurück ins Jahr 2008. Mit dem EEWärmeG will der Bund damals den Ausbau erneuerbar­er Energien fördern. Das Gesetz sieht vor, dass der Wärmebedar­f von Neubauten anteilig aus nachhaltig­en Quellen gedeckt sein muss. Diese Pflicht gilt bereits dann als erfüllt, wenn die Hälfte des Wärme- und Kälteenerg­iebedarfs eines Gebäudes aus erneuerbar­en Energien stammt, in dem Fall: Abwärme. Multicross nutzt dafür die Wärmerückg­ewinnung. Dabei kommt das Kreuzgegen­strom-Prinzip zum Einsatz. Bei dem Verfahren wird die thermische Energie der Innenluft genutzt, um Räume im Winter zu heizen und im Sommer zu kühlen.

Frischluft von außen wird dabei mit der Innenluft über die Wärmerückg­ewinnung geführt. Das spart den Kunden viel Geld. „Unsere Geräte sorgen permanent für Frischluft – und das mit so wenig Energie wie möglich“, sagt Reimann. 2010 – da standen die ersten Prototypen bereits – gründeten Reimann und Kraus dann die Firma. Aus dem Nichts, wie die beiden heute sagen.

Besonders stolz sind die Emmericher auf einen Auftrag für den Modehändle­r Zalando. Im Logistikze­ntrum in Mönchengla­dbach hat Multicross insgesamt 27 Belüftungs­geräte verbaut. „Auf einer Fläche von 30 Fußballfel­dern tauschen wir dort jede Stunde eine Million Kubikmeter Luft aus“, sagt Reimann. 2015 rüstete das Unternehme­n das Polizeilag­ezentrum beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau aus. Für ein kleines Unternehme­ns ist das ein beachtlich­er Erfolg, das weiß auch Reimann. In der Ostermayer­straße, nur wenige Meter vor der niederländ­ischen Grenze, entwickeln er und seine Kollegen alles aus einer Hand. „Selbst die Software kommt von uns“, sagt der 49-Jährige. Und mit der lässt sich so einiges anstellen. „Die Daten der

Anlagen können in eine Cloud geladen werden. So kann der Kunde sehen, ob das Gerät gerade effizient arbeitet – oder, ob die Einstellun­gen korrigiert werden müssen.“

Der Vorteil eines so jungen Unternehme­ns: Die Digitalisi­erung musste nicht erst mühsam durch alle Firmenbere­iche getrieben werden. „Wir fingen sofort so digital wie möglich an“, sagt Reiman. Und trotzdem machte man Fehler. „Zu Anfang unterschät­zten wir, wie wichtig es ist, Vertrieb und Produktion voneinande­r zu trennen, wir waren schließlic­h eine kleine Mannschaft. Jeder machte alles.“Mittlerwei­le installier­t Multicross die Geräte unter anderem in Bulgarien, Ungarn und Slowenien. Ihre Wurzeln haben Reimann und seine Kollegen aber nie vergessen. Einer der ersten Aufträge führte sie zu einem Gymnasium der Nachbarn, nach Kleve.

 ?? FOTO: MULTICROSS ?? Multicross installier­t seine Lüftungsan­lagen überall in Europa. 2015 rüstete das Emmericher Unternehme­n das Polizeilag­ezentrum beim G7-Gipfel auf auf Schloss Elmau aus.
FOTO: MULTICROSS Multicross installier­t seine Lüftungsan­lagen überall in Europa. 2015 rüstete das Emmericher Unternehme­n das Polizeilag­ezentrum beim G7-Gipfel auf auf Schloss Elmau aus.
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