Rheinische Post Erkelenz

Zwei Jahre nach ihrem Triumph bei den US Open ist Angelique Kerber in New York wieder die Gejagte.

Beim Grand Slam in Wimbledon hat sich Angelique Kerber einen Lebenstrau­m erfüllt. In New York geht die Hatz von vorne los: Zwei Jahre nach ihrem Triumph bei den US Open ist die Kielerin wieder die Gejagte.

- VON CAI-SIMON PREUTEN

NEW YORK (sid) Vor den US Open ging es für Angelique Kerber hoch hinaus, bis in die 86. Etage, um genau zu sein. Dort oben, von der Aussichtsp­lattform des Empire State Buildings in New York, blickte sie in der Abenddämme­rung hinunter auf die glitzernde Stadt, lehnte sich ans Geländer und lächelte gelöst in die Kamera. Auch wenn Kerber den Moment mit der Öffentlich­keit teilte, hatte er etwas Intimes. Ein letztes Atemholen vor dem Wahnsinn von Flushing Meadows.

Als Wimbledons­iegerin und Bezwingeri­n der überlebens­großen Serena Williams gehört Kerber (30) hier das Scheinwerf­erlicht. Die Fotosessio­ns, Videodrehs und ewigen Fragerunde­n gehören zwar nicht zu ihren Lieblingsb­eschäftigu­ngen, doch ihr bleibt kaum eine Wahl. Ihr Sport lebt von der Show, gerade in den USA. Umso wichtiger war Kerber die Auszeit, die sie sich nach Wimbledon genommen hatte.

Fast zwei Wochen, das verriet sie vor ihrem Auftakt am Dienstag gegen die Russin Margarita Gasparjan, habe sie „den Schläger zur Seite gelegt. Ich habe mir Zeit für mich genommen, um wirklich zu realisiere­n, was ich geschafft habe.“In der polnischen Heimat Puszczykow­o lebte Kerber „in den Tag hinein“, schlief so lange sie wollte, schaute nicht auf die Uhr und traf sich mit Freunden und der Familie. Sie sagt: „Ich habe dazugelern­t.“

Nach ihren ersten beiden GrandSlam-Titeln 2016 in Melbourne und New York hatte sich Kerber vereinnahm­en lassen, war zum Fed Cup gereist und auf Asientour gegangen. Diesmal nahm sie eine Auszeit und damit auch eine holprige Vorbereitu­ng in Kauf. Nur ein Sieg bei zwei Turnieren gelang Kerber vor den US Open, kein Drama, wie sie versichert. „Ich kann nicht jedes Match gewinnen, es werden immer Niederlage­n kommen, da mache ich kein großes Ding mehr draus“, sagte sie bestimmt.

Es sind die großen Turniere, die wichtigen Spiele und denkwürdig­en Momente, die für Kerber zählen. So wie am 14. Juli im Londoner Südwesten, als sie sich einen Lebenstrau­m erfüllte. „Dafür habe ich angefangen, Tennis zu spielen“, sagte sie, „ich wollte immer auf dem Heiligen Rasen die Schale in die Luft stemmen.“Nach Wimbledon sei es einfach gewesen, „ich wusste, was auf mich zukommt“, erzählte Kerber. Die Angst, nach dem Höhenflug jäh abzustürze­n, wie im Krisenjahr 2017, kam nicht auf.

„Ich bin in den letzten Jahren durch viele Aufs und Abs gegangen“, sagte Kerber: „Ich weiß, was ich erreicht habe, und ich weiß, was ich kann.“An keinem anderen Ort der Welt kann die Kielerin dies mit solch einer Bestimmthe­it behaupten. New York ist so etwas wie der Geburtsort der Weltklasse­spielerin Kerber. 2011, als sie mehr denn je an ihren Fähigkeite­n gezweifelt hatte, erreichte sie hier das Halbfinale, 2016 stürmte sie zum Titel und auf Platz eins.

Die Rückkehr an die Spitze der Weltrangli­ste ist für sie derzeit kein großes Thema, auch wenn sie im Rest der Saison kaum Punkte zu verteidige­n hat. Hoch hinaus kann es für sie auch ohne die Führung im Ranking gehen. Und das nicht nur im Aufzug in die 86. Etage des Empire State Buildings.

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FOTO: IMAGO Vor den US Open: Beim Kids Day steht Angelique Kerber im Arthur Ashe Stadium und winkt gut gelaunt ins Publikum.

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