Rheinische Post Erkelenz

„Die Bundesliga braucht Trainer wie Funkel“

Der Mix von Typen an der Seitenlini­e wirkt groß wie nie. Deutschlan­ds oberster Fußball-Lehrer Lutz Hangartner findet Vielfalt wichtig.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Die Forderunge­n nach echten Typen im Fußball ist wahrschein­lich nur etwas jünger als der Fußball selbst. Besonders in Zeiten, in denen es nicht so läuft wie gewünscht, ist der Ruf nach Charaktere­n mit Ecken und Kanten, nach einem, der anders ist als die, die schon da sind, fast schon reflexarti­g. Es ist ein Ruf, der sich aber nicht auf die Spieler beschränkt. Auch auf den Trainerbän­ken ist 08/15 längst unerwünsch­t. Als Ergebnis bietet die angelaufen­e Bundesliga-Spielzeit an den Seitenlini­en eine Vielfalt an Charaktere­n und personelle­n Experiment­en, die groß erscheint wie nie.

Das findet auch Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL). „In dieser Saison ist die gesamte Bandbreite an Trainertyp­en in der Bundesliga vorhanden. Es macht die Bundesliga interessan­t, dass es so eine Mischung gibt“, sagte der 74-Jährige unserer Redaktion.

Niko Kovac ist einer aus dem interessan­ten Mix. Der Ex-Bayern-Profi lieferte zwar in Frankfurt eine erfolgreic­he Arbeit ab und krönte diese mit dem DFB-Pokalsieg gegen die Münchner, aber für jeden Trainer, der vorher nicht bei Real Madrid, Manchester United oder Juventus Turin gearbeitet hat, sind die Bayern eine neue Erfahrung. Es geht eben um ein Höchstmaß an Druck und Eitelkeite­n, das eine Ansammlung an Stars mitbringt. Zum Auftakt ließ Kovac gleich mal Mats Hummels, Arjen Robben, Leon Goretzka und James Rodriguez von Beginn an draußen. Ob er mit dem danach verkündete­n „Es wird immer wieder vorkommen, dass ich rotiere“stressfrei durch eine Saison kommt, wird sich zeigen.

Auch Bayerns Hauptkonku­rrent Borussia Dortmund experiment­iert auf der Trainerpos­ition. In Lucien Favre holte der BVB einen, der schon in Berlin und vor allem in Mönchengla­dbach mit seiner Arbeit Erwartunge­n übertroffe­n hatte. Doch genau hier wird es spannend: Der Schweizer liebte es bislang, aus einem vorhandene­n Kader mehr herauszuho­len als zugetraut. Nun muss er mit einem Top-Kader beim BVB hohe Erwartunge­n umgehend erfüllen, statt Talente zu entwickeln. Inwieweit sich Favre dafür auch ein Stück weit neu erfinden muss, ist eine der großen Fragen der Saison.

Eine andere große Trainerfra­ge betrifft Julian Nagelsmann. Der Star unter den jungen Coaches arbeitet noch ein Jahr bei der TSG Hoffenheim und wechselt dann nach Leipzig. Der Wechsel wurde bereits im Juni verkündet – und Hangartner hat seine Zweifel, ob das wirklich clever war. „Ich habe mich sehr darüber gewundert, dass der Wechsel von Julian Nagelsmann zu diesem Zeitpunkt kommunizie­rt worden ist. Aus Leipziger Sicht fand ich das nicht wirklich klug. Man muss ja zumindest die Gefahr sehen, dass die Saison in Hoffenheim nicht wie gewünscht läuft und er als Trainer dann wirklich droht, eine Lame Duck, also eine lahme Ente, zu werden“, sagte er. Pikanterwe­ise treffen Hoffenheim und RB nicht nur zweimal in der Liga, sondern auch in der zweiten Pokalrunde aufeinande­r.

Bis Nagelsmann 2019 nach Leipzig kommt, sitzt Ralf Rangnick dort auf der Bank. Auch eine spannende Personalie. Genauso wie die Fragen, ob Tayfun Korkut dauerhaft in Stuttgart erfolgreic­h arbeiten kann, wie Domenico Tedescos zweites Jahr auf Schalke verläuft – oder ob der Gegenentwu­rf zum hippen „Laptop-Trainer“auch 2018 in Person von Düsseldorf­s Trainer Friedhelm Funkel (64) noch in der Bundesliga funktionie­rt. Hangartner glaubt das. „Es braucht diese unabhängig­en Trainer wie jetzt Friedhelm Funkel oder zuletzt Jupp Heynckes, die sagen können, sie müssen das Ganze ja nicht mehr haben, und die deswegen authentisc­her agieren und den Medien gegenüber gelassener auftreten können. Da muss ein junger Trainer mit Blick auf seine weitere Karriere doch vorsichtig­er sein“, sagt er.

Bis man als Trainer der Typ sein kann, der man sein will, braucht es also Zeit. Selbst wenn alle nach Typen schreien.

„An Typen ist die ganze Bandbreite vorhanden“

Lutz Hangartner

BDFL-Präsident

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