Borussias Edel-Bank
Beim 2:0 gegen Leverkusen waren einige Stars nur Ersatzspieler, darunter auch Rekordeinkauf Alassane Plea. Trainer Dieter Hecking will sein Team immer nach Bedarf aufstellen – und lockt die Spieler mit dem Konkurrenzkampf.
Beim so genannten Anschwitzen am Samstag vor dem Liga-Start gegen Bayer Leverkusen nahm Borussias Trainer Dieter Hecking den Rekordeinkauf seines Arbeitsgebers, Alassane Plea, beiseite. Es gab Erklärungsbedarf. Denn Hecking hatte sich entschlossen, den 23-Millionen-Einkauf auf die Bank zu setzen. „Es ist nicht leicht, wenn man einen Spieler für so viel Geld verpflichtet und ihn dann erst mal nicht spielen lässt“, sagte Hecking nach dem 2:0-Erfolg. „Aber gegen eine so offensivstarke Mannschaft brauchten wir viel defensive Struktur. Er kennt die Abläufe noch nicht so. Ich bin aber froh, dass er am Ende noch ein paar Minuten bekommen hat.“
Elf waren es ganz genau, die Nachspielzeit nicht mitgerechnet, und somit feierte der Franzose dann doch noch sein Bundesliga-Debüt. Plea war nicht der einzige „Härtefall“des Wochenendes. Denn die Bank der Borussen war sehr edel besetzt, in geschätzten Markwerten ausgedrückt, hockten beim Anpfiff zwischen 70 und 90 Millionen Euro auf den grünen Sesseln. Weswegen Hecking sicherlich auch einiges zu „moderieren“hatte, wie er zu sagen pflegt. Doch genau das hat er sich gewünscht, seit er im Januar 2017 den Job bei Borussia übernommen hat: die gesamte Breite des Kaders zur Verfügung zu haben.
„In der vergangenen Saison hatten wir wenige personelle Möglichkeiten, auch, weil wir so viele Verletzte hatten. Wir hoffen, dass es uns nun nicht so trifft und wir durch die gesamte Saison einen breiten Kader haben. Es ist ein entscheidender Punkt, frische Kräfte auf der Bank zu haben, die nochmal den Unterschied machen können“, sagte Torhüter Yann Sommer.
Neben Plea brachte Hecking Patrick Herrmann und Denis Zakaria ins Spiel, der in der vergangenen Saison zu den Durchstartern gehört hatte. Michael Cuisance, den Borussias Fans in der abgelaufenen Spielzeit zum „Spieler der Saison“kürten, wartete 90 Minuten vergebens auf seinen Einsatz. Und auch Christoph Kramer, der in den Jahren zuvor stets gesetzt war, wenn er gesund war, war wie beim Pokalspiel gegen Hastedt 90 Minuten lang nur Zuschauer. Dass der Weltmeister von 2014 beim Sieg gegen seinen Ex-Verein nicht immer ganz glücklich dreinschaute, ist nachvollziehbar. Hecking übte sich dann auch in der Kunst der Diplomatie. „Mika war bei der U19-EM, auch Denis ist erst später eingestiegen und ein Mann wie Chris wird uns noch gut tun, vielleicht schon in Augsburg“, erklärte der Trainer seine Maßnahmen. Ihm ist definitiv die aktuelle Erklärungsnot lieber als in Zeiten des Alternativen-Mangels.
Dass immer mal einer fehlt, davon ist auszugehen, doch kann man durchaus fantasievoll werden, wenn man bedenkt, dass von den sieben Spielern, die aktuell wegen Verletzungen oder Trainingsrückstand fehlen, vier, wenn nicht gar fünf Startelf-Potenzial haben: Michael Lang, Nico Elvedi, Ibo Traoré, Lars Stindl und wohl auch Laszlo Bénes. Hier schlummert nochmal Potenzial im Wert von 50 bis 60 Millionen Euro. Talentierte, aber lange verletzte Spieler wie Mamadou Doucouré (19) und Julio Villalba (19) sind da weder sportlich noch finanziell berücksichtigt.
So mancher fragt sich schon, wo denn wohl der bislang immer fixe Stindl, der gerade seinen 30. Geburtstag feierte, spielen wird, wenn er zurück ist. Sicherlich im Zentrum, so viel ist sicher. Aber garantiert? Das nicht. Nicht mehr. Hecking wird von Spiel zu Spiel schauen, welche Aufstellung am besten zum Gegner passt, und es wird in mehr oder weniger großen Nuancen Veränderungen geben. „Es kann durchaus sein, dass beim Spiel in Augsburg zwei, drei andere Spieler enttäuscht sein werden“, sagte der Fußballlehrer.
Seine Bank gegen Bayer hatte auch eine Botschaft: Jeder kann sitzen, egal wie teuer, namhaft oder talentiert. Hecking nutzt die Situation, um seine Spieler zu locken. „Der Trainer betont immer wieder, dass er eine Riesenauswahl hat“, berichtete zuletzt Jonas Hofmann, der aktuell zum Stammpersonal gehört und die bisherigen 180 Pflichtspielminuten komplett absolviert hat. Er und alle Borussen wissen, dass sie nicht nachlassen dürfen. „Ich bin mir sicher, dass von jedem, der dann reinkommt, auch Leistung kommt“, sieht Hecking den Konkurrenzkampf als leistungsfördernd an.
Das Ego in den Dienst der Mannschaft zu stellen - für die, die nicht spielen müssen, bekommt das generelle Credo des Fußballs einen neuen Klang. Denn die Ersatzbank ist, und sei sie noch so gut gepolstert, härter als Worte. „Aber“, sagte Sommer, Borussias neuer Vize-Kapitän, „die Saison ist lang und jeder wird gebraucht.“Und wenn es als Joker ist.