Gibt Zweikämpfe, die kannst du nicht verlieren“
Borussias Verteidiger sagt, was ihn an Wunschelf-Tipps stört, erklärt die Defensivarbeit im 4-3-3 und spricht über den Mannschaftsrat.
Ihr 13. Jahr bei Borussia hat begonnen. Wird es ein Glücksjahr? Jantschke Ich bin weder gläubig noch abergläubisch, und ich kann ja nicht in die Zukunft gucken. Natürlich wollen wir ein anderes Gesicht zeigen als letztes Jahr, so langsam ist das aber auch Geschichte. Wir sind gut gestartet, aber nicht mehr.
Für Sie war der Start trotzdem noch ein bisschen besser: zwei Startelf-Einsätze, zweimal über 90 Minuten.
Jantschke Absolut. Nico Elvedi und Michi Lang sind noch verletzt, das kam Louis Beyer und mir entgegen. Viele Leute wollen vor einer Saison immer „Fußballmanager“spielen und sagen: Das ist die Traumelf von Gladbach. Wenn das so wäre, könnten wir die Vorbereitung weglassen. Man hat wieder gesehen, wie sich so eine Vorbereitung entwickelt – hier ein Wehwehchen, da ein Wehwehchen, manch einer sticht heraus. Wer hätte gedacht, dass Flo Neuhaus direkt so ein Faktor wird?
Und dass Tobias Strobl und Sie ebenfalls in der Startelf stehen ... Jantschke Auch das, und ein Zak (Denis Zakaria, Anm. d. Red.) sitzt erstmal auf der Bank. Wir haben einfach einen großen Kader. Für den Trainer wird es nicht einfach, das zu managen. Gleichzeitig zeigt es aber unsere Qualität, wenn wir wie gegen Leverkusen am Ende noch Zak bringen können. Das ist Wahnsinn. Chris Kramer und Mika Cuisance wurden nicht einmal eingewechselt. Das zwingt natürlich diejenigen, die spielen, zu Top-Leistungen, und der Trainer weiß, dass er ohne Rücksicht auf Verluste nachlegen kann. Wenn Michi Lang, Nico Elvedi, Lars Stindl, Ibo Traoré noch zurückkommen, wird das ein ganz schönes Hauen und Stechen. Wir werden auch wieder Verletzungen haben, das lässt sich im Fußball heutzutage nicht vollständig verhindern. Aber wenn der Großteil gesund bleibt, wird es interessant.
Sie haben die Wunsch-Startelf angesprochen. Ohne Ihnen zu nahe zu treten: Bei den meisten tauchten sie nicht auf. Sind Sie jemand, den das anstachelt, oder ist Ihnen das nach zehn Profijahren egal? Jantschke Ich beziehe das gar nicht so auf mich. Du hast 26 Spieler, von denen 20 den Stamm bilden, in dem sich immer etwas tut. Und dann hast du einige Junge, die vielleicht den Sprung schaffen. Es ist noch keine Trainingswoche rum und manchmal werden schon Aufstellungen aufgeschrieben: „So sieht Gladbachs Wunsch-Elf aus.“Das finde ich generell etwas respektlos, gerade bei einem so großen Kader. Was mich angeht, kenne ich das mittlerweile, weil ich in letzter Zeit auch immer mal wieder verletzt war und in der Anfangszeit unter André Schubert nicht viel gespielt habe. Deshalb wird schnell mal eine Viererketten-Kombination hingeschrieben, in der ich nicht auftauche.
Wird die gesamte Mannschaft momentan von Trotz angetrieben nach der enttäuschenden Vorsaison?
Jantschke Die Saison wurde zum Teil sehr kritisch gesehen, auf der einen Seite zu Recht, auf der anderen Seite auch etwas zu schlecht. Wir haben nicht gegen den Abstieg gespielt, sondern sind Neunter geworden. Aber das ist abgehakt, deshalb würde ich nicht sagen, dass Trotz innerhalb der Mannschaft eine Rolle spielt.
Beim Trainer denn? Man hat von außen das Gefühl.
Jantschke Der Trainer hat sich schon seine Gedanken gemacht nach der Rückrunde. Vielleicht hat so ein Spiel wie gegen Hamburg zum Abschluss das Gefühl noch einmal verstärkt, dass man etwas verändern muss. Es ist auch kein Hexenwerk. Der Trainer hat seine Ideen öffentlich formuliert, wir probieren jetzt, das umzusetzen. Auch wenn es schon gut geklappt hat, braucht es noch Zeit. Fußball ist Kopfsache, du brauchst das Vertrauen und musst zum Beispiel sehen: Wenn du so hoch stehst, dann kann das funktionieren. Dafür war der Saisonstart wichtig.
Sie haben das 4-4-2 jahrelang als das Borussen-System erlebt. Ist es Ihnen deshalb schwerer gefallen, sich davon zu lösen?
Jantschke Nein, das war gar kein Thema für mich. André Schubert hat die Dreierkette eingeführt, die zeitweise gut geklappt hat. Die Spieler sind heute alle polyvalent. Ich habe selbst schon gesagt, dass man im Prinzip gar nicht weiß, was meine beste Position ist.
Der Trainer plant mit Ihnen in der Innenverteidigung.
Jantschke Ja, das hat er mir gegenüber klar kommuniziert am Anfang der Vorbereitung. Aber wir wissen alle, wie das laufen kann: Plötzlich sind Spieler gesperrt und man muss alles verschieben. Für mich ist das alles okay so.
Prompt waren Sie am ersten Spieltag der beste Zweikämpfer der Bundesliga. Jantschke Ach ja, wer weiß, wer die Striche gemacht hat und ob der das alles so richtig gemacht hat.
Wir haben uns aus diesem Anlass gefragt: Was ist überhaupt ein Zweikampf?
Jantschke Es gibt Zweikämpfe, die kannst du als Verteidiger gar nicht verlieren. Es gibt welche, in die der Stürmer gar nicht richtig reingeht, weil er nur will, dass der Verteidiger den Ball wegschlägt. Was gilt dann als gewonnen, was als verloren? Deshalb ist mir dieser Wert nicht so wichtig.
Also muss es schon ein Duell mit Körperkontakt sein, damit es für
Sie als Zweikampf durchgeht? Jantschke Selbst dann kommt es vor, dass ein Spieler gedoppelt wird. Ist das ein Zweikampf? Gilt der für beide als gewonnen?
Und es gibt die Kunst, mit gutem Stellungsspiel gar nicht in einen Zweikampf zu müssen.
Jantschke Das ist das nächste Thema. Von daher ist dieser Wert nicht zu hoch zu bewerten.
Unabhängig von den Zahlen: Wie gut war die Abwehrleistung gegen Leverkusen?
Jantschke Für das neue System war es wichtig, um Vertrauen zu schaffen, dass wir so hoch stehen können. Gerade in der zweiten Halbzeit haben wir früher gestört. Es war auch unser Plan, es abwartender anzugehen. Unsere Außen haben es gut verstanden, die Wege nach hinten zu machen. Wir standen teilweise im 4-5-1, was aber nichts Außergewöhnliches ist. Das machen in dem System auch große Mannschaften, gerade wenn der Gegner so eine Qualität auf den Außen hat wie Leverkusen. Drei, vier zu große Chancen haben wir zugelassen, das ist Fakt und kann schnell mal bestraft werden. Daran gilt es noch zu arbeiten.
Vor allem über Ihre linke Abwehrseite hat Leverkusen viel vorbereitet.
Jantschke Man kann es auch so sehen, dass rechts dann abgeschlossen wurde. Es ist die Frage, ob man den Fehler bei dem sieht, der die Flanke nicht verhindert, oder bei dem, der nicht richtig beim Mann steht. Das ist immer eine Kettenreaktion. Man kann genauso gut darauf hinweisen, dass unsere linke Seite offensiver war und deshalb mehr zugelassen hat. Insgesamt können wir uns noch besser absprechen, was zum Beispiel Konter angeht. Aber das war schon ganz ordentlich. Am Ende haben wir viel abgeräumt, als viele Flanken reinkamen. Das muss eine Abwehr auch mal aushalten in der Bundesliga, gerade gegen Leverkusen. Trotzdem habe ich es lieber, wenn der Gegner zehn Halbchancen hat als drei klare.
Ist das im neuen System auch ein Stück weit einkalkuliert, wenn die Ausrichtung so offensiv ist? Jantschke Ja und nein. Wenn du offensiv in einen Flow kommst, besteht immer die Gefahr, dass du hinten einen halben Schritt weniger machst. Aber auch da gilt es eben, maximal eine Halbchance zuzulassen, bei Leon Baileys Kopfball gegen die Latte zum Beispiel den Gegner anzuspringen, damit der nicht unbedrängt köpfen kann. Das sind Kleinigkeiten – aus einer hundertprozentigen Chance eine vielleicht 70-prozentige machen.
Wir wollen nicht wieder mit der Zeit unter Lucien Favre anfangen, aber dieser Ansatz war da ein Dogma.
Jantschke Generell ist es das, was ich unter Verteidigen verstehe. Du kannst heutzutage nicht alles verhindern. In der Bundesliga ist es oft so, dass man sagen kann, wer es verdient gehabt hätte, zu gewinnen. Aber die theoretische Chance hatten in der Regel immer beide Mannschaften.
Wie sehr ändert sich Ihr Job, weil es nur noch einen Sechser gibt? Jantschke Kommt drauf an, wie gut wir es machen. Man kann es auch so drehen, dass wir defensiv drei Sechser haben. In dem System können wir natürlich schneller Druck aufbauen, deshalb entsteht zwischen uns und dem Sechser schon mal eine Lücke, weil der nicht die gesamte Breite verteidigen kann. Da gilt es, immer eine gute Abstimmung zu finden, den Stürmer auch mal zu verfolgen. Gegen Southampton haben wir das im Testspiel gut gemacht, gegen Espanyol nicht. Das hängt alles zusammen: Wann schieben wir raus? Wann schafft es der Sechser? Wann nicht? Man hat auf jeden Fall gesehen, dass wir hinten so viel gelaufen sind wie lange nicht. Wir müssen probieren, das jede Woche abzuliefern. Dortmund hat es letzte Saison auch anfangs gut hinbekommen, deshalb dürfen wir das alles nicht überbewerten. Bayer war eins von 34 Spielen.
Zwei Siege hintereinander zum Start sind Borussia seit 23 Jahren nicht gelungen, dazu noch kein Bundesligasieg in Augsburg. Das Thema können Sie sicher auch nicht mehr hören. Jantschke Wir haben dreimal da verloren, viermal unentschieden gespielt, zweimal in letzter Minute einen Gegentreffer gekriegt. Das spielt aber alles keine Rolle. Es ist nicht so, dass ich da Schweißperlen auf der Stirn bekomme. Statistiken sind für Fans und für die, die etwas zu schreiben brauchen, immer ganz lustig. In der Kabine spielt das aber keine Rolle.
Was spielt denn dort vor dem Augsburg-Spiel eine Rolle?
Jantschke Dass das eine gute und körperbetonte Mannschaft ist. Wir hatten sie in der Vorbereitung und kennen die Truppe. Die holen aus ihren Möglichkeiten wirklich immer das Optimum raus. Wie die sich in der Bundesliga etabliert haben, da kann man nur den Hut vor ziehen. Es wird ein großer Kampf, aber wie in jedem Spiel werden wir alles versuchen, um zu gewinnen.
Vorne hat Borussia einen neuen Mittelstürmer, vielleicht beginnt Alassane Plea gegen Augsburg. Wie gefällt Ihnen, was er mitbringt? Jantschke Sie wissen doch, dass ich nicht so gerne Mitspieler hervorhebe. Ich bin mir aber sicher, dass er uns helfen kann. Man hat gesehen, was er in der Schlussphase gegen Leverkusen noch bewegt hat. Gegen einen Top-Mann wir Jonathan Tah muss man erstmal zwei solcher Kopfballduelle gewinnen. Er hat auf jeden Fall eine gewisse Wucht. Jetzt muss er schnell Deutsch lernen, das ist immer eine wichtige Basis, auch wenn wir genügend Spieler wie Zak, Mika, Toto und Mamadou haben, die übersetzen können, Ibo sowieso.
Stichwort Ibo Traoré: Der ist neu im Mannschaftsrat, Tobias Strobl auch. Dafür sind Christoph Kramer und Fabian Johnson nicht mehr dabei. Ist das ein Thema oder wird es größer gemacht, als es ist? Jantschke Seit ich hier bin, war es das erste Mal, dass wir Spieler den Mannschaftsrat gewählt haben. Deshalb glaube ich, dass es für die vier eine Auszeichnung ist. Lars Stindl als Kapitän und Yann Sommer als Vize wurden ja vom Trainer bestimmt. Für uns alle bedeutet das eine Verantwortung, von außen sieht man eher nicht so, was der Mannschaftsrat entscheidet. Auch wenn es mal ungemütlich wird, ist es wichtig, alle zu vertreten. Das ist nicht immer ganz einfach, ich kenne das ja schon lange. Aber ich glaube, dass wir Jungs gewählt haben, die die Mannschaft gut vertreten werden.