Rheinische Post Erkelenz

Gipfel der Wohnungsno­t

Die Regierungs­spitze hat alles, was im Immobilien­wesen Rang und Namen hat, zusammenge­trommelt. Ein nationaler Kraftakt soll her, um endlich die Wohnungskn­appheit zu bekämpfen. Die Konzepte liegen seit Jahren auf dem Tisch.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Horst Seehofer und Angela Merkel können am Freitag endlich mal wieder den Schultersc­hluss üben. Bauministe­r Seehofer hat – „auch im Namen der Bundeskanz­lerin und von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz“, wie es auf der Internetse­ite der Bundeskanz­lerin höflich heißt – zum „Wohngipfel“im Kanzleramt eingeladen. Es wird ein riesiges Treffen aller werden, die in Deutschlan­d irgendwie mit dem Wohnungsma­rkt zu tun haben. Neben der Bundesregi­erung sind das die Regierungs­chefs aller Länder, der Chef der Bauministe­rkonferenz, Schleswig-Holsteins Minister Hans-Joachim Grote (CDU), je ein Vertreter der Koalitions­parteien sowie die 21 Partner des bereits existieren­den „Bündnisses für Wohnen und Bauen“, in dem Immobilien­verbände, Handwerk, Gewerkscha­ften und Kommunen schon seit Jahren mit begrenztem Erfolg versuchen, den Wohnungsba­u anzukurbel­n.

Die SPD hat den Mangel an bezahlbare­n Wohnungen zur neuen „sozialen Frage“erklärt, und auch die Union hat erkannt, dass stark steigende Mieten und unerschwin­gliche Eigenheime die Stimmung im Land gegen die regierende­n Volksparte­ien dreht. Nun soll ein nationaler Kraftakt die Wende bringen. Traditione­ll setzt die SPD mehr auf staatliche Regulierun­g, die Union stärker auf ökonomisch­e Anreize. Die Konzepte der Fachleute liegen längst auf dem Tisch. Was die Regierung allerdings bisher gegen die Wohnungsno­t getan hat – Verschärfu­ng der Mietpreisb­remse, Einführung des Baukinderg­elds oder Steuerboni für Investoren – taugt nach Expertenei­nschätzung nicht zur Problemlös­ung. Denn die Maßnahmen stimuliere­n die ohnehin hohe Nachfrage oder sie hemmen den erwünschte­n Zuwachs beim Wohnungsan­gebot – beides lässt die Preise weiter steigen.

Die Vorschläge aus der Branche konzentrie­ren sich daher nun auf die Mobilisier­ung von Bauland und neuen Wohnfläche­n. Bund, Länder und Kommunen sollen mehr eigenes Bauland ausweisen und die Bauvorschr­iften entschlack­en. Der Hauptgesch­äftsführer des Städte- Abgebildet wird ein Preisindex basierend auf einem gewichtete­n Mittel aus Kauf- und Mietpreise­n in Deutschlan­d (jeweils im 1. Quartal).

2018 lag der Index bei 136 Punkten (+ 36 Prozent im Vergleich zu 2004). 100 97 96 95 und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, schlägt zudem vor, die ländlichen Regionen zu aktivieren. „Wir sollten abgelegene Gebiete mit Schnellbah­nen erschließe­n, so dass die Menschen auch dort preiswert und gut wohnen können“, sagte Landsberg. In ländlichen Gebieten stünden mehr als zwei Millionen Wohnungen leer. „Schnellbah­nen können, wie die Praxis zeigt, Ballungsrä­ume entlasten“, so Landsberg. Beispielha­ft sei die Kreisstadt Siegburg bei Bonn, von der aus Arbeitnehm­er im ICE in 45 Minuten zur Arbeit nach Frankfurt am Main kämen. Landsberg forderte zudem eine bundesweit zugelassen­e „Serienbauw­eise“für neue Häuser. „Bisher muss jeder gleicharti­ge Bau in jedem Bundesland erneut genehmigt werden. Das kostet Zeit und Geld“, sagte Landsberg.

Der Chef der Bauministe­rkonferenz der Länder, Grote, sieht in 96 95 96 der stärkeren Nutzung von leer stehendem Wohnraum in ländlichen Regionen eine Chance, die Wohnungsno­t zu lindern. „Ländliche Gemeinden können ganz erheblich zur Entlastung städtische­r Regionen 98 100 107 109 beitragen, wenn wir überregion­aler denken, planen und fördern als bisher“, sagte Grote. „Ich wünsche mir beispielsw­eise, dass in den gut eingebunde­nen Gemeinden als Ergänzung und Alternativ­e zu Einfamilie­nhäusern mehr ins Ortsbild passende zukunftswe­isende Wohnformen entstehen.“

Der CDU-Wirtschaft­srat forderte vor dem Gipfeltref­fen weitere steuerlich­e Entlastung­en zur Ankurbelun­g der Wohnungsin­vestitione­n. „Infrage kämen die sofortige Anhebung der linearen Abschreibu­ng, eine Absenkung der Grunderwer­bsteuer sowie eine steuerlich­e Befreiung des Ankaufs eines Grundstück­s zum Zwecke der Wohnbebauu­ng“, sagte Generalsek­retär Wolfgang Steiger. In einem fünfseitig­en Forderungs­katalog macht sich der Wirtschaft­srat insbesonde­re für die Absenkung von Baustandar­ds stark. 115 121 128 136

Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring Eckardt warf der großen Koalition Untätigkei­t vor. „Gegen Wohnungsno­t hilft kein Kaffeeklat­sch. Ein dreistündi­ger Wohngipfel kann nicht kaschieren, dass die Bundesregi­erung in den vergangene­n Jahren in der Wohnungspo­litik versagt hat“, sagte sie. „Es braucht noch in diesem Jahr ein Eine-Milliarde Sofortprog­ramm für bezahlbare­n Wohnraum, damit die Wohnungsno­t in den Städten bekämpft wird.“Doch statt die Ärmel hochzukrem­peln, wolle die Koalition ihren obersten wohnungspo­litischen Beamten diese Woche in den einstweili­gen Ruhestand versetzen. „Das ist ein fatales Signal und zeigt, dass die Wohnungspo­litik in dieser Regierung keinen Stellenwer­t hat“, so Göring-Eckardt. Bau-Staatssekr­etär Gunther Adler (SPD) muss im Innenminis­terium dem bisherigen Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen weichen.

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