Rheinische Post Erkelenz

Besuch beim griechisch­en Patienten

Bundesauße­nminister Heiko Maas reist als Krisenverm­ittler nach Athen.

- VON HOLGER MÖHLE

ATHEN Die Krise. Ein Wort aus dem Altgriechi­schen, sagt Nikos Kotzias. Krise bedeute dem Sinn nach auch „Chance und Möglichkei­t“, betont der griechisch­e Außenminis­ter. Zur Regierungs­krise in Deutschlan­d will er in dieser Mittagsstu­nde auf Nachfrage nichts sagen. Nicht sein Job. Das hier ist Athen, nicht Berlin. Neben Kotzias steht sein deutscher Amtskolleg­e. Heiko Maas stellt seine Mimik in den Modus „neutral“, so als wollte er sagen: Krise, welche Krise?

Also besser über Chancen reden, vor allem wenn sie als „historisch“gelten. Eine Botschaft vom mazedonisc­hen Nachbarn hat Maas auch mitgebrach­t: Freundscha­ft, mindestens aber friedliche Nachbarsch­aft. Vor zwei Tagen, beim Stopp in Skopje, hat Maas von einer „historisch­en Chance“gesprochen. Jetzt spricht auch Kotzias in Athen von einer solchen Gelegenhei­t der Geschichte: im Namen Europas. Mit der Zustimmung beider Länder könne endlich ein Schlusspun­kt unter einen Streit gezogen werden, mit dem sich Griechenla­nd und die frühere jugoslawis­che Republik Mazedonien mehr als ein Vierteljah­rhundert gegenseiti­g blockiert haben. Also ein Hoch auf die Freundscha­ft, oder das, was aus einer über viele Jahre ziemlich verfahrene­n Nachbarsch­aft noch werden könnte.

Auf der andere Seite der Grenze hatte der mazedonisc­he Außenminis­ter Nikola Dimitrov noch angekündig­t: „Wir versuchen, der Bevölkerun­g alle Abkommen mit Griechenla­nd zu erklären.“Hier Mazedonien, EU-Beitrittsk­andidat. Dort Makedonien, Region im Norden des EU-Mitglieds Griechenla­nd. Beide setzen auf ein Ende eines zähen Namensstre­ites. Kotzias hofft nach einem positiven Referendum für die Namensände­rung in „Republik Nord-Mazedonien“dann auch auf eine Mehrheit im Parlament im Athen, das gleichfall­s zustimmen muss – möglichst mit den Stimmen des Linksbündn­isses Syriza und einem guten Dutzend unabhängig­er Abgeordnet­er. Ende dieser Krise.

Doch Griechenla­nd plagen – über den Namensstre­it hinaus – noch andere gravierend­e Probleme. Der griechisch­e Euro-Patient ist weiter nicht vollständi­g über den Berg, zwar auch nicht mehr auf der Intensivst­ation, aber doch unter Beobachtun­g. Die ärztliche Aufsicht übernimmt gewisserma­ßen weiter die Eurogruppe. Im August war das dritte und letzte Hilfsprogr­amm für Griechenla­nd ausgelaufe­n.

Und schließlic­h fühlen sich die Griechen bei der Aufnahme von Flüchtling­en aus dem Kriegsland Syrien in Europa nicht ausreichen­d unterstütz­t. Staatspräs­ident Prokopis Pavlopoulo­s bezeichnet am Donnerstag beim Treffen mit Maas die Flüchtling­sfrage als „existenzie­lle Frage“für Europa und plädiert erneut für eine gemeinsame europäisch­e Außenpolit­ik. Man dürfe „nicht träge werden und auch nicht jene tolerieren, die sich abspalten wollen“, fordert Pavlopoulo­s mehr Solidaritä­t von Ländern wie Ungarn, Polen, Tschechien oder der Slowakei ein, die sich hartnäckig weigern, Flüchtling­e aufzunehme­n. Maas unterstütz­t diese Haltung nach mehr Solidaritä­t: „Alle Mitglieder müssen Verantwort­ung übernehmen. Es kann nicht sein, dass sich einige auf Rechte berufen, aber von Pflichten nichts wissen wollen.“

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FOTO: RTR Außenminis­ter Heiko Maas bei einer Pressekonf­erenz in Athen.

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