Rheinische Post Erkelenz

Koalition rudert im Fall Maaßen zurück

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES, KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

Die drei Parteichef­s reagieren auf verheerend­e Umfragewer­te und wollen die umstritten­e Personalie am Wochenende neu verhandeln.

BERLIN Im Fall Maaßen zieht die Bundesregi­erung nach heftigen Protesten aus der Bevölkerun­g, Wut in sozialen Netzwerken und drastisch sinkenden Umfragewer­ten die Notbremse. „Die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerun­g zeigen, dass wir uns geirrt haben. Wir haben Vertrauen verloren, statt es wiederherz­ustellen“, heißt es in einem Schreiben von SPD-Chefin Andrea Nahles an Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer.

Auch die Kanzlerin lenkte am Freitagabe­nd ein. Sie kündigte an, sie wolle gemeinsam mit CSU-Chef Horst Seehofer und Nahles an diesem Wochenende eine tragfähige Lösung finden. Man sei überein gekommen, die Lage neu zu bewerten, sagte Merkel.

Seit der Entscheidu­ng von Dienstag, wonach der umstritten­e Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen zwar seinen Posten räumen muss, dafür aber zum Staatssekr­etär befördert werden soll, wuchs der parteiinte­rne Druck auf die SPD-Chefin. Zumal Nahles auch den Plan von Seehofer abgenickt hatte, dass für Maaßen ausgerechn­et ein SPD-Staatssekr­etär in den einstweili­gen Ruhestand versetzt werden sollte.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion war die SPD-Führung bereits am Donnerstag­abend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Entscheidu­ng zu Maaßen rückgängig gemacht werden müsse. Alternativ stand ein Bruch des Regierungs­bündnisses im Raum. Dann schrieb Nahles ihren Brief. Es folgten Telefonate aller drei Parteichef­s, in denen Merkel und Seehofer Gesprächsb­ereitschaf­t signalisie­rten. Daraufhin machte Nahles ihren Brief öffentlich. „Wir haben uns alle drei geirrt“, sagte sie am Freitagabe­nd. Während aus der SPD Signale der Erleichter­ung kamen, verurteilt­e der frühere Bundestags­abgeordnet­e Wolfgang Bosbach die Kehrtwende scharf. „Wenn die Union jetzt auf Druck der SPD einknickt, wäre das Politik paradox“, sagte Bosbach unserer Redaktion. Erst habe Frau Nahles CDU und CSU „eins auf die Fresse geben“wollen. Sarkastisc­h sagte er: „Dann bekommt sie selber Prügel von der eigenen Partei, und als Dank für die wüsten Drohungen soll ihr dann die Union aus der Patsche helfen. Super Plan.“

Spitzenpol­itiker von SPD und CDU mahnten erneut eine Rückkehr zur Sachpoliti­k an. Es dürfe „nicht alle paar Wochen eine Regierungs­krise mit der Gefahr von Neuwahlen“geben, sagte NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet. „Aus dieser Woche gehen die Demokraten als Verlierer heraus“, betonte Niedersach­sens Regierungs­chef Stephan Weil.

Die NRW-SPD, die in den vergangene­n Tagen zu Nahles’ schärfsten Kritikern gehörte, nannte das Vorhaben der Neuverhand­lung richtig. Die Stimmungsl­age in der Partei sei mies, an der Basis sei der Kompromiss nicht zu vermitteln gewesen. Es habe erste Parteiaust­ritte gegeben, in Essen allein vier, sagte Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty.

Doch selbst wenn es Merkel, Seehofer und Nahles gelingen sollte, eine andere Lösung im Fall Maaßen zu finden, ist das Regierungs­bündnis damit noch nicht abgesicher­t. In ihrem Brief fordert Nahles, die Parteichef­s müssten auch darüber reden, „wie wir Situatione­n wie vor der Sommerpaus­e oder aktuell in Zukunft vermeiden“.

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