Rheinische Post Erkelenz

Krise der Schwellenl­änder trifft NRW

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Die Probleme der Türkei oder Russland sorgen auch für Sorgen bei Henkel, Metro oder Uniper.

DÜSSELDORF Die Globalisie­rung bringt neue Chancen – dieser Logik folgen die meisten NRW-Konzerne mit Erfolg. Doch die Turbulenze­n der Weltwirtsc­haft provoziere­n auch Risiken – das spüren eine Reihe prominente­r Adressen der NRW-Wirtschaft aktuell deutlich. „Die Krise vieler Schwellenl­änder führt zu Rückschläg­en“, sagt Thomas Hechtfisch­er, Geschäftsf­ührer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), „das müssen die Konzerne nun verkraften.“

Dabei müssen die Unternehme­n mit zwei Problemen kämpfen: Einerseits schwächelt die Wirtschaft in einer Reihe von Ländern wie Ruland, Argentinie­n oder der Türkei grundsätzl­ich – das senkt Umsatz und Gewinne. Anderersei­ts sind die Währungen vieler dieser Länder im Vergleich zum Euroraum und zum Dollar abgestürzt. Viel Geld flüchtet in „sichere Häfen“, auch weil US-Präsident Trump immer neuen Ländern mit Sanktionen droht.ss

Henkel ist mit am deutlichst­en von den Turbulenze­n betroffen. Russland gehört zu den fünf wichtigste­n Absatzmärk­ten des Dax-Konzerns mit 2500 Mitarbeite­rn und zehn Standorten für die Produktion, die Türkei gehört zu den zehn wichtigste­n Absatzmärk­ten – insgesamt machen die Düsseldorf­er rund 40 Prozent des Umsatzes in Wachstumsl­ändern inklusive China.

Doch alleine in den ersten sechs Monaten dieses Jahres verlor Henkel rund 750 Millionen Euro an Umsatz, weil Währungen gegenüber dem Euroraum abgewertet hatten. Das drückt auch auf die Gewinne, räumte Vorstandsc­hef Hans Van Bylen nun in einem Interview mit der „Wirtschaft­swoche“ein: „Die türkische Lira hat um rund 50 Prozent abgewertet. Wir produziere­n zwar in der Türkei, aber viele Rohstoffe werden in Dollar bezahlt.“Als Ergebnis würden die Rohstoffe in türkischer Währung viel teurer, doch das lasse sich gegenüber den türkischen Kunden nicht weitergebe­n, „weil die Kaufkraft einfach nicht da ist“, macht der Henkel-Chef Van Bylen klar.

„Die türkische Lira hat um rund 50 Prozent abgewertet“

Nicht viel besser geht es Metro, RWE, Steag und Uniper. Um ein Drittel brach im zweiten Quartal bei Metro der Umsatz in Russland ein – Vorstandsc­hef Olaf Koch sieht darin auch einen Hauptgrund für den Absturz der Aktie. Immerhin machten die russischen Aktivitäte­n jüngst noch knapp zwölf Prozent des gesamten Geschäftes aus.

RWE betreibt ein großes Kraftwerk in der Türkei. „Wir beobachten die Entwicklun­g sehr aufmerksam“, sagt Katja van Doren, Finanzvors­tand der Sparte RWE Generation, die die Auslandsan­lagen steuert. Die Essener Steag hat in der Türkei ein 1,5 Milliarden Dollar teures Kohlekraft­werk aufgebaut, die größte Auslandsin­vestition. Zum Glück wurden die Zahlungen für den Strom bis Ende 2019 inklusive des Währungsri­sikos durch den türkischen Staat abgesicher­t. Falls die Lira bis dahin aber im Keller bleibt, wird es ernst.

Der Stromkonze­rn Uniper betreibt fünf Kraftwerke in Russland. Hans van Bylen Henkel-Chef Doch auch als Ergebnis der Abwertung des Rubels ging der Umsatz mit internatio­nalen Stromaktiv­itäten um 79 Millionen Euro auf nur noch 527 Millionen Euro im ersten Halbjahr zurück, der operative Gewinn brach um mehr als 50 Prozent ein. Uniper hält trotzdem an der Gewinnprog­nose fest, weil der hiesige Strompreis in nur einem Jahr um 50 Prozent auf 44 Euro je Megawattst­unde stieg. Gleichzeit­ig könnten die engen Verbindung­en von Uniper zu Russland Schwierigk­eiten bringen: Uniper ist der Partner des von den USA bekämpften Gaspipelin­eprojektes Nord Stream 2 – also könnten US-Sanktionen dagegen auch Uniper treffen. Uniper-Chef Klaus Schäfer ist übrigens russischer Honorarkon­sul.

Für Urlauber ist die relative Stärke des Euro aber auch interessan­t. Gerade die Türkei ist noch billiger geworden. Sonderange­bote für 300 Euro für eine Woche Urlaub inklusive Flug sind als Last-Minute-Angebote keine Seltenheit. Tui senkt zwar nicht pauschal die Preise, erklärt aber: „Urlauber bekommen mehr für ihr Geld, wenn sie in der Türkei einkaufen oder essen gehen.“

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