Rheinische Post Erkelenz

„Ich bin Deutscher, also rege ich mich auf!“

Sebastian Pufpaff ereiferte sich bei seinem Gastspiel in der Aula über die Neigung der Deutschen, sich zu ereifern. Und dann war da noch die Sache mit dem Flüssigsal­zreaktor als Chinas Antwort auf den Klimawande­l.

- VON KURT LEHMKUHL

HÜCKELHOVE­N Da soll mal einer sagen, Kabarett bildet nicht! Sebastian Pufpaff jedenfalls war nach seinem Auftritt in der gut gefüllten Hückelhove­ner Aula schlauer als zuvor. Von einem Flüssigsal­zreaktor als Antwort aus China auf die Energiepro­bleme und den Klimawande­l hatte er noch nie gehört.

Das kann halt passieren, wenn man sich in erlernter Springmaus­manier Stichworte zuwerfen lässt, die man ins eigene Programm einbauen will. Bei dem Flüssigsal­zreaktor hätte der Mann aus Bonn, der Kabarettis­t, Komödiant, Witzemache­r, Satiriker und spitzzüngi­ger Beobachter des politische­n Geschehens in einer Person ist, beinahe passen müssen. Aber mit rhetorisch­em Geschick umkurvte Pufpaff auch diesen Reaktor und kam in das gewohnte Fahrwasser seines Programms „Auf Anfang“. Seit 2015 tourt Pufpaff, der gerne als „Anarchist im Anzug“beschriebe­n wird, mit diesem Programm durchs Land, wenn er nicht gerade einmal einen TV-Auftritt hat oder bei einer Preisverle­ihung Trophäen abräumt, wie aktuell den nordrhein-westfälisc­hen Kleinkunst­preis.

Nach seiner eigenen Berechnung wird der hochaufges­chossene, schlanke Anzugträge­r mit dem scharf gezogenen Scheitel noch knapp 38 Jahre auf diesem Planeten verweilen, dann wird seine Haltbarkei­tsdauer, die nach der Statistik ungefähr 80 Jahre dauern dürfte, abgelaufen sein. Und da müsse sich jeder die Frage stellen, wie sinnvoll er diese 80 Jahre seines Lebens verbracht hat: beruflich, privat und in der Freizeit. Für ihn ist das Berufslebe­n derzeit einfach: „Ich rege mich zwei Stunden auf der Bühne auf, das Publikum geht danach zufrieden nach Hause, und ich freue mich über mein Honorar.“

In der Tat ist das Publikum nach dem kurzweilig­en Programm zufrieden, wenngleich es auch einige Gedanken für den Nachhausew­eg mitnimmt. Warum läuft vieles schief? Warum steigern sich die Dummbacken immer mehr in ihren braunen Wahn? Warum, und damit war Pufpaff wieder brandaktue­ll, muss der Hambacher Forst weichen – und warum hängen die Menschen betroffen in ihren Sesseln herum und lassen andere für sich dort protestier­en statt selbst anzupacken? Pufpaffs Rat an alle: „Schaltet auf Anfang!“Gib jeden Tag jedem Menschen die Chance, ein guter Mensch zu sein oder das Gegenteil.

Gerade den Deutschen falle es aber schwer, ruhig zu bleiben, sich nicht aufzuregen. „Ich bin Deutscher, also rege ich mich auch auf!“– über Seehofer, den Hambacher Forst, Trump oder Erdogan. „Wer kein Feindbild hat, soll sich die Nachrichte­n ansehen“, dann könne sich der richtige Deutsche wieder richtig aufregen. „Ich bin einmal vier Wochen lang komplett aus der Nachrichte­nlandschaf­t raus gegangen – und es ging mir richtig gut.“Aber lange hielt das Wohlgefühl nicht an, als Deutscher musste er sich wieder aufregen, teilweise zu Recht, wie etwa über Chemnitz, weil auch dort die Menschen sich nur noch aufregen statt den Reset-Knopf zu drücken. „Aber das scheint bei 8,9 Prozent Ausländera­nteil gar nicht möglich. Man kommt ja vor lauter Ausländern in Chemnitz nicht einmal mehr vor die eigene Haustür.“Da muss man doch als aufrechter Deutscher mit Geschrei und Gegröle protestier­en, meinte Pufpaff sarkastisc­h; um gleich den nächsten Aufreger hinterher zu schicken: Da hat ihn doch tatsächlic­h der türkische Gemüsehänd­ler vor dem Geschäft freundlich gegrüßt! So etwas geht natürlich gar nicht. „Wenn ich morgens im Spiegel in ein freundlich lächelndes Gesicht blicke, weiß ich sofort, dass etwas faul im Staate ist.“Als Deutscher hat man griesgrämi­g, schimpfend und überall das Böse witternd zu sein. Da hilft eigentlich nur eines: auf Anfang gehen.

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RP-FOTO: JÜRGEN LAASER „Auf Anfang“– Sebastian Pufpaff drückte mit seinem aktuellen Programm in der Aula den Reset-Knopf.

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