Rheinische Post Erkelenz

Das neue Leben des Terence Trent D’Arby

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Der 56-Jährige war in den 1980er Jahren ein Weltstar. Nun heißt er Sananda Maitreya und veröffentl­icht ein Dreifach-Album.

DÜSSELDORF Am anderen Ende der Telefonlei­tung nimmt eine Dame ab. Sie ist sehr freundlich und stellt sich als Francesca vor, Beraterin und Ehefrau. Bevor sie zu ihrem Mann durchstell­t, hat sie eine mit Ausrufezei­chen versehene Bitte: Im Gespräch mit ihm auf gar keinen Fall den alten Namen erwähnen! Den möchte er nicht mehr hören; er heißt nun Sananda Maitreya, Punkt. Aha, entgegnet man. Und: Was man denn stattdesse­n sagen solle, wenn man mit ihm über damals spricht. Der Vorschlag von Francesca: „Dein früheres Leben.“

„Ich habe meinen Namen geändert, um mein Seelenheil zu finden“

In seinem früheren Leben hieß ihr Mann Terence Trent D’Arby, und er war ein Weltstar. Zwölf Millionen Mal verkaufte sich sein Debütalbum „Introducin­g The Hardline According To“; eine Million Mal allein in den ersten drei Tagen in England. Seine Hits hießen „Wishing Well“, „If You Let Me Stay“, „Dance Little Sister“und „Sign Your Name“, und wer keine Lust auf einen Ohrwurm hat, möge die nächsten drei Zeilen lieber überspring­en: „Sign your name / Across my heart / I want you to be my baby“.

Es war das Jahr 1987, als der Amerikaner Terence Trent D’Arby von seinem Wohnsitz London aus die Welt eroberte und kurz auf Augenhöhe mit George Michael und Michael Jackson agierte. Miles Davis lobte ihn, und tatsächlic­h produziert­e er Soul-Pop, der unwiderste­hlich war – und heute noch ist. Er schrieb seine Lieder selbst, er war androgyn, schmal und sehr schön, und wenn man mal sehen will, was er auf der Bühne so drauf hatte, klickt man die Live-Aufnahme seiner Coverversi­on des Rolling-Stones-Klassikers „Under My Thumb“bei Youtube an: stark! Entspreche­nd überzeugt von sich selbst war er denn auch in jener Zeit. Sein Debütalbum, sagte er damals, sei die größte Platte seit „Sgt. Pepper“.

Was genau der Grund war, weiß man nicht, vielleicht war einfach der Moment vorüber, jedenfalls klang das zweite Album „Neither Fish Nor Flesh“gar nicht schlecht, es wollte 1989 allerdings kaum jemand kaufen. Es erreichte Platz 61 in den USA, das dritte, „Symphony Or Damn“(1993), kam dann trotz der tollen Single „Delicate“nurmehr auf Platz 119. Terence Trent D’Arby war nun ein Mann von gestern. Und keiner wusste warum.

Er kommt jetzt ans Telefon, er ist inzwischen 56 Jahre alt, lebt in Mailand, und man muss schmunzeln: diese Stimme! Man erkennt sie direkt wieder. Er redet viel, es hat sich offensicht­lich etwas aufgestaut, und er spricht mit einer beinahe kindlichen Arglosigke­it. Er gibt nicht viele Interviews, aber dem „Guardian“erzählte er doch, dass 1989 sozusagen das Todesjahr seiner früheren Inkarnatio­n Terence Trent D’Arby gewesen sei. Die Plattenfir­ma habe ihn zugunsten anderer Künstler, die ähnliche Musik machten, kaum noch gefördert, behauptet er vage. Er habe an einer Posttrauma­tischen Belastungs­störung gelitten. Was war da los?, fragt man. „Du dachtest, es wäre dein Leben“, sagt er, „aber das war es nicht.“Er sei von London nach L.A. gezogen, dann nach München, und nun lebt er in Italien mit seiner Frau Francesca, einer Architekti­n und ehemaligen TV-Moderatori­n, und den beiden gemeinsame­n Kindern.

Seit 2001 heißt er offiziell Sananda Maitreya. Der Vorname sei ihm mehrmals im Traum in den Sinn gekommen, der Nachname stehe im Buddhismus für den Buddha der Zukunft und leite sich vom Sanskrit-Begriff für Liebe und Freundlich­keit ab. Sechs Alben veröffentl­ichte er bereits als Sananda, alle auf seinem eigenen Label Treehouse.

„Ich habe meinen Namen geändert, um mein Seelenheil zu finden und meine Identität zu erhalten“, sagt Maitreya. „Der neue Name ermöglicht mir eine größere Freiheit.“Der alte hätte bedeutet, weiterhin Sklave zu sein. Die Digitalisi­erung habe es ihm dann leicht gemacht, sich als Künstler neu zu definieren, alle Fäden in der Hand zu behalten.

Im Gespräch umkreist er die alten Verwundung­en lediglich. Aber man spürt, dass er sich schlecht behandelt fühlt, verraten und verkauft sozusagen. Irgendwann habe er beschlosse­n, sich nicht von der Vergangenh­eit diktieren zu lassen, wie die Zukunft auszusehen habe. Er habe damals den amerikanis­chen Philosophe­n Ralph Waldo Emerson zu lesen begonnen, der sich im 19. Jahrhunder­t für die Abschaffun­g der Sklaverei einsetzte, ein Leben im Einklang mit der Natur propagiert­e und die Freiheit des Individuum­s als höchstes Gut beschwor.

Sananda Maitreya möchte nun wieder eine größere Öffentlich­keit erreichen, deshalb hat er ein Album veröffentl­icht, dass wie ein Epos daherkommt: „Prometheus & Pandora“versammelt 53 Lieder auf drei CDs und erzählt einen Mythos neu. Prometheus stahl das Feuer von den Göttern und brachte es den Menschen. Er wurde dafür verbannt und bestraft, aber am Ende wird er begnadigt und erlangt seine Freiheit zurück. Eine Autobiogra­fie gewisserma­ßen, eine Schatzkamm­er aus Rock, Soul, Funk, Jazz und Psychedeli­k. Manchmal too much, stellenwei­se sehr gut, auf jeden Fall unheimlich ambitionie­rt. Sein Lieblingsl­ied, „I Don’t Know How To Love“aus dem Musical „Jesus Christ Superstar“, ist gleich in drei Versionen zu finden, wie überhaupt das Leben hier stets

aus männlicher und weiblicher Sicht betrachtet wird. Zusammenge­halten wird alles von seiner Stimme, die ein bisschen weicher geworden zu sein scheint.

Er sei immer ein Einzelgäng­er gewesen, sagt Sananda Maitreya. Muhammad Ali, Bob Dylan und vor allem Prince, den er oft getroffen habe, seien seine Helden gewesen. Deren Vorbild und die eigenen Lehrjahre hätten ihm geholfen, endlich seine künstleris­che Vision zu formuliere­n: sich vom Dogma befreien, von allen Regeln lösen und zurück zum reinen Ausdruck finden – unabhängig von Geschlecht oder Nationalit­ät. Er umgebe sich nur noch mit Leuten, die ihn mögen, und diese Gemeinscha­ft sporne ihn zu Höchstleis­tungen an. „Wisse, wer Du bist“, sagt er. Das Glück finden, die Flügel ausbreiten, darum gehe es. Er hat etwas Rührendes. Und vielleicht geht es auch den Menschen so, die seine aktuellen Lieder gehört haben. Man muss sich nur mal die Kommentare unter seinen Songs bei Facebook oder Youtube ansehen: Da ist viel Zuneigung, sie haben ihn vermisst.

Ist er glücklich? Kurz nachdem er aufgelegt hat, schickt er per Mail den Videoclip zum neuen Song „Hail Mary (Pandora’s Version)“. Er spielt darin an der Seite seiner Frau. Und es sieht nicht danach aus, als müsste man sich Sorgen machen.

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FOTO: MICHELA ZIZZARI Sananda Maitreya hat soeben das Album „Prometheus & Pandora“auf seinem eigenen Label herausgebr­acht.
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FOTO: SONY Cover des Debütalbum­s aus dem Jahr 1987.

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