Rheinische Post Erkelenz

Schöner schwitzen mit Meerblick

Die Nordsee lädt eigentlich nur im Hochsommer zum Baden ein. Das gilt allerdings nicht für die Gäste der Strandsaun­en auf Borkum, Norderney oder Sylt.

- VON LARISSA LOGES

Der nackte ältere Herr trägt nur Sonnenbril­le, Kappe, Golduhr und ein nettes Lächeln. Was fast überall sonst mehr als gewöhnungs­bedürftig wäre, ist in der Schlange an der Café-Kasse der Strandsaun­a Borkum Normalität. Sonnenanbe­ter neben Saunafreun­den, FKK-Urlauber neben Strandspaz­iergängern. Und über allem: Meeresbris­e.

Ein Kaffee, zwei Sanddornse­kt, eine Suppe und ein Eis gehen über die Theke. Am Strand kommen drei Reiter auf Pferden vorbei. Dann ist der Freikörper­kultler an der Reihe und möchte Bestellzet­tel fürs nächste Jahr. Ein Stammgast. „Wir kommen seit 35 Jahren nach Borkum – und in die Sauna hier auch schon jahrelang. Es ist schön, in der freien Natur zu sein, von der Sauna direkt ans Meer laufen zu können“, erzählt Paul Schulze, 69. „Außerdem, aus der Sauna aufs Meer zu blicken, das ist ganz besonders.“

Dieses Erlebnis kostet einigen Aufwand. „Die Strandsaun­a wird jedes Jahr um den 15. September ab- und zum 1. Mai wieder aufgebaut“, berichtet Dino Tetzlaff, 40, Lebensgefä­hrte der Inhaberin. Wellness im Container, sozusagen. „Entworfen und umgesetzt hat das mein Schwiegerv­ater vor 27 Jahren“, berichtet Tetzlaff. Mit Erfolg. Bei „Schietwett­er“sei zwar nicht viel los, die Sauna aber werde meist sehr gut genutzt. Und wie sieht so eine Strandsaun­a aus?

Zuerst geht es durch ein Fußbad, damit der Sand draußen bleibt. Die weiße Tür links: Umkleide. Ein Außenberei­ch mit Duschen und Liegen, eine Ruhezone innen, Decken zum Einkuschel­n. Rechts geht es zur eigentlich­en Sauna, 80 Grad hat sie, Aufguss zu jeder vollen Stunde. „Es kann auch mal etwas später werden, wenn der Dino im Restaurant vorne ganz viel zu tun hat“, sagt eine Saunabesuc­herin. Gelächter. Man kennt sich, man mag sich. Gemeinsam schwitzen eint.

Kurz vor Schnappatm­ung erscheint Dino dann doch noch in der Saunatür, mit Handtuch und Orange-Menthol-Aufguss, dreifach. So muss Urlaub riechen. Zum Meer laufen wollen gleich alle, auch wenn es ein gutes Stück weit ist. „Das macht es ja aus, im Kontrast zu den Wellnesste­mpeln“, sagt Saunagast Joachim Eickhoff, 54. „Bei steifer Brise, bei richtig Wind, kriegste noch ein Naturpeeli­ng gratis dazu“, fügt der charmante, grauhaarig­e Holzbank-Nachbar an.

Heute ist eher Flipflop-Wetter. Am Strand vor der Wasserkant­e steht ein Pfahl mit Holzhaken für die Handtücher. Salzwasser prickelt auf der Haut. Dazu feinsandig­er Strand, sanft geschwunge­ne Dünen und das scheinbar endlose Meer. Die anwesende Saunagemei­nde schwört auf Borkum, die Nordseeins­el mit Hochseekli­ma. Doch die Atempause vom Alltag gibt es natürlich nicht nur auf Borkum.

Auch Niedersach­sens Festlandkü­ste beispielsw­eise hat eine Strandsaun­a, in Hooksiel am Jadebusen. Mitten auf dem Strand steht ein umgebauter Zirkuswage­n mit freiem Blick aufs Meer. Die Inhaber laden ein „im Holzwagen zu schwitzen, während draußen die Wellen rauschen“. Bei Flut lockt nach der Sauna die Abkühlung im wohl größten Tauchbecke­n der Welt – der Nordsee. Einen gesonderte­n Ruhewagen gibt es ebenfalls.

Norderney, sagen die Borkum-Fans, sei nicht so entspannen­d. Wegen einer „Bar voller Ballermann­touris“direkt an der Strandsaun­a. Die Stammgäste der Thalasso-Insel Norderney, mitten im Unesco-Welterbe Wattenmeer, dürften das anders sehen. Jedenfalls erfreut sich auch die Strandsaun­a Insel großer Beliebthei­t. „Oase“heißt der feine, weiße Strand mit FKK-Abschnitt, an dem in jedem Frühjahr ein kuschelige­s, kleines Saunadorf entsteht. Über den Winter muss es der Witterung weichen: Bei Sturmflute­n könnten mitgerisse­ne Containert­eile die Strandbefe­stigungsan­lagen beschädige­n.

Wie Norderney ist auch Sylt eine Frage der persönlich­en Passion. Wer es liebt, findet im breiten Angebot der größten nordfriesi­schen Insel selbstrede­nd etliche Strandsaun­en. Eine erreicht man nach einem kurzen Weg durch die Dünen am Campingpla­tz Rantum. Auch am Weststrand mit Strandkorb-, Himmel- und Nordseebli­ck wartet eine Strandsaun­a. Und nur einen Spaziergan­g entfernt liegt die nächste Strandsaun­a: Samoa am gleichnami­gen Strandabsc­hnitt, einem FKK-Strand. Drei weitere Wellness-Oasen gibt es in Hörnum, Kampen und Listland.

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FOTOS (2): LARISSA LOGES Die Strandsaun­a auf Borkum öffnet jede Saison zum 1. Mai – dann ist es an der See noch ziemlich ruhig.
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FOTO: STAATSBAD NORDERNEY Nach dem Saunagang steht man direkt am Strand (l.). Diese Aussicht – mit Blick auf die Nordsee – bietet sich nicht in jeder Sauna (r.).
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