Rheinische Post Erkelenz

Neue Hoffnung für die Brennstoff­zelle

Obwohl die PS-Branche seit Jahrzehnte­n die Vorzüge der Brennstoff­zelle anpreist, kommt der Wasserstof­fantrieb nicht recht in Fahrt. Doch mit neuen Modellen keimt Hoffnung auf.

- VON THOMAS GEIGER

Für Sae Hoon Kim hat die Zukunft schon begonnen. Denn während seine Kollegen noch mit gewöhnlich­en Hybrid-Autos durch Seoul fahren, ist der Projektlei­ter von Hyundai mit einer Brennstoff­zelle unterwegs. Und zwar nicht mit einem der vielen Prototypen, die nahezu alle Autoherste­ller in den letzten Jahren aufgebaut haben. Sondern er sitzt am Steuer des Nexo, mit dem die Koreaner nun ihr erstes um den umweltfreu­ndlichen Antrieb herum entwickelt­es Auto in Serie bringen.

Seit Sommer soll er laut Hersteller ab 69.000 Euro auch in Deutschlan­d die Energiewen­de voranbring­en und eine Technik beflügeln, deren Bewertung kaum zwiespälti­ger sein könnte. Der modern gezeichnet­e Geländewag­en schafft mit einer Tankfüllun­g laut Hyundai bis zu 756 emissionsf­reie Kilometer, erreicht ein Spitzentem­po von 179 km/h und braucht an der Tankstelle keine fünf Minuten. Der Antrieb erfolgt durch einen EMotor, dessen Strom ohne weitere Abgase als Wasserdamp­f an Bord aus Wasserstof­f gewonnen wird.

Neben Sae Hoon Kim rühmt auch Christian Mohrdieck dieVorzüge der Technik. Er ist Leiter des Bereichs Antriebsen­twicklung Brennstoff­zellensyst­em bei Daimler. Dazu gehört für ihn etwa, dass man Wasserstof­f leicht mit regenerati­ver Energie herstellen kann und dafür keine fossilen Rohstoffe verwenden muss. Oder dass man ihn besser speichern kann als Strom und ein Brennstoff­zellen-Auto nicht stundenlan­g laden muss, sondern in wenigen Minuten wie einen Diesel oder Benziner tanken kann.

Experten wie Ferdinand Dudenhöffe­r dagegen kritisiere­n die mangelnde Infrastruk­tur mit Tankstelle­n in Deutschund land sowie die hohen Kosten für die Technologi­e. Die benötigt unter anderem reichlich Platin für die Reaktionsf­läche des Wasserstof­fs. „Und dass sich die Hersteller wahlweise aus eigener Überzeugun­g oder auf öffentlich­en Druck hin voll auf das batterieel­ektrische Fahrzeug konzentrie­rt haben, wird die Entwicklun­g der Brennstoff­zelle auch nicht beschleuni­gen“, sagt der Automobilw­irtschaftl­er von der Universitä­t Duisburg-Essen.

„Das eine tun, ohne das andere zu lassen“, propagiert dagegen Sae Hoon Kim und schwenkt damit ein auf eine Linie, die vor ihm bereits Honda Toyota verfolgt haben. Denn die beiden japanische­n Hersteller sind mit ihrem Clarity und dem Mirai die bislang einzigen, die schon jetzt ein dezidierte­s Brennstoff­zellenFahr­zeug in Serie und es in kleinen Stückzahle­n auf ausgewählt­en Märkten auf die Straße gebracht haben. Dennoch entwickeln auch die beiden Japaner an reinen elektrisch­en Fahrzeugen, die zum Ende des Jahrzehnts in den Handel und dann vor allem auf Kurzstreck­en und Stadtverke­hr fahren sollen.

Diese Doppelstra­tegie fährt auch Mercedes und mischt als erster deutscher Hersteller noch in diesem Jahr mit dem GLC F-Cell in der Wasserstof­fNische mit. Angetriebe­n wird der von außen nur dezent modifizier­te Geländewag­en von einem 147 kW/200 PS starken E-Motor. Allerdings wird der nicht allein von der Brennstoff­zelle gespeist, sondern auch von einem Akku mit externer Ladefunkti­on. So kommen zu den 447 Kilometern Reichweite der 4,4 Kilo Wasserstof­f laut Mercedes noch einmal 49 Kilometer aus der Steckdose. So ganz ernst meint Mercedes es allerdings nicht mit dem Wasserstof­f-Wagen.

Denn weder gibt es das Auto für jedermann, noch wird es auf klassische­m Wege verkauft. „Wir werden es noch im Lauf des Jahres an ausgewählt­e Kunden verleasen“, schränkt Pressespre­cherin Madeleine Herdlitsch­ka ein. Dass Mercedes überhaupt am Ball bleibt, liegt nicht zuletzt an der breiten Palette der Schwaben. Denn auch wenn die Brennstoff­zelle ihren Einstand nun im Pkw gibt, schielt der Hersteller nicht zuletzt auf die Nutzfahrze­uge, weil dort der batterieel­ektrische Antrieb angesichts von Gewicht und Fahrstreck­e schnell an seine Grenzen stößt, argumentie­rt der Hersteller.

So langsam wie das Modellange­bot wächst auch das Versorgung­snetzwerk. Aktuell gibt es in Deutschlan­d knapp 50 Tankstelle­n. Bis nächstes Jahr will eine Allianz aus Fahrzeugun­d Mineralölh­erstellern 100 Stationen am Netz haben. Und bis 2023 sollen es rund 400 sein, so Mercedes weiter.

Neue Modelle von Hyundai und Mercedes und eine breit angelegte Initiative für eine bessere Infrastruk­tur – für eine Untote ist die Brennstoff­zelle aktuell relativ lebendig. Das sehen auch Analysten wie der britische Marktbeoba­chter Frost & Sullivan. Der etwa erwartet auf niedrigem Niveau einen rasanten Anstieg für Modelle und Marktantei­l.

So langsam wie das Modellange­bot wächst auch das Versorgung­snetzwerk

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FOTO: DAIMLER Soll noch 2018 kommen: Der Mercedes GLC F-Cell nutzt neben der Brennstoff­zelle auch noch einen Akku, der sich an der Steckdose laden lässt und so den 447 Kilometern Wasserstof­f-Reichweite rund 50 Kilometer hinzufügt.
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FOTO: HYUNDAI Der Tankvorgan­g – wie hier beim Hyundai Nexo – dauert in der Regel genauso lange wie der beim Benziner oder Diesel.

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