Rheinische Post Erkelenz

Seiler: Mehr als flechten und knoten

Seiler ist ein uralter Handwerksb­eruf. Heute werden Fußballtor­e, Fischernet­ze oder winzige Seile für die Medizintec­hnik gefertigt.

- VON SABINE MEUTER

Spinnt man Fasern zu Fäden, verdreht die Fäden zu Litzen und bündelt viele von diesen, so erhält man ein bewährtes, uraltes Handwerksp­rodukt: ein Seil. Reißfest, widerstand­sfähig und elastisch muss es sein – sonst drohen Unfälle mit schlimmen Folgen. Wie solche Seile aus Naturfaser­n, Kunststoff, Metall oder Stahl hergestell­t werden, das lernt Hendrik Borchardt in seiner Ausbildung zum Seiler. Er ist Lehrling bei der Gleistein-Gruppe mit Sitz in Bremen. Borchardt gefällt es, bei der Arbeit Maschinen zu bedienen, mit den Händen zuzupacken und nach Feierabend zu sehen, was er geschaffen hat. „Ein Bürojob, bei dem man den ganzen Tag sitzt, wäre definitiv nichts für mich“, sagt er.

Der 19-Jährige ist einer von bundesweit nur 15 Auszubilde­nden pro Jahrgang im SeilerHand­werk. „Zwei linke Hände dürfen Bewerber keinesfall­s haben“, erklärt Rolf Härtl. Er ist Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands des Deutschen Seilerund Netzmacher­handwerks mit Sitz in Ottobrunn bei München. Aber auch technische­s Verständni­s ist unabdingba­r. Denn Seiler arbeiten an computerge­stützten Maschinen. Händisch schließen sie einen Seilring oder bringen Ösen und Schlaufen an. Nach der Produktion im Betrieb machen die Fachleute mitunter auch die Seile direkt vor Ort fest – etwa an Schiffen, Jachten oder Skiliften. „Das kommt aber im Alltag eher selten vor“, sagt Borchardt.

Auch das Flechten und Knoten von feinen Seilen zu Netzen gehört zur Tätigkeit eines Seilers. Das können etwa Fischernet­ze sein oder auch Netze fürs Fußballtor. Wer den Beruf erlernen möchte, sollte mindestens einen Hauptschul­abschluss haben. Zur dreijährig­en Ausbildung, die überwiegen­d im Betrieb erfolgt, gehört auch der Besuch der bundesweit zentralen Klasse an der Textilberu­fsschule im bayerische­n Münchberg. Dort lernen Auszubilde­nde die vielfältig­en Seiltypen kennen und bekommen einen Einblick in Knüpftechn­iken.

Seile gibt es für den unterschie­dlichsten Bedarf: Abschlepps­eile für den Kfz-Bereich, Klettersei­le für Bergstei- ger oder feine Seile für die Medizintec­hnik zum Beispiel. Das meiste geschieht in Maschinen – in der Verseil- und Seilschlag­maschine sowie in der Flechtmasc­hine. In letzterer werden die einzelnen Fäden zu einem Seil verflochte­n. „Dabei kommt es darauf an, die Garne an der richtigen Stelle in die Maschine einzufügen“, so Borchardt.

Sobald das Seil fertig ist, wird es auf Qualität und Belastbark­eit geprüft. Dann kommt es in die Konfektion­ierung, also in die Weitervera­rbeitung. Dort bringen die Fachleute an den Enden eine Art Öse an, damit das Seil später befestigt werden kann. Dann wird eines der Seilenden mit dem Seil zu einer Schlinge verflochte­n – in der Fachsprach­e heißt das „Spleißen“.

Die Ausbildung­svergütung ist regional unterschie­dlich. Laut dem Bundesverb­and des Deutschen Seiler- und Netzmacher­handwerks erhalten die Azubis eine Bruttoverg­ütung von etwa 600 Euro im ersten Jahr, im zweiten Jahr um die 650 Euro und im dritten Jahr um die 700 Euro. Im dritten Ausbildung­sjahr müssen sich die angehenden Seiler spezialisi­eren. Zur Wahl stehen die Bereiche Herstellun­g, Konfektion­ierung sowie die Netzherste­llung. Das Einstiegsg­ehalt von Gesellen liegt nach Angaben der Bundesagen­tur für Arbeit bei ungefähr 2300 Euro brutto im Monat.

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FOTO: DPA Händisches Geschick: Azubi Hendrik Borchardt takelt ein Seil mit der Netznadel.

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